Deggendorf. Als „Plattform für Gutmenschen“ bezeichnet der evangelische Pfarrer Gottfried Rösch den jüngst auch in Deggendorf gegründeten Zusammenschluss kirchlicher Flüchtlingshelfer. Und muss sich im selben Atemzug ärgern. „Das ist doch paradox“, sagt er – und meint damit die Tatsache, dass über „Gutmenschen“ in der heutigen Öffentlichkeit fast ausschließlich schlecht gesprochen werde. „Das ist doch kein Stil“, empört sich der Mitbegründer des Matteo-Vereins, der den in der Flüchtlingshilfe engagierten Leuten eine Stimme geben möchte. (Hier geht’s sogleich zum Interview mit Gottfried Rösch)
Rösch ist bereits seit mehreren Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert. Familiär ist er dabei vorgeprägt, da sein Vater (ebenfalls evangelischer Pfarrer) mehr als 25 Jahre in Tansania gearbeitet hatte. Einem Land, das aufgrund regelmäßiger Flüchtlingswellen immer wieder vor großen Herausforderungen stand. „Wir hatten häufig afrikanische Gäste im Haus – auch hier in Deutschland“, berichtet der gebürtige Bielefelder, der seit 2007 als Geistlicher in Deggendorf wirkt.
„Kulturelle Unterschiede waren damals ebenfalls gravierend“
Gemeinsam mit seinen Mitstreitern hatte er sich Ende des Jahres zusammengetan und den Matteo-Helferkreis in Deggendorf auf die Beine gestellt. Ausschlaggebend dafür war unter anderem die am 20. Dezember durchgeführte Demonstration von rund 200 Bewohnern des sog. Transitzentrums, die gegen die dortigen Unterbringungsverhältnisse auf die Straße gegangen waren.
„Es gibt in Deggendorf eine lange Tradition des Helfens, gerade wenn es um Flüchtlinge geht“, berichtet Gottried Rösch. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Tausende in die Donaustadt gekommen. Gar 23 Prozent aller Niederbayern hätten damals einen Flüchtlingshintergrund gehabt, so Rösch. „Die kulturellen Unterschiede waren damals ebenfalls gravierend. Die Menschen sprachen schlesisch oder sudetendeutsch – und waren protestantisch.“ Diese seien damals von den Hiesigen auch als „die Gottlosen“ bezeichnet worden – wovon die Ältern noch heute berichten könnten.
Auch, als die türkischen Gastarbeiter kamen, habe dies die Region sehr verändert. Genauso der Zustrom vieler Russland-Deutscher in den 90ern. Mittlerweile habe Deggendorf – in den Augen Röschs eine sehr moderne und weltoffene Stadt – 30 Prozent Zuwanderung. „Die heutigen Flüchtlinge haben natürlich einen ganz anderen Rechtsstatus. Das macht es nicht ganz so einfach.“
Abschiebelager: „Eine besondere, bayerische Idee“
„Transitzentrum – das klingt ja so nett“, sagt Gottfried Rösch mit ironischem Tonfall. Doch es handele sich hierbei schlichtweg um „Abschiebelager“, wie er die Einrichtungen, die u.a. auch in Bamberg, Ingolstadt oder Regensburg existieren, nennt. Hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs seien im Vorfeld Fehler gemacht worden. Denn viele Deggendorfer hätten gar nicht so recht mitbekommen, dass die von 2015 an unter dem Namen „Erstaufnahmeeinrichtung“ firmierenden Unterkünfte im Juli 2017 umgewidmet wurden. „Da lief die Kommunikation sehr unglücklich“, kritisiert der Pfarrer – und ergänzt: „Das ist eine besondere, bayerische Idee mit den Abschiebelagern hierzulande. Und man kann von keinem behaupten, dass dort die Menschenrechte einigermaßen sinnvoll eingehalten werden können.“ Für Rösch einer der Gründe, weshalb sich die Situation in Deggendorf immer mehr zugespitzt hatte.
