Passau. „So this is Christmas and what have you done […] – for rich and for poor ones?“ Gerade jetzt, zur Weihnachtszeit, kommt man um das Thema „Ehrenamt und Spenden“ nicht herum. Zeitungen berichten von Spendenaktionen, Radiosender laufen zur Hochform auf und starten einen Aufruf nach dem anderen – und auch im Fernsehen zielen anrührende Clips direkt darauf ab, das Mitgefühl der Zuschauer zu erwecken. Die Adventszeit gilt als „spendenreichste“ Zeit des Jahres – plötzlich möchte jeder etwas Gutes tun. Da bietet es sich an, die Vorzüge des Internets zu nutzen und innerhalb von Minuten Beiträge in beliebiger Höhe per Mouseclick zu übergeben. Doch nicht jeder verfügt über ausreichend finanzielle Mittel. Andere erfüllt es schlicht und ergreifend nicht, einfach „nur“ Geld abzutreten. Sie möchten etwas mehr als das beisteuern…
Auch wenn der Wille zum Helfen besteht: Der vermeintlich hohe Zeit- und Geldaufwand schreckt viele Menschen davon ab. Das Ausführen ehrenamtlicher Tätigkeiten wird zwar hoch angesehen – trotzdem scheinen sich die meisten doch nicht darauf einlassen zu wollen.
„Shoppen und dabei etwas Gutes tun – was will man mehr“
„Meine Mitmenschen reagieren zwar immer sehr positiv auf den ehrenamtlichen Nebenjob. Für viele kommt so etwas aber nur mit Hintergedanken in Frage – beispielsweise, wenn sie dadurch Referenzen für ein Stipendium sammeln können“, berichtet Katharina Lechner. Die 27-jährige Studentin verkauft im „Vinty’s Passau“ gebrauchte Kleidung. Der Second-Hand-Shop in der Innenstadt verfolgt ein ganz eigenes Konzept, denn: Anders als in anderen Vintage-Läden geht es hier nicht darum, Gewinn zu erzielen. „Mit den Verkaufserlösen unterstützen wir Entwicklungsprojekte in Afrika, Südamerika, Osteuropa und Asien. So erhalten unsere Kundinnen und Kunden im wahrsten Sinne Mode mit mehr Wert“, heißt es auf der Vinty’s-Homepage. „Im Vinty’s soll es Spaß machen, ethisch verantwortlich und sinnvoll einzukaufen.“
Das Prinzip: Jeder, der möchte, hat die Möglichkeit seine aussortierte Kleidung im Laden abzugeben. Das Geschäft in der Großen Klingergasse führt sowohl Damen- als auch Herrenmode im Sortiment. Vor Ort wird diese dann – auf Wunsch auch im Beisein der Spender – durchgesehen. Denn das Vinty’s legt großen Wert auf Qualität. „Wir möchten unseren Kunden keine löchrigen Klamotten andrehen“, erklärt Katharina Lechner. Die junge Helferin war lange Zeit Kundin im Laden, bevor sie sich dazu entschied, sich als ehrenamtliche Mitarbeiterin zu engagieren. „Ich liebe Mode und ich liebe es, ausgefallene Einzelstücke zu besitzen.“
Abgesehen von der großen Auswahl in allen Größen und Farben sowie verschiedenster Marken habe sie vor allem das Vinty’s-Konzept angesprochen: „Shoppen und dabei etwas Gutes tun – was will man mehr“, sagt die Studentin und lächelt. Deshalb hatte sich die Modeliebhaberin direkt beworben, als sie im Laden einen Aushang mit „Stellengesuchen“ für ehrenamtlicher Helfer entdeckte. Da Katharina Lechner bereits früher viele ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt hatte, ist sie damit durchaus vertraut. Allerdings habe sie ihr Engagement nie als „Arbeit“ empfunden. „Ich denke, ich habe das Ehrenamt nie als solches wahrgenommen.“ Egal, ob als Leiterin eines Kirchenchores oder bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Der Spaß stand für sie immer an erster Stelle.
Image von Fairtrade-Produkten soll sich künftig weiter ändern
Einkaufen und dabei Gutes tun – das geht auch im Weltladen Passau. Vom Vinty’s aus sind es nur etwa zwei Fußminuten dorthin. Entgegen aller Vorurteile ist das Sortiment kein bisschen einfältig. Auch die Preise sind nicht annähernd so hoch, wie viele denken. Denn leider scheint vor allem die jüngere Zielgruppe (immer noch) der Meinung zu sein, ein Beitrag zum fairen Handel sei aufwendig und teuer.
