Passau. Die Integrationsidee ist so simpel wie genial: Junge Einheimische treffen sich einmal wöchentlich mit einem jungen Flüchtling – und tauschen sich im Gespräch aus. Über all diejenigen Dinge, die die jungen Leute von heute bewegen – auf diese Weise lernen sie von- und miteinander. Perdita Wingerter vom gemeinnützigen Verein „Gemeinsam leben & lernen in Europa“ hatte den Einfall dazu. „Wir organisieren bereits seit einigen Jahren Sprachpatenprojekte für Kinder und für erwachsene Flüchtlinge. Aber wir haben gemerkt, dass jüngere Flüchtlinge oft keinen oder kaum Kontakt zu Gleichaltrigen haben.“
Der Verein bringt die Ehrenamtlichen und interessierten Flüchtlinge zusammen, führt eine kurze Schulung durch, stellt eine Sprachpatenbox mit altersgerechten Materialien und Tipps für Gesprächsanlässe zur Verfügung – und organisiert die Austauschtreffen. Koordiniert und betreut wird das Projekt von jungen Ehrenamtlichen des Vereins. „Das Projekt ist megacool und hat wirklich viel Spaß gemacht“, berichtet etwa Yannik Stefani, der bereits jetzt schon die nächste Runde im Mai vorbereitet. „Viele sind bis heute befreundet und in Kontakt.“
„Wir haben viele junge Ehrenamtliche, die was tun wollen“
Die Einfachheit des Projektes begeisterte auch zwei Freiwilligen-Organisationen aus Rumänien und Bulgarien. „Wir haben zum ersten Mal Flüchtlinge in unserem Land und es gibt niemanden, der Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen hat“, berichtet Maria Petkova von der Tulip Foundation. „Wir haben viele junge Ehrenamtliche, die was tun wollen“, ergänzt ihre Kollegin Nico Chis-Racolta von der Freiwilligenagentur in Cluj-Napoca.
Perdita Wingerter hat ihre Kolleginnen darin geschult, das Training für die Ehrenamtlichen sowie die interkulturelle Schulung für die Flüchtlinge durchzuführen und hat Informationen darüber weitergegeben, wie der Verein das Projekt organisiert. Dieses wurde dann im Rahmen des EU-Programms Erasmus+ in Rumänien und Bulgarien getestet. Für die Organisatorinnen war dies eine große Herausforderung, da dort die Flüchtlinge oft in großen Gemeinschaftsunterkünften zu Hunderten abgeschirmt untergebracht sind. Und dennoch wurde das Projekt auch dort erfolgreich umgesetzt.
Die Teilnehmer waren begeistert. „Das war das erste Mal, dass sich jemand mit mir unterhalten hat – so ganz normal. Sonst werde ich nur angebrüllt oder sogar auf der Straße angespuckt, weil ich ein Kopftuch trage“, berichtete eine junge Muslima bei der Abschlussfeier des Projektes in Sophia. „Es ist schön, nun eine Freundin zu haben, die mich ganz normal behandelt.“
„Ehrenamtlicher Einsatz überschaubar, aber nah am Menschen“
Gemeinsam mit den europäischen Kollegen, jungen Ehrenamtlichen und Flüchtlingen wurde ein europäisches Format des Projektes entwickelt. Nun gibt es unter dem Namen „Talk with me“ eine Sprachpatenbox mit Ideen und Anregungen für Gespräche, ein Handbuch, wie man das Sprachpatenprojekt organisiert sowie ein Konzept für die Schulung der Ehrenamtlichen und Flüchtlinge.
Amjad Abo Huwaij, ehemaliger Bundesfreiwilliger des Vereins und selbst junger Flüchtling aus Syrien, durfte das Projekt auf einer internationalen Konferenz in Amsterdam vorstellen. Perdita Wingerter und der Bundesfreiwillige Mohammed Bayzeed sind von der Nationalagentur „Jugend für Europa“ als Experten geladen. Ihre Erfahrungen sollen in ein groß angelegtes europäisches Projekt von 14 Nationalagenturen aus ganz Europa einfließen.
„Der ehrenamtliche Einsatz ist überschaubar, aber nah am Menschen dran und damit für junge Leute attraktiv. Die Materialien sind alltagsnah und kommen ohne Grammatik und Lehrplan aus, d.h. sie sind für Laien gut geeignet. Zudem kostet das Konzept nicht viel Geld“, informiert Perdita Wingerter. „Letztendlich geht es doch nur darum, Menschen in Kontakt zu bringen, damit sie miteinander reden!“
da Hog’n
–> Interessierte junge Ehrenamtliche bzw. Flüchtlinge, die bei der nächsten Runde ab Mai dabei sein wollen, dürfen sich ab sofort beim Verein melden. Kontakt: Verein „Gemeinsam leben und lernen in Europa e.V.“, Leopoldstr. 9, 94032 Passau, Tel. 0851-2132740, info@gemeinsam-in-europa.de; weitere Infos unter: www.gemeinsam-in-europa.de