Ebenfalls dazu beigetragen habe seiner Meinung nach eine Ende November durchgeführte Großrazzia, die für viel Unruhe in der Einrichtung gesorgt habe. „Damals wurden mitten in der Nacht hunderte Menschen aus dem Schlaf gerissen, darunter viele Kinder. Niemand wusste so recht, was los ist. Großes Polizeiaufgebot. Mit dem Ergebnis, dass im Polizeibericht dann zu lesen war, dass die Flüchtlinge erstaunlicherweise relativ kooperativ gewesen sind.“ Nach der „Großkontrolle“, wie die Polizei dies genannt habe, seien lediglich ein paar Herdplatten und Wasserkocher konfisziert worden. Doch die Atmosphäre unter den Bewohnern sei von da an von Angst und Unsicherheit geprägt gewesen.
Die Zeitung habe den Polizeibericht im Anschluss „völlig unkritisch übernommen“, so Rösch weiter, anstatt bei den Bewohnern des Transitzentrums genauer zu hinterfragen, wie diese die Polizeimaßnahme erlebt hätten. „Eine Sichtweise jenseits von Polizeiberichten wäre sicherlich auch für die Leser interessant gewesen.“ Er findet: Ausschließlich „zur Beruhigung der Deggendorfer Bevölkerung“ sei diese Aktion durchgeführt worden – „mich beunruhigt so etwas.“
Rösch spricht von „acht Erwachsenen auf 15 Quadratmetern“
Etwa 400 Menschen in existenzieller Not, mehrheitlich aus Aserbaidschan und Sierra Leone, sind Rösch zufolge im Abschiebelager untergebracht. „Sie leben dort in kontinuierlicher Angst vor Abschiebungen. Das sind sehr friedliche Menschen, die in Frieden leben wollen und darauf achten, dass ihre Seelen nicht zu sehr zerbrechen“, schildert Rösch seine Eindrücke von den Bewohnern, die er als „non-violent“ und „peaceful“ bezeichnet. Er spricht von einem „sozialen Brennpunkt mitten in Deggendorf“, über den die einheimische Bevölkerung aufgrund mangelhafter Öffentlichkeitsarbeit so gut wie nichts wisse.
Das Gebäude, in dem die Menschen teils auf sehr engem Raum untergebracht sind, sei sehr alt und heruntergekommen. Rösch spricht von „acht Erwachsene auf 15 Quadratmetern“. Auch die hygienischen Anlagen ließen zu wünschen übrig. Das Haus müsse schleunigst renoviert werden. „Unter diesen Umständen kann man keine Leute unterbringen.“
Die Aufgabe des Matteo-Vereins, in dem viele Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Kirchen- und Christengemeinschaften Mitglied sind und sich gut vernetzt haben, bestehe nun darin, zu vermitteln und so für mehr Verständnis für die Situation der Flüchtlinge zu sorgen. Gespräche seien aus Sicht von Matteo das tragende Element. „Sich von Mensch zu Mensch zu begegnen, auch wenn es ein anderer Rechtsstatus ist. Den Alltag miteinander zu teilen – und dann zu überlegen, was unternommen werden kann, um zu helfen“, erklärt Rösch, der den Helferkreis nicht als Konkurrenz zur bereits bestehenden Caritas betrachtet. „Der Verein, der im Oktober in Nürnberg gegründet wurde, ist mittlerweile weit über die Grenzen Bayerns hinaus aufgestellt. Matteo ist die Zivilgesellschaft. Bürger, die sich zusammentun und das Gespräch suchen.“
Stephan Hörhammer
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Rösch: CSU befindet sich in einem Dilemma
Deggendorf. „Mehr offensive Menschlichkeit ist durchaus möglich – und weniger Angst vor den Bürgern“, ist Pfarrer Gottfried Rösch überzeugt. Das habe mit politischer Führung und Kommunikation zu tun, wie er im folgenden Hog’n-Interview betont. Darin nimmt der 52-Jährige unter anderem zu den jüngsten Äußerungen des niederbayerischern JU-Vorsitzenden Paul Linsmaier im Zuge der Deggendorfer Flüchtlingsdemo Stellung – und reagiert auf die Aussagen von dessen CSU-Parteikollegen Christian Bernreiter, der die bisherigen Integrationsmaßnahmen als gescheitert betrachtet.
„Null Verständnis“ bekundete jüngst Paul Linsmaier, CSU-Fraktionsvorsitzender im Deggendorfer Stadtrat, für die Menschen im „Transitzentrum“, die aufgrund unzumutbarer Wohnzustände und mangelnder Hygiene in der Unterkunft auf die Straße gingen. Er forderte die Demonstranten dazu auf, mehr Dankbarkeit zu zeigen. Wie bewerten Sie seine Worte, Herr Rösch?
