Köln/Bischofsreut. Nach seinem Geografie-Studium hatte er „den Sprung ins kalte Wasser gewagt“ und ist seit nunmehr fünf Jahren als professioneller Fotograf unterwegs: Kilian Schönberger, aufgewachsen im Oberpfälzer Wald, hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Sein fotografisches Interesse gilt dem zusammenhängenden Naturraum Mühlviertel-Böhmerwald-Bayerischer Wald. Und gerade in letzterem hält er sich besonders gerne auf, wie der 32-Jährige im Hog’n-Interview verrät. Den Grenzort Bischofsreut bezeichnet er dabei als seine „Basis im Woid“…
Kilian: Du arbeitest seit fünf Jahren als professioneller Fotograf. Wie bist Du zum Fotografieren gekommen?
Ursprünglich war Zeichnen mein Steckenpferd. Durch mein Geografie-Studium in Bonn bin ich ziemlich viel im Ausland rumgekommen. Die Digitalfotografie entwickelte sich in dieser Zeit rasant weiter und war das optimale Medium, um Exkursionen und Feldkurse zu dokumentieren. Fotografie spielte eine immer größere Rolle – bereits in der Diplomarbeit verband ich Geografie mit Fotografie und analysierte die Rolle von Landschaften in der Werbung. In der Zeit kamen die ersten größeren Aufträge rein. Nach dem Diplom hab ich dann den Sprung ins kalte Wasser als professioneller Fotograf gewagt.
Unorthodox: „Der Tag beginnt oft um 4 oder 5 Uhr morgens…“
Wie sieht Dein fotografischer Arbeitsalltag aus?
Der Arbeitsalltag unterscheidet sich sehr – je nachdem, ob ich im Gelände unterwegs bin oder am Schreibtisch. Den Anteil der Büroarbeit darf man dabei nicht unterschätzen – ich bin aber immer froh, wenn ich wieder „raus“ kann. Die Arbeitszeiten beim Fotografieren sind unorthodox: Der Tag beginnt oft um 4 oder 5 Uhr morgens und endet um 10 oder 11 Uhr abends. Dazwischen überbrückt man die Distanz zur nächsten Location, holt ein bisschen Schlaf nach oder erledigt Kommunikationsaufgaben.
Wer gehört zu Deinen Auftraggebern?
Meine Kunden sind äußerst vielfältig. Ich hab unter anderem bereits für Adobe, Mercedes Benz, die Bayerische Staatskanzlei, Mitsubishi, arte, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Trentino Tourismus, Stern, Eurowings und GEO gearbeitet. Meist kommen die Kunden auf mich zu, weil sie in digitalen oder analogen Medien auf meine Arbeiten aufmerksam werden und sie meinen Bildstil ansprechend finden. Die Aufträge reichen von der kompletten konzeptionellen Neuanfertigung von Bildmaterial über Influencer-Jobs bis hin zum Verkauf von Bild-Lizenzen.
Du hast viel Zeit in Bischofsreut im Landkreis Freyung-Grafenau verbracht. Welche Verbindung hast Du zu dem Ort? Und: Verglichen mit Deiner Heimat, dem Oberpfälzer Wald – welche Unterschiede kannst Du zwischen ihm und dem Bayerwald bzw. Böhmerwald ausmachen?
Dass ich in Bischofsreut viel Zeit verbringe, liegt vor allem daran, dass meine Eltern Bischofsreut am Wochenende oft für Wanderungen oder zum Langlaufen aufsuchen. Früher war ich fast jedes Winter-Wochenende dort – zumindest meine Eltern gehören ein Stück weit zum Dorf. Durch Studium und Beruf bin ich jetzt insgesamt seltener in Bischofsreut, fühl mich aber nach wie vor sehr heimisch.
Wenn man von der Oberpfalz in die Dreiländereck-Region unterm Dreisessel fährt, dann durchquert man den gesamten Bayerischen Wald. So bin ich gut mit dem ganzen Gebiet vertraut. Anstatt über die B22 und B85 fahr ich am liebsten die Strecke über Lam, Brennes, Bayerisch Eisenstein, Zwiesel, Nationalpark, Mitterfimiansreut – da fühlt man sich schon bei der Anfahrt mitten im „Woid“.
Der Oberpfälzer Wald ist ein Stück niedriger, weniger schneesicher aber auch noch ein etwas ruhiger als da Woid. Beide Gebiete haben ihre Vorzüge, durch die unterschiedliche Höhenlage ist man im Bayerischen Wald aber flexibler.
Geniale Fähigkeiten? „Hab viel Herzblut für die Fotografie übrig“
Was fasziniert Dich so am Bayerwald/Böhmerwald, dass Du immer wieder hierher zurückkehrst?
Fasziniert bin ich von der Weite der Landschaft. Gerade wenn im Herbst der Nebel die Niederungen flutet und in 150 Kilometer Entfernung die Alpen am Horizont stehen, erlebt man auf dem Bayerwaldkamm fotografische Sternstunden. Der Woidwinter ist natürlich auch toll… Im Sumava Nationalpark hab ich schon Temperaturen von bis zu -38°C erlebt – und für Motive wie die Arbermandl fahren andere Fotografen extra nach Lappland.
Köln ist Dein aktueller Wohnort, wenn Du nicht gerade unterwegs bist. Ein doch recht krasser Gegensatz zu Deinen Ursprüngen und zum Woid, findest Du nicht?
