Bad Füssing. Der Verlust eines geliebten Menschen, eine gescheiterte Beziehung, Mobbing im Beruf. Die Gründe, warum Menschen das Bad Füssinger Kurseelsorge-Team um Pfarrer Andreas Rembeck und Gemeindereferentin Sonya Lorenz aufsuchen, sind vielfältig. Seit vielen Jahren kümmern sie sich um die Sorgen und Nöte der Kurgäste sowie der einheimischen Bevölkerung. Die Kurseelsorge und die Seelsorge in der Pfarrei sind im katholischen Pfarrverband Bad Füssing seit jeher eng miteinander verwoben. Eine Besonderheit…
Sonya Lorenz hat in Würzburg Religionspädagogik studiert und im Laufe ihrer Dienstjahre mehrere therapeutische Zusatzausbildungen gemacht. Eine „echte“ psychologische Therapeutin im klassichen Sinne sei sie zwar nicht, berichtet die 63-Jährige, die vor zehn Jahren zur Bad Füssinger Kurseelsorge gekommen ist. Doch darum gehe es denjenigen Leuten, die sie aufsuchen, auch gar nicht.
„Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen“
„Bei vielen reicht es, wenn ich einfach nur zuhöre.“ Manchmal eine Stunde und länger. „Danach sagen sie: Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen.“ Dabei hat sie ihren Besuchern die meiste Zeit über nur ihre Aufmerksamkeit geschenkt, genickt, ab und an Fragen gestellt. Sie hat dem Gespräch eine gewisse Struktur gegeben, hat die Probleme ihres Gegenübers „von außen“, aus ihrer Sicht, betrachtet. Und ihm so einen Impuls gegeben, um gewisse Wahrnehmungen zu verändern.
„Das ist eine sehr interessante Aufgabe – mit vielen unterschiedlichen Leuten“, sagt Sonya Lorenz, die sich als spirituelle Begleiterin der Kurgäste sieht. „Das heißt: Ich führe viele Gespräche mit ihnen – zum großen Teil seelsorgerische.“ Sie ist insbesondere an den Füssinger Kliniken tätig, wo sie auch Gottesdienste abhält. Dort ergibt sich häufig der Erstkontakt für die Seelsorge. Die, die zu ihr kommen, haben zum Großteil das Rentenalter schon erreicht. Doch es sind auch immer wieder mal junge Leute, die vorbeischauen.
Von März bis Oktober ist sie immer sonntags für die Durchführung eines Kirchenkonzerts verantwortlich. Das ganze Jahr über gibt es Vorträge – vom Bibelabend über den Heiligen Bruder Konrad bis hin zu Hildegard von Bingen -, die sie entweder selbst gestaltet oder von eingeladenen Fremdreferenten abgehalten werden. Zudem hat sie vor ein paar Jahren den sog. geistlichen Weg mit 14 Stationen sowie die Idee eines Bibelgartens entwickelt.
„Manchmal werden wir auch als Mülleimer benutzt“
Einer ihrer Seelsorge-Kollegen ist Pfarrer Andreas Rembeck. „Wir sind ein sehr kleines Team“, erklärt der 46-Jährige – und spricht daher von einer „großen Herausforderung im größten Kurort Europas“, dem jährlich zig-Tausende Menschen ihre Aufwartung machen. Der gebürtige Eichendorfer betont dabei eine Besonderheit: „Die Kurseelsorge und die Seelsorge in der Pfarrei kann man in Bad Füssing nicht voneinander trennen – beide sind tief miteinander verflochten.“ Der Vorteil, der sich daraus ergibt: Der Zulauf bei den Gottesdiensten ist enorm, so Rembeck. An die 800 Leute an einem normalen Sonntag sind es dann – alle Sitz- und Stehplätze sind belegt. „Das freut einen Seelsorger und Geistlichen natürlich.“
Zwölf bis 14 Stunden sind es, die Sonya Lorenz monatlich für die Seelsorgegespräche aufwendet. Kollege Rembeck berichtet, dass es manchmal Wochen gebe, in denen ihm keiner begegne – und an manchen Sonntagen (nach den Gottesdiensten) kämen gleich drei Leute auf einmal zu ihm in die „Sprechstunde“. Beim Erstkontakt werde er dann häufig mit der Frage „Haben Sie mal für uns Zeit?“ angesprochen. Oder bekommt bei einer zufälligen Begegnung den Satz zu hören: „Weil ich Sie gerade sehe – ich wollte schon immer mal mit Ihnen reden.“ Rembeck bezeichnet sich und sein Team als „ein Stück vorgehaltene Ressource, die man gerne in Anspruch nimmt“.
„Positiv ist, wenn die Leute ganz spontan zu einem kommen und sich für etwas bedanken, was man getan hat – ein schönes Gespräch, ein Konzert, die Teilnahme an einer Veranstaltung“, antwortet Sonya Lorenz auf die Frage, welche Glücksmomente ihr im Rahmen ihrer Arbeit widerfahren. „Manchmal werden wir aber auch als Mülleimer benutzt – für schlechte Erfahrungen, die die Gäste mit der Kirche gemacht haben“, kann sie auch von negativen Momenten berichten. „Da wird dann geschimpft und gemeckert – doch: Was soll ich darauf sagen?“ Auch ihr gefalle schließlich nicht immer alles, was die katholische Kirche mache, wie die 63-Jährige offen zugibt. „Da weiß ich nicht immer sofort, wie ich damit umgehen soll. Ich will nicht mitmeckern, doch das wird manchmal von mir erwartet. Sie wollen dann nicht hören, dass es auch viel Gutes in der Kirche gibt.“
„Wir arbeiten hier mit einem präventiven Ansatz“
Manche Leute seien sehr einnehmend, pflichtet ihr Andreas Rembeck bei – trotz aller Versuche, sie zu einer professionelleren Hilfe zu animieren. Dabei handele es sich meist um Menschen, die in ihren Strukturen sehr festgefahren sind. „Auf der einen Seite leiden sie unter gewissen Dingen – andererseits hat man irgendwann den Eindruck, dass sie’s gar nicht anders wollen.“ In solchen Situationen stoße man seelsorgerisch an seine Grenzen, weiß der 46-Jährige – und ergänzt: „Wir arbeiten hier nicht im therapeutischen Bereich als heilkundliche Berufe, sondern wir arbeiten mit einem präventiven Ansatz. Das heißt: Wer früh genug an seiner Biografie Veränderungen vornimmt, wird möglicherweise eher im Stande sein diese rechtzeitig zu korrigieren – als jemand, der tatsächlich eine professionelle Therapie braucht.“
„Ich hatte schon Leute hier, die nachher ganz erleichtert waren, weil sie gemerkt haben, da hat man jetzt endlich mal über schwierigste Familiensituationen reden können“, berichtet Rembeck weiter von seinen Erfahrungen. Wichtig sei bei der seelsorgerischen Tätigkeit stets, „dass der Mensch, der gerade da ist, die ungeteilte Aufmerksamkeit verdient“. Man achtet darauf, was er sagt und gibt ihm Impulse und Rückmeldungen. „Im Optimalfall profitiert er vom Gespräch“ – was in der Regel auch gelinge, so der Bad Füssinger Pfarrer. Da die Kurgäste ja nur begrenzte Zeit in Bad Füssing verbringen, könne eine „Erfolgsquote“ seitens der Kurseelsorge – wenn überhaupt – immer erst nach dem Besuch festgestellt werden. „Ab und an gibt’s mal einen Brief oder eine Email mit Dankesworten.“ Feedback von einheimischen Mitgliedern der Kirchengemeinde sei da schon häufiger.
„Es gibt Schicksale, bei denen auch ich zu schlucken habe“
Und was machen Lorenz und Rembeck, wenn sie selbst einmal Streicheleinheiten für die Seele und jemanden zum Reden benötigen? „Natürlich ist es so, dass man sich gelegentlich auch mal untereinander austauscht. In vielen Situationen hilft die langjährige Berufspraxis, um mit gewissen Hürden klarzukommen“, sagt Andreas Rembeck. „Ich habe einmal im Monat Supervision mit fünf weiteren Kollegen, denn so manche Gespräche gehen einem lange nach. Es gibt Schicksale, bei denen auch ich zu schlucken habe.“
Stephan Hörhammer