Passau. Maidult, Bootspartys, Kneipentour und Christkindlmarkt – das gesamte Jahr über hat die Studentenstadt Passau so einiges zu bieten. Auch abseits von saisonalen Veranstaltungen. Und auch für diejenigen, denen die „klassischen Reiseführertipps“ zu langweilig sind. Denn Passau verfügt über eine bemerkenswerte Kunstszene: Neben dem „Künstlerviertel“ in der Altstadt befinden sich dort zahlreiche Orte künstlerischen Schaffens. Die Frage, warum gerade eine Kleinstadt in Niederbayern eine derartige Menge an geballter Kreativität bereit hält, hat sich auch die Autorin dieser Zeilen gestellt – und sich hineingestürtzt ins bunte Treiben der Dreiflüssestadt…
„Durch die Donau, den Inn und die Ilz fließt viel Energie nach und durch Passau“, sagt Künstlerin Christa Götter und meint damit einen der Gründe für die schöpferische Vielfalt ausfindig gemacht zu haben. Die gebürtige Passauerin war schon als Kind sehr kreativ – statt mit Puppen hat sie mit Lehm gespielt. Dennoch entschied sie sich nach der Schulzeit für einen „anständigen“ Beruf, arbeitete lange Zeit als Sekretärin an der Universität Passau. „Ich habe meinen Job stets sehr gerne gemacht“, sagt die 64-Jährige im Rückblick. „Täglich war ich mit interessanten, jungen Menschen in Kontakt – so wurde es nie langweilig.“
„Vieles trägt die Silhouette Passaus oder die Farben der drei Flüsse“
Doch als Sekretärin konnte sie nur eine von zwei Seiten entfalten: „Die andere Seite ist und bleibt die künstlerische“, sagt Christa Götter und lächelt. In den 80ern hatte sie gemeinsam mit einer Freundin einen Kunst-Kurs besucht. Im Anschluss daran belegte sie ein zweiwöchiges Seminar an der Kunstakademie Bad Reichenhall. „Diese zwei Wochen waren mit Sicherheit die anstrengendste, aber auch die lehrreichste Zeit meiner künstlerischen Weiterbildung“, erinnert sie sich.
Nebenbei hat sie sich mit verschiedenen Kunst- und Gestaltungstechniken beschäftigt und ist so auf die Porzellanmalerei gestoßen. „Meine ersten Stücke habe ich auf Märkten ausgestellt und verkauft“, berichtet die Frau mit den auffallend roten Haaren. 2003 dann ist sie im so genannten Künstlerviertel auf einen seit dem jüngsten Hochwasser leerstehnden Laden aufmerksam geworden. Die damals 50-Jährige zögerte nicht lange und mietete den Raum kurzerhand an – die Geburtsstunde der „Offenen Werkstatt Passau“.
Christa Götter spricht bewusst nicht von ihrem Atelier. „Jeder, der möchte, kann mir beim Bemalen von Porzellan zusehen. Dadurch kam auch der Name zustande.“ Einheimische, Touristen, Rentner und Studenten – sie alle zählen zu ihren Kunden. Genauso vielfältig sind auch ihre Arbeiten. Die Passauerin nimmt dabei sowohl Aufträge und individuelle Wünsche entgegen, zaubert aber auch ihre ganz eigenen Kreationen. „Ich lasse mich gerne von der Stadt inspirieren. Vieles, was man hier sieht, trägt die Silhouette Passaus oder die Farben der drei Flüsse.“ Und das kommt an bei den Kunden – insbesondere diejenigen, die nach einem Mitbringsel suchen, das nicht von der Stange ist, wissen die Einzelstücke zu schätzen.
„Alles entspricht unserer eigenen Wahrnehmung von Ästhetik“
Während seine Kommilitonen in den Semesterferien verreisen oder ihre Freunde besuchen, nutzt August Krocker die vorlesungsfreie Zeit lieber dazu, um an neuen Projekten zu feilen. Der 20-Jährige studiert „Medien- und Kommunikationswissenschaften“ an der Uni Passau – und hat bereits das erreicht, wovon viele Gleichaltrige noch träumen: Im vergangenen Jahr gründeten er und sein bester Freund Tobi ihr eigenes Label namens „Wishbone Thousand“. August Krocker erklärt: „Wishbone Thousand ist eine Marke, die vor allem junge Menschen ansprechen soll.“
Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, hatten die beiden Burghausener schon seit Längerem. Bereits seit Anfang 2017 planten, organisierten und entwarfen die jungen Männer alles, was für ihr Projekt notwendig war. „Die Vorarbeit war langwierig und anstrengend“, berichtet August Krocker. Schließlich stellte das Duo alles selbst auf die Beine – von bürokratischen Verpflichtungen wie dem Anmelden eines Gewerbes über künstlerische und design-technische Aufgaben bis hin zur Gestaltung und Eröffnung des Online-Shops. „Natürlich haben wir Hilfe von Freunden bekommen“, erinnert sich der Student – und ergänzt sogleich: „Anders wäre es auch gar nicht gegangen.“
„Die meisten unserer Models stammen aus unserem Bekanntenkreis“, erzählt der Wishbone-Thousand-Gründer und schmunzelt. Die Fotos wurden zunächst für den Online-Shop des Modelabels benötigt, doch auch der Instagram-Account, der ebenfalls von den Gründern gepflegt wird, profitierte von den Bildern.
