Grainet/Passau. Spannend gestaltete sich der sechste Tag im Graineter Brandstiftungsprozess gegen den aus Fürholz (Gde. Grainet) stammenden Elmar S. Denn das Verfahren am Landgericht Passau drohte am Dienstagmittag zu platzen. Der 42-Jährige ist angeklagt, das gut versicherte Haus seines Onkels Franz F. in Rehberg im September 2015 geplündert und anschließend in Brand gesetzt zu haben, um den Onkel zu Geld zu bringen. Inzwischen hat der Angeklagte zugegeben, Schusswaffen des Onkels geklaut, das Haus aber eigentlich für den Einbruch seiner Komplizen vorbereitet zu haben. Mit dem Brand – gelegt an bis zu 40 Stellen – hätte er nichts zu tun. Was er jedoch am Dienstag neu anführte, nannte der Staatsanwalt „einen Schuss ins Blaue“: Elmar S. will psychiatrisch begutachtet werden. Er hätte zur Tatzeit regelmäßig Bier (fünf bis zehn Halbe am Tag) und Kokain (ein bis zwei Gramm pro Woche) konsumiert. Also wäre er zum damaligen Zeitpunkt nicht voll schuldfähig.
Die Strafkammer legte eine lange Mittagspause ein, um sich damit auseinanderzusetzen. Problem: Das Gericht hat in der Regel nur drei Wochen zur Verfügung bis zur nächsten Fortsetzung (bis ins Jahr 2004 waren das sogar nur zehn Tage). Derart kurzfristig einen Gutachter mit freien Kapazitäten aufzutreiben, ihn mit Elmar S. sprechen zu lassen und zu erwarten, dass der Arzt seine Expertise rechtzeitig fertigstellt, ist mehr als sportlich. Die zwingende Folge, wenn dies misslingt: Der Prozess platzt – und muss von vorne beginnen.
„Kokain wirkt bis zu 90 Minuten euphorisierend – nicht über Stunden“
Doch so weit kam es nicht. Denn der Richter hakte nach. Vom Ablauf des Tattages her hatte Elmar S. kein Besäufnis und auch kein Kokain erwähnt. Er will am Abend die Waffen entwendet, gegen 23.30 Uhr nochmals am Tatort vorbeigefahren und gegen Mitternacht über Aicha v. Wald auf der Autobahn Richtung Bremen unterwegs gewesen sein. Entdeckt wurde der Brand gegen 3 Uhr morgens. Der Richter: „Was soll Konsum bedeuten? Dass Sie beim Diebstahl besoffen waren? Wohl kaum, sonst hätten Sie es nicht noch in der Nacht bis Bremen geschafft. Haben Sie Kokain genommen zur Tatzeit?“
Darauf Elmar S: „Das weiß ich nicht mehr sicher – aber sicher die Tage zuvor, am Tag davor zwei bis drei Nasen, das ist ein halbes Gramm.“ Kokain habe er genommen, wenn er schlecht drauf war: „Dann bin ich aufgebaut, mir geht es gut, ich bin geltungsbedürftiger, aggressiver.“ Der Richter geduldig: „Bis zu zwei Gramm Kokain pro Woche sagen nichts aus über den Konsum bei der Tat. Kokain wirkt 20 bis 90 Minuten euphorisierend – nicht über Stunden.“ Und auch für eine Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt sei ein Gutachter „kein taugliches Beweismittel“. Die Strafkammer wies deshalb eine Psycho-Begutachtung zurück.
Der Staatsanwalt hatte das Wort. Er sei überzeugt, dass Elmar S. lügt. Deshalb wandte er sich zunächst allen anderen Fakten und Umständen zu. Die Anklage hätte sich bestätigt. Demnach wäre ein Täter mit guter Ortskenntnis mit einem Schlüssel ins Haus gelangt, hätte Waffen sowie weitere Wertgegenstände gestohlen, hätte Feuer gelegt und zwei Propangasflaschen im Foyer deponiert, eine davon mit geöffnetem Ventil.
Elmar S. verfügte über jene Ortskenntnisse. Er hatte einer Freundin mehrfach erzählt, er wollte für den Onkel dessen Haus anzünden. In einem Brief schrieb er später, er hätte wieder Mist gebaut. Der Ankläger: „Bezog sich das nur auf den Diebstahl oder auch auf die Brandlegung?“ Zudem stehe fest, dass der 42-Jährige die Waffen aus dem Brandhaus nach Südtirol gebracht hat, einen Revolver dem Kronzeugen Markus S., einem Alkoholiker, übergab, der wiederum die Waffe der Polizei aushändigte. Freilich habe der Kronzeuge ein Suchtproblem. „Uns sind auch 55-jährige Oberstudienräte lieber, die alles genau notieren – mit Uhrzeit. Aber hier haben wir halt nun mal einen Zeugen aus dem Milieu. Natürlich gibt es wegen des Alkohols Zweifel an seiner Erinnerung. Aber das macht ihn nicht unglaubhaft.“
Alles in allem soll Elmar S. neun Jahre ins Gefängnis
Kronzeuge Markus S. hätte viele Details gewusst, die einer Überprüfung standgehalten hätten. An die ungenannten Komplizen, die aus Ärger über wenig Beute das Feuer gelegt hätten, glaubt der Staatsanwalt hingegen nicht. Auch der Onkel (Franz F.) und dessen Tochter hätten nichts mit dem Brand zu tun: „Elmar S. war der Täter.“ Aufgrund der Lebensgefahr für die Feuerwehrleute müsse allein schon die besonders schwere Brandstiftung mit achteinhalb Jahren bestraft werden. Dazu noch das Führen von Schusswaffen und deren Einfuhr zurück nach Deutschland – alles in allem solle der Fürholzer neun Jahre ins Gefängnis.
Dies sieht Verteidiger Markus Sturm jedoch ganz anders. Er begründet seine Forderung nach 38 Monaten Haft damit, dass ein Täter allein das Knacken des Tresors, das Deponieren der Gasflaschen und das Anzünden an –zig Stellen gar nicht hätte schaffen können, also auch nicht Elmar S. Sturm geht sehr wohl davon aus, dass die anderen Einbrecher „möglicherweise aus Unmut über die geringe Ausbeute die Brandherde gelegt haben. Elmar S. hat damit nichts zu tun.“ Somit blieben folgende Delikte strafrechtlich zu ahnden: Diebstahl, Beihilfe zum Einbruch sowie die Waffenverstöße. Verteidigerin Dagmar Schmidt zog es vor zu schweigen. Ebenso verzichtete Elmar S. auf letzte Worte. Das Urteil soll noch in dieser Woche verkündet werden.
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