Grainet/Passau. Da halfen keine Glücksbringer-Figürchen und auch keine „netten Geschichten“ über ominöse Komplizen: Das Landgericht Passau geht davon aus, dass Elmar S. aus Geldnot handelte und – um seinem Onkel Franz F. das Versicherungsgeld zuzuschanzen – Ende September 2015 dessen Haus in Grainet-Rehberg anzündete. Er hätte aber wohl niemanden gefährden wollen, wie der Richter die beiden Gasflaschen (ein Ventil war aufgedreht) in der Diele des Hauses sowie die 30 bis 40 Zündelstellen deutete, „sonst hätten wir nicht weiterverhandelt und an das Schwurgericht verwiesen – wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln.“ So bleibt es bei einer Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung, Versicherungsmissbrauch (nicht -betrug, da die Rolle des Onkels ungeklärt geblieben ist) und Waffendelikten.
Elmar S. hatte zugegeben, acht Gewehre und Kurzwaffen selbst mitgenommen zu haben, als er das Haus des Onkels für die angeblichen Kumpel zugänglich machte. Daher kommt zur eigentlichen Tat noch hinzu: das Führen von halbautomatischen Waffen, deren Wiedereinfuhr aus Südtirol sowie das Überlassen eines Revolvers an den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft.
„Dass der Onkel nichts wusste, halten wir für fernliegend“
Wie der Ankläger im Plädoyer – er forderte neun Jahre Haft -, ließ das Gericht das von Elmar S. Gesagte zunächst außen vor. „Was haben wir?“ begann der Richter seine Aufzählung: „Am 27. September brannte das Haus von Franz F. Schaden: mehrere 100 000 Euro. Wann das Feuer gelegt worden war, ist unklar. Ein Alarm ging ziemlich genau um 3 Uhr ein.“ Die Wehrler stießen in der Diele auf die beiden Gasflaschen, die geöffnete wurde um 3.30 Uhr zugedreht. Durch den Brandgutachter stehe fest, dass es höchstens 45 und mindestens 30 Minuten gedauert hat, bis sich nur noch der vorgefundene Rest in der offenen Flasche befand. Ausgehend davon, dass das Gasaufdrehen der letzte Akt des Täters war, müsse er also das immer noch von F. und dessen in München studierender Tochter bewohnte Haus zwischen 2.45 und 3 Uhr verlassen haben.
Elmar S. hätte gewusst, dass beide an jenem Abend in München auf der Wiesn waren. Er hätte bei seiner Oma deren Schlüssel zum Haus mitgehen lassen, hätte damit den Tresor geöffnet und mit dem sich darin befindlichen Schlüssel wiederum den Waffenschrank aufgemacht, die Waffen hinausgeschafft und im Anschluss alles dafür getan, um einen möglichst hohen Schaden für den Onkel und dessen Versicherung anzurichten. Die Waffen wurden nach Südtirol geschafft, eine bekam der Kronzeuge Markus S., der sie im März 2017 der Polizei übergab. „Nicht ausgeschlossen ist, dass Franz F. diesen Ablauf kannte und billigte. Für ausgeschlossen halten wir das hingegen bei dessen Tochter, die damit nichts zu tun hat“, merkte der Richter an. Der verschuldete Onkel wäre „der Profiteur gewesen“. Und der Richter weiter: „Dass der Onkel nichts wusste, halten wir für fernliegend – eine Absprache liegt da nahe.“
Richter: „Das ist eine nette Geschichte, aber nicht die Wahrheit“
Am meisten hätte die damalige, aus Bremen stammende Freundin des Angeklagten das Gericht überzeugt. Sie war ungern in den Zeugenstand gekommen, was gegen eine Falschbelastung sprach. Elmar S. hätte bei ihr zweimal davon gesprochen, das Haus des Onkels anzünden zu wollen. Nachdem es gebrannt hatte, stritt er ihr gegenüber jedoch jedwede Beteiligung ab. „Das müsste dann schon ein abartiger Zufall gewesen sein, dass S. zweimal vom Anzünden spricht und – wie der Teufel es will – es dann tatsächlich auch brannte“, so der Richter.
Der Kronzeuge Markus S. dagegen wäre „wegen Lügens aus Eigeninteresse und aufgrund seiner Alkoholkrankheit ein schwieriger Zeuge“ gewesen. Alles, was dieser über die Vergangenheit berichtet hätte, war jedoch zutreffend. Er sagte auch, dass Elmar S. ihm von 35.000 Euro erzählt hätte, die er vom Onkel dafür bekommen hätte. „Die sind“, so der Richter, „ein Motiv und ein plausibler Lohn für solches Vorgehen“. Der ortskundige Elmar S., der aus dem Nachbardorf Fürholz stammt, konnte den Brand jedenfalls legen. Er war kurz nach 10 Uhr in Bremen, „in sieben Stunden nachts von Grainet bis Bremen ist kein Problem“.
Einsteigen und Waffen-Wegschaffen hatte S. zugegeben. Was er sonst noch über Komplizen erzählte, die aus Ärger über wenig Beute das Haus seines Onkels angezündet hätten, und, dass er gegen Mitternacht bereits in Aicha war, „glauben wir nicht“. Die Handy-Auswertung beweist, dass er mindestens bis 0.28 Uhr in Rehberg war. „Er will seinen Kumpels, die er uns nicht verraten will, kurzfristig Bescheid gesagt haben? Dann müssen das aber schnellentschlossene Schnäppchenjäger sein.“ Der nächste Widerspruch: Elmar S. will sie informiert haben, da sie Abnehmer für Waffen gehabt hätten – er sollte 20 Prozent von der Beute kriegen. Der Richter: „Warum nahm S. dann ausgerechnet die Waffen mit, nicht die auch fehlende Uhr und das Tafelsilber? Er hätte alles außer den Waffen, die am schwersten zu verhökern sind, auf e-bay verkaufen können. Und warum nur 20 Prozent, wenn 100 Prozent möglich waren? Elmar S. brauchte eine Geschichte, wie er an die Waffen kam, ohne der Brandstifter zu sein. Das ist eine nette Geschichte, aber nicht die Wahrheit.“
„Unheimlicher Glücksfall, dass niemand zu Schaden gekommen ist“
Pluspunkte habe Elmar S. mit dem Waffen-Geständnis gesammelt. Außerdem sei er „als Vater von zwei kleinen Kindern und weil er krank ist, besonders haftempfindlich“. Negativ wogen das Gefährden der Rettungskräfte mit dem Gas und die Vorstrafen, zwei davon einschlägig für Versicherungsbetrug samt „Knasterfahrung“, wobei Einsperren bisher nichts gebracht hätte. Fazit des Gerichts: „Es ist ein unheimlicher Glücksfall, dass niemand zu Schaden gekommen ist.“ Dessen Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, lautet: Elmar S. soll sechs Jahre und neun Monate ins Gefängnis.
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