Das Cover des neuen Albums von Machine Head ist – wenn schon nicht schön – so zumindest ein Hingucker. Eine zusammengekrümmte Gestalt kniet in Embryo-Haltung und blutüberströmt im Dunkeln, auf dem Rücken liegt eine Rose. Fällt im CD-Laden des Vertrauens bestimmt auf – und hat auf einer ästhetischen Ebene durchaus etwas!
„Catharsis“, also Reinigung, Läuterung, heißt das Werk – und wer die Geschichte der Band um Sänger und Gitarrist Robb Flynn ein wenig verfolgt hat, wird wissen, dass der Musiker aus Oakland sich immer schon eher tiefgründig mit Gefühlen wie Ärger, Verzweiflung, Wut und Zorn auseinandergesetzt hat. Seine Musik war seit dem Debüt „Burn My Eyes“ von 1994 ein Ventil für diese meist negativen Gefühle – als Nebeneffekt sind aber nun auch bereits neun Studioalben mit jeder Menge großartiger Groove-Thrash-Granaten entstanden. Seelen-Reflektion kann eben auch solch positive „Kollateralschäden“ hervorrufen…
Hochgeschwindigkeitsprojektil mit jeder Menge Durchschlagkraft
Allerdings sind nicht alle Alben auf einem gleich hohen Level angesiedelt – ja, es kann nur ein „Unto The Locust“ (2011) geben. Und ja, „Bloodstone & Diamonds“ ist zumindest am Rezensenten eher belanglos vorbeigelaufen. Aber echte Rohrkrepierer gibt es in der Machine-Head-Diskographie dafür auch nicht. Schwankungen auf recht hohem Niveau sozusagen. Und so ist auch „Catharsis“ wieder ein gutes Album geworden, das zudem mit 15 Songs in rund 75 Minuten das CD-Format bis an die Grenze ausreizt. Das wiederum heißt: Auch auf „Catharsis“ sind die Songs keine Bad-Religion-eine-Minute-muss-reichen-Kompositionen, sondern durchaus ausladende Songs. Aber nur „Heavy Lies The Crown“ geht mit knapp neun Minuten als echter Longtrack durch, von denen es etwa auf „Unto The Locust“ ja noch einige mehr gab.
Flynn und Konsorten – Schlagzeuger Dave McClain, Bassist Jared MacEachern und Gitarrist Phil Demmel – kommen in den 15 neuen Songs meist schnell auf den Punkt, wagen etwa mit den Rap-Vocals bei „Triple Beam“ auch das eine oder andere Experiment, setzen insgesamt aber dennoch auf den zwanglosen Zwang der harten Gitarren. So gibt es mit dem Opener „Volatile“ sogleich derbe auf die Zwölf: Wer mit einem derartigen Hass-Batzen loslegt, macht in der Regel keine Gefangenen. Allerdings ist der Titelsong dann durchaus gemäßigter, auch wenn er die eine oder andere Eruption bereithält. Genanntes „Triple Beam“ wirkt dann ein wenig zerfahren, dürfte live nicht so gut funktionieren, entwickelt sich aber vor allem unterm Kopfhörer.
„California Bleeding“ und „Beyond The Pale“ kommen gewohnt hart aus den Boxen, „Kaleidoscope“ ist ein Hochgeschwindigkeitsprojektil mit jeder Menge Durchschlagkraft – Flynn klingt dabei aggressiv und verletzlich zugleich, die Beatdowns im Mittelteil werden für Staubwolken auf den Sommerfestivals sorgen…
Nicht richtig schlecht, aber leider kein Schaffenshöhepunkt
„Bastards“ ist hingegen ein vergleichsweise richtig simpler Song, der ein wenig an die Irish-Punks Dropkick Murphys erinnert, was zunächst sehr, sehr seltsam wirkt, aber bei wiederholter Einfuhr immer zwingender wird. Im Gegensatz zu „Triple Beam“ ein völlig gelungenes Experiment! „Heavy Lies The Crown“ beginnt ganz leise mit Streichern, steigert sich dann aber zu einem absolut zwingenden Pathos-Monster in bester „Unto-The-Locust“-Tradition. Definitiv ein Höhepunkt!
Wenn man nun „Catharsis“ im Machine-Head-Kosmos einordnen wollte, müsste man das Album wohl als gutes Mittelmaß bezeichnen. Das ist jetzt bestimmt nicht das, was sich die Fans gewünscht haben, aber es passt eben zum wechselhaften Output-Gebaren der Band, das sich – wie gesagt – zum Glück immer auf recht hohem Niveau abspielt. Diesmal gilt also: nicht richtig schlecht, aber leider kein Höhepunkt im Schaffen.
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 26. Januar 2018
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 15
- Spielzeit: 75:16 Minuten
- Preis: ca. 18 Euro