Diese Aussage halte ich für sehr unglücklich. Aber es gibt neben der CSU auch andere Parteien, die sich immer wieder unglücklich äußern. Und über die ich mich ebenso ärgern kann. Es wäre die Aufgabe von Politikern, Verständnis für die Situation der Geflüchteten herzustellen und Brücken zu schlagen.
Die CSU hat, wie es scheint, ein gewisses Problem mit dem „C“ im Namen, da wir in unserem Kulturkreis eine christliche Soziallehre haben. Evangelische und katholische Christen haben zwar nicht dasselbe Familienbild, aber uns ist die elementare Wertschätzung der Familie für die individuelle Entfaltung der Menschen gemein.
Die Aushebelung des Familiennachzugs etwa entspricht keinesfalls der christlichen Soziallehre. Und dass sich eine christliche Partei nun darüber profilieren will, gegen die Familien zu polemisieren, ist mehr als schräg und zeigt ein gewisses Dilemma, in dem sich die Partei befindet.
„Was ist aus der Seele dieser Partei geworden?“
Die Kirchen sind kulturell vielfältig – sie leben von der Vielfältigkeit. Wenn dann aber „Multi-Kulti“ als Schimpfwort verwendet und stattdessen eine Leitkultur eingefordert wird, die nur wenig mit dem Christentum zu tun hat, stellt sich sehr wohl die Frage, was aus der Seele dieser Partei geworden ist. Da zerreibt sie sich dann eigentlich selber.
Gegen Flüchtlinge bzw. Ausländer mit scharfer Zunge zu reden, sodass sich gar der Eindruck der Hetze manifestiert, und gleichzeitig die normale Mitte in einem modernen Einwanderungsland wie Deutschland abdecken zu wollen, ist schwierig – gerade wenn man das christliche Profil dabei auch noch hochhalten will. Christliche Parteien, die sich mit unchristlichen Themen profilieren wollen, haben über kurz oder lang ein Image-Problem.
Wobei man freilich nicht alle CSU-Politiker über einen Kamm scheren und nicht vergessen darf, dass es viele CSU-Politiker gibt, die sich stark engagieren. Auch in unserem Landkreis.
Stichwort: Integration. Deggendorfs Landrat Christian Bernreiter sagte kürzlich in einem Interview mit der Tageszeitung: „Die Integration ist viel schwieriger, als sich die allermeisten vorgestellt haben. Selbst euphorische Unterstützer sind auf dem Boden der Tatsachen angekommen.“ Stimmen Sie dem zu?
Ich weiß ja nicht, mit welchen euphorischen Unterstützern er so spricht – diejenigen, die ich kenne, haben sich immer schon realistisch und auf dem Boden der Tatsachen in der Flüchtlingshilfe engagiert. Gerade die christlichen Kirchen wissen ganz genau, welche Schwierigkeiten Flüchtlingssituationen mit sich bringen – allein aufgrund ihrer Erfahrungen in afrikanischen Ländern. Es war auch in der Bundesrepublik klar, dass das keine einfache Sache wird.
Gerade in unserem Landkreis war unser Landrat ja bei der Erstaufnahmeeinrichtung stark beteiligt. Er hat auch Großartiges geleistet – und könnte ruhig ein bisschen stolz darauf sein, was da alles auch mit ehrenamtlicher Arbeit geschafft wurde.
„Abschiebungen nur zu populistischen Zwecken durchgeführt“
Weiter sagt er, dass Flüchtlinge in den Integrationsklassen spät oder gar nicht zum Unterricht erscheinen würden. Ausbildungsverträge würden vorzeitig beendet werden – im Landkreis Deggendorf hätte dies im Jahr 2017 die Hälfte der Auszubildenden so gemacht.
Das heißt im Gegenzug, dass die andere Hälfte der Ausbildungsverhältnisse geklappt hat. Man kann das so oder so sehen bzw. darstellen. Je nachdem, welche Seite man unterstützen möchte. Ich kenne in unserer Region viele Menschen, die aufgrund ihres rechtlichen Status besonders scharf behandelt werden – und ihre Ausbildungs- bzw. Arbeitserlaubnis nicht bekommen.
Ich kenne Menschen, die gerne arbeiten und etwas aus ihrem Leben machen möchten, aber über Jahre hinweg keine Ausbildungserlaubnis bekommen. Das ist für diese Menschen eine Katastrophe. Sie wollen sich integrieren, erhalten aber diesen einen entscheidenden Zettel von der Behörde nicht. Für die Betriebe, die ja immer lauter einen Mangel an Arbeitskräften beklagen, ist das genauso unverständlich.
Das alles ist auch für die heimische Bevölkerung nur schwer nachvollziehbar. Denn dann heißt es: Die lungern ja eh nur rum und liegen uns auf der Tasche. Aber das ist es nicht, was die Asylbewerber wollen – die wollen arbeiten. Natürlich gibt es auch diejenigen, die sich schwer damit tun, unser Arbeitssystem zu adaptieren. Die deutsche Ausbildung ist nun mal sehr anspruchsvoll. Aber es gibt genügend, die gut durchkommen. Es ist immer wieder ärgerlich, wenn begabte Menschen über Jahre hinweg hier ihr Dasein fristen müssen, weil sie keine Ausbildungserlaubnis erhalten. Aufgrund der behördlichen Bremsen ist das mit der Integration freilich schwierig. Ein Familiennachzug würde die Integration erleichtern.
Abschiebungen nach Afghanistan sind meinem Erachten nach völlig sinnlos und sehr teuer. Diese werden ohnehin nur zu populistischen Zwecken durchgeführt. Doch sie versetzen hunderte von Afghanen in existenzielle Angst. Aber es sind meist keine Schwerverbrecher, die da im Flieger sitzen. Da sind auch Afghanen mit Beruf dabei, die bereits in der Gesellschaft integriert sind. Unbescholtene Menschen werden abgeschoben. Das ist sehr kontraproduktiv.
„Worte des Landrats bergen eine schräge Polemik“
Landrat Bernreiter äußert sich weiter: „Wohnungen entstehen nicht von selbst. Hier könnten zum Beispiel die Kirchen als große Grundbesitzer einen substanziellen Beitrag leisten. Nach zwei Jahren könnte man jetzt auch mal Bilanz ziehen, wie viele Glaubensgemeinschaften egal welcher Religionszugehörigkeit tatsächlich Flüchtlinge aufgenommen und integriert haben.“ Wie bewerten Sie diese Aussage?
Dass wir eine Wohnungsnot im Land haben, liegt nicht an den Flüchtlingen, sondern an ganz anderen Gründen. Die Frage ist: Wie konnte es überhaupt erst so weit kommen, dass wir in so einem reichen Land eine Wohnungsnot bekommen? Da sind sicher nicht die Kirchen oder die Flüchtlinge dafür verantwortlich. Denn aus meiner Sicht wird sich auf Seiten der Kirchen um Wohnraum für Flüchtlinge bemüht. Aber die Kirche ist ja nicht in erster Linie der Großgrundbesitzer oder die Kirchenleitung. Die Kirche, das sind die Christen, die Gemeinden, die Menschen, die die Kirche ausmachen.
Vielleicht denkt Herr Bernreiter da zu sehr als Behördenleiter. Aber wenn ich vom Landkreis Deggendorf spreche, dann meine ich ja auch nicht nur das Landratsamt als Behörde. Sondern die Menschen im Landkreis Deggendorf. Insofern bergen die Worte des Landrats eine schräge Polemik.
In den Helferkreisen befinden sich Vermieter, die aus christlicher Motivation ihre Wohnungen an Flüchtlinge vermieten. Auch wenn das nicht immer unkompliziert läuft. Hier wird auch Integration geleistet. Es ist die Aufgabe der Politik, dass wir keine Wohnungsnot in diesem Land haben.
Wälzt Herr Bernreiter demnach hier den „Schwarzen Peter“ der Wohnraumknappheit und des Integrationsdefizits von der politischen auf die kirchliche Seite ab?
Es ist eine gewisse komische Konstellation, dass die christlichen Parteien denken, sich darüber profilieren zu können, indem sie die Kirchen angreifen. Wir feiern Weihnachten weiter und wir werden die Weihnachtsgeschichte lesen – und da geht’s nun mal um Flüchtlinge. Dass gerade die Partei, die sich auf christliche Werte besinnt, gegen Weihnachten polemisiert, finde ich sehr irritierend. Das zeigt, wie schon gesagt, das Dilemma, in dem die CSU sich mittlerweile befindet.
Dass es Parteien gibt, die sich auf christliche Werte beziehen, ist gut. Doch das sollte dann auch erkennbar sein.
„Die derzeit gültigen 24 Monate sind nicht zu ertragen“
Was wünschen Sie sich für die Menschen im „Transitzentrum“ im Speziellen und die Asylbewerber in Bayern im Allgemeinen?
Das Konzept von Transitzentren ist gescheitert – in Ingolstadt, in Bamberg, genauso wie in Deggendorf. Das Kompromisspapier der Unionsparteien hat bei den jüngsten Sondierungsgesprächen ausdrücklich beinhaltet, dass künftig bundesweit Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive in solchen Abschiebelagern untergebracht werden sollen. Das bayerische Modell soll also flächendeckend verwendet werden – das halte ich für eine ganz schräge Idee. Das ist nicht zu verantworten. Transitzentren gehen gar nicht. Hier muss es andere Lösungen geben.
Wenn, dann sollten die Menschen allerhöchstens sechs Monate in den Transitzentren untergebracht werden. Länger hält es dort niemand aus. Die derzeit gültigen 24 Monate sind nicht zu ertragen. Da entstehen dann eben jene Unruhen, wie wir sie immer wieder mitbekommen.
Zudem würde ich es generell begrüßen, wenn die Abschiebebescheide korrekter behandelt würden. Wenn dagegen geklagt wird, sind die Aussichten nicht abgeschoben zu werden relativ gut. Aber ein Rechtsanwalt ist teuer. Es kommt häufig vor, dass der Abschiebebescheid nicht juristisch korrekt ist und daher widerrufen werden muss. Die, die keinen Rechtsanwalt haben, werden jedoch widerrechtlich abgeschoben. Natürlich ist das ein schwieriges Feld – auch für die Polizisten, wenn sie bei Abschiebungen gegen den Willen von Menschen vorgehen müssen. Aber: Abschiebungen müssen nach rechtsstaatlichen Regeln abgewickelt werden. Ich kann nicht einfach so Menschen in Polizeigewahrsam nehmen und sie in ein anderes Land bringen – wobei ganz klar ist, dass sie dort eine noch viel schwierigere Situation erwartet. Das alles wird auch Kindern und Jugendlichen zugemutet.
Ich wünsche den Menschen, dass sie arbeiten und sich entfalten können. Sie wollen ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten. Ihnen das zu verweigern, ist gänzlich ungeschickt. Und natürlich geht es dabei um die jeweilige Rechtssituation des Einzelnen: Ist jemand auf Duldung hier? Ist jemand Bürgerkriegsflüchtling? Es sind teils komplizierte Zusammenhänge.
Außerdem: Viele Menschen würden ja gerne zurückgehen – doch dazu müssten sich Länder wie Sierra Leone erst einmal stabilisieren. Gäbe es dort mehr Sicherheit, mehr Rechtsstaat, ein bisschen mehr Wohlstand, würden viele gerne wieder zurückgehen bzw. gar nicht erst kommen.
„Müssen gemeinsam am Erhalt von Werten arbeiten“
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Mehr offensive Menschlichkeit ist durchaus möglich, denke ich. Und weniger Angst vor den Bürgern. Wir müssen gemeinsam als Zivilgesellschaft am Erhalt von Werten wie Humanität und Menschlichkeit arbeiten – und gemeinsam dafür eintreten. Das hat auch etwas mit politischer Führung und Kommunikation zu tun.
Wenn Politiker über Medien hetzen, dann wird der Rassismus natürlich weiter zunehmen. Rassismus wird es immer geben, aber Rassismus muss auch immer bekämpft werden. In Europa können wir uns Rassismus nicht leisten – der Rechtsruck, den wir auch in den osteuropäischen Ländern miterleben mussten, der ist für ganz Europa bedenklich. Hier wünsche ich mir von der Politik, dass hier viel deutlicher die Werte von Freiheit und Demokratie vorgelebt und vertreten werden.
Interview: Stephan Hörhammer