Die beiden betrachten ihr Schaffen als eine Form von Kunst. „Alles, was wir machen, entspricht unserer Wahrnehmung von Ästhetik. Deshalb wollen wir auch keine halben Sachen. Bevor uns also etwas nicht gefällt, leisten Tobi und ich lieber Mehrarbeit – und sind am Ende mit dem Ergebnis zufrieden.“
Das macht sich vor allem bei den Rückmeldungen der Kunden und Instagram-Follower bemerkbar. Diese lassen wenig Zweifel daran, dass vor allem die Qualität, aber auch die Authentizität der Marke sie beeindruckt. Doch so erquicklich das Lob von außen und der eigene Erfolg auch sein mögen – übervoll und somit anstrengend ist der Terminplan der beiden Künstler allemal. Schließlich gibt es ja auch noch Job und Studium, die nicht vernachlässigt werden wollen. Ausgleich findet August Krocker – wie sollte es anders sein – mit kreativen Beschäftigungen. „Um runter zu kommen, mache ich Musik oder entwerfe neue Designs am Computer.“ Eben ein Künstler durch und durch.
„Kreative Menschen können einander bestens inspirieren“
Künstler wird auch Elias Elomda von vielen genannt – er selbst hingegen würde sich nicht so bezeichnen. Der junge Mann lebt ebenfalls in Passau und erschafft hier wahre Einzelstücke. Die handgefertigten Lampen des 35-jährigen haben ihre ganz eigene Note. Als Material nutzt er Baobab-Früchte, in die er Muster schnitzt. Die Früchte bekommt er von seiner Cousine, die in Sambia lebt.
Durch die geschnitzten Bilder fällt später das Licht der Deckenlampen. Das besondere an den Kunstwerken: Neben ihrer schönen wie ausgefallenen Optik und den natürlichen Materialien „zaubern“ die Leuchten wunderschöne Muster an die Wand.
Besonders sind nicht nur die Baobab-Lampen, die Elias Elomda in seiner Freizeit gestaltet – auch Möbelstücke, Accessoires oder andere Unikate haben Wiedererkennungswert. Dabei geht es dem Passauer in erster Linie nicht um den kommerziellen Erfolg. Er hat einfach Spaß daran, seinen Ideen Form zu verleihen.
Der gelernte Mechatroniker hatte immer schon ein Faible für Kunst. „Deshalb mag ich es, Menschen kennen zu lernen, die ihre Kreativität gut umsetzen – davon gibt es in Passau wirklich viele.“ Sich mit den Leuten auszutauschen und sich von ihnen inspirieren zu lassen, das ist es, was ihn antreibt.
Aus diesem Grund möchte er künftig Festivals und Events besuchen und seine Werke dort ausstellen. Nachdem die Schöpfungen des 35-Jährigen im März 2017 im „Kaffeewerk„, einem Café in der Passauer Innstadt, Teil einer Vernissage war, geht ihm der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, sich noch intensiver mit Kunstinteressierten auseinander zu setzen.
Künstlerisches Schaffen, von dem alle profitieren können
Kreativität kann nicht aufgebraucht werden – dessen sind sich alle besuchten Künstler-Persönlichkeiten bewusst. Nicht umsonst gilt Kunst als grenzenlos. Denn genau so unterschiedlich und vielseitig wie die Kunstschaffenden ist auch die Kunst an sich. Egal, ob es sich dabei um Gemälde, Bildhauerei, Mode, Musik, Handwerk oder etwas ganz anderes handelt- die Erschaffer tun das, was sie lieben. Und wenn dann die Ergebnisse ihre Umgebung zusätzlich bereichern, können im Endeffekt alle davon profitieren.
Malin Schmidt-Ott