Vor allem weit weg… aber im Rheinland hat’s mir schon während dem Studium gut gefallen – ich komme mit der Mentalität gut klar. Ich lebe hier in Köln-Ehrenfeld, einem jungen Viertel mit vielen Medienleuten. Die Grundidee dahinter war, einen urbanen Ausgleich zur Arbeit in der Natur zu haben – auch, um unterschiedliche Perspektiven auf das eigene Schaffen zu bekommen. Für meine Bildbände „Sagenhaftes Deutschland„, „Sehnsucht Wald“ mit Andreas Kieling und „Waldwelten“ war Köln eine gute Basis, da ich dabei jeweils das gesamte Bundesgebiet fotografisch abgedeckt habe. Aber was die Zukunft bringt, wird man sehen…
Du hast eine Rot-Grün-Sehschwäche. In der Geschichte der Menschheit kommt es häufiger vor, dass Leute mit genialen Fähigkeiten ein körperliches Gebrechen haben. Wie stehst Du zu dieser These? Und: Inwiefern beeinträchtigt Dich Deine Sehschwäche beim Fotografieren?
Also „geniale Fähigkeiten“ würd ich mir selbst nicht zuschreiben. Ich bin halt einfach a narrischa Hund – und hab viel Herzblut für die Fotografie übrig (lacht). Daher bin ich bereit dafür auch Opfer zu bringen.
Die Farbenblindheit ist eine Einschränkung, weil ich die Farben eher interpretieren muss. Das geht manchmal ordentlich daneben, doch zum Glück kenn ich inzwischen die Objekte, bei denen ich gerne daneben liege.
Auch Kollegen weisen mich auf Fehlfarben hin. Vor der Berufswahl hatte ich so meine Zweifel, ob das überhaupt klappt mit der Fotografie, aber man sollte sich nicht aufhalten lassen, wenn man etwas wirklich durchziehen will.
„Natur kennt keine Grenzen, genauso wenig wie Landschaften“
Einer der Hauptgedanken hinter der Onlineplattform sumava.eu ist es, die bayerische und die böhmische Bevölkerung einander näher zu bringen und Grenzen – insbesondere in den Köpfen – weiter abzubauen. Das grenzüberschreitende Motiv ist auch immer wieder Teil Deiner Bilder. Warum interessiert Dich der grenzenlosse Naturraum Bayerischer Wald/Böhmerwald/Mühlviertel im Besonderen?
Natur kennt keine Grenzen, genauso wenig wie Landschaften. Als Landschaftsfotograf arbeite ich also grenzenlos. Ebenso bringe ich großes Interesse an der Geschichte und Entwicklung aller Teilgebiete des Böhmerwaldes mit. Meine familiären Wurzeln liegen auf beiden Seiten der Grenze. Die Sprachbarriere ist manchmal ein wenig hinderlich, aber trotzdem denke ich, dass Menschen von ihrer Umwelt stark geprägt werden und daher die Bewohner des Bayerischen Waldes und des Sumavas eine sehr ähnliche Mentalität haben.
Mal schau’n, vielleicht fällt mit dem technologischen Fortschritt auch die Sprachbarriere irgendwann weg und erleichtert das Zusammenleben an der Grenze zusätzlich. Ich denke, dass für Europas Zukunft eine gute Nachbarschaft zwischen den Ländern entscheidend ist. Leider gibt es in Westdeutschland oft wenig Verständnis für die Eigenheiten von Bayern, Tschechien oder Österreich.
Denkst Du, dass Naturaufnahmen, so wie Du sie anfertigst, auch eine Art heilende Wirkung auf den Betrachter haben können? Dass „grenzenlose Aufnahmen“ einen positiven Einfluss auf Körper und Geist haben?
Meine Aufnahmen betrachte ich als „Bühnenbilder“, die man mit den Augen erkunden kann. Sie sollen dem Betrachter ein paar ruhige Momente in einer technologisch-überladenen Welt gönnen. Ich denke, dass so ein Bild sehr wohl ein Stück weit entspannen kann. Doch ein richtiger Spaziergang in der Natur ist immer noch besser… (lacht).
„Eigentlich lebe ich ja meinen Traum als Landschaftsfotograf“
Nebel spielt eine ganz gewichtige Rolle in Deinen Bildern – warum ist das so?
Was für den Maler die Leinwand, ist für mich der Nebel: Er ist die weiße Fläche, auf der ich meine Bildelemente arrangiere. Gerade im Wald oder auch bei Panoramen kann der Nebel dazu dienen, bestimmte Elemente zu betonen und für mehr Tiefe im Bild zu sorgen. Oft dienen mir Sagen oder Märchen als Inspiration, daher schätze ich die mystische Komponente, die Nebel in Fotos erzeugen kann.
Was inspiriert Dich sonst noch?
Landschaftsmaler wie Caspar David Friedrich. Landkarten. Und ein gutes Bier.
Zum Schluss: Welchen fotografischen Traum verfolgst Du? Wie lautet Dein größter Wunsch?
Eigentlich lebe ich ja meinen Traum als Landschaftsfotograf. Manchmal hätte ich gerne mehr Zeit für freie Arbeiten. Ansonsten bin ich zufrieden, wenn ich in Zukunft ähnlich erfolgreich sein kann wie bisher.
Dass das so bleibt, wünschen wir Dir. Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: da Hog’n/sumava.eu
- „The world’s most haunting landscapes“
- Facebook-Seite von „Kilian Schoenberger Photography“
- Website von Kilian Schönberger: www.kilianschoenberger.de