Aus diesem Grund ist Weltladen-Mitarbeiterin Ursula Schrenk neben ihrer unentgeltlichen Tätigkeit im Geschäft auch als Fairtrade-Botschafterin unterwegs. Bereits seit neun Jahren ist die 66-jährige Teil des ehrenamtlichen Passauer Weltladen-Teams. Je nach Bedarf besucht die Vilshofenerin außerdem etwa dreimal pro Jahr Schulen, um Kindern und Jugendlichen die Bedeutung von fairem Handel näher zu bringen. Es sei wichtig, auch das Bewusstsein der jüngeren in diesem Bereich zu stärken, sagt sie.
Deshalb wünschen sich die Helferinnen des Weltladens sehr, dass sich das Image von Fairtrade-Produkten künftig weiter ändert. Einigen Kunden fiele es schwer, Vertrauen in den fairen Handel zu fassen: „Leider gibt es – vor allem in Supermärkten – viele Produkte, die nur teilweise fair gehandelt sind, aber auch Zutaten enthalten, welche aus nicht-fairem Anbau stammen“, erklärt Ursula Schrenk. Dies führe dazu, dass die Bürger dem Label „Fairtrade“ häufig skeptisch gegenüber stünden. Im Gegensatz dazu könne sich der Kunde im Weltladen sicher sein, dass alle Produkte zu 100 Prozent aus fair gehandelten Zutaten oder Materialien bestehen.
„Wenn ich damit noch etwas Gutes tun kann – umso besser“
Dass ehrenamtlicher Einsatz nicht immer im Gewand einer Quasi-Vollzeitbeschäftigung daherkommen muss, kann Sandra Spitzenberger bestätigen. Der 24-jährigen Studentin bleibt neben Hochschulgruppen, Studium und Nebenjob nur wenig Zeit. „Wenn ich mal eine Pause brauche, kann ich am besten beim Backen entspannen“, berichtet die Passauerin und schmunzelt. Angenehmer Nebeneffekt ihres Hobbys: „Für Freunde und Kommilitonen bleibt immer etwas zum Naschen übrig.“
Irgendwann ist die junge Frau dann auf die Idee gekommen, mit ihren Leckereien auch anderen Menschen eine Freude zu bereiten. „Ich dachte mir: Backen tu‘ ich sowieso, wenn ich damit noch etwas Gutes tun kann – umso besser.“ Da ist es für sie natürlich von Vorteil, dass sie direkt neben dem Maria-Hilf-Laden in der Passauer Innstadt wohnt, wohin sie immer wieder mal ihre selbstgebackenen Köstlichkeiten, die anschließend zum Verkauf angeboten werden, bringt. Allerdings berge, wie Sandra Spitzenberger mit einem Augenzwinkern zugibt, jeder Gang in den Laden gewisse Tücken: Meistens werde die Studentin nämlich im dortigen Sortiment fündig – und verlässt den Laden dann zwar ohne Gebäck, dafür aber mit neuen Schätzen…
Und davon gibt’s genug: Neben (Trachten-)Mode, Nähzubehör, Geschirr und Dekoartikeln werden auch Accessoires, Schreibwaren und abgepackte Lebensmittel angeboten. „Unsere Warenauswahl variiert – je nachdem, was gerade gespendet wurde“, erklärt eine Helferin das Konzept des Ladens. Ähnlich wie im Vinty’s haben Bürger auch hier die Möglichkeit, aussortierte Kleider und andere Sachen abzugeben.
Der Verkaufserlöß wird dann gespendet. Als Teil der Kinderhilfsorganisation „Ora„, die ihren Hauptsitz in Österreich hat, öffnet der Maria-Hilf-Laden stets zur Advents- und Geschenkezeit seine Türen. „Wir planen in Zukunft auch den Rest des Jahres über geöffnet zu haben“, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin. Das könne jedoch nur funktionieren, wenn sich neben ausreichend vielen Spendern auch genügend ehrenamtliche Helfer fänden.
„Jeder entscheidet, wie häufig er uns im Laden unterstützt“
Auch das Vinty’s ist ständig auf der Suche nach Verstärkung. „Derzeit arbeiten bei uns vier hauptamtliche Mitarbeiter – die Anzahl der ehrenamtlichen Helfer variiert“, berichtet Eva-Maria Zaglauer. Die Storemanagerin lässt den „Angestellten“ viele Freiräume: „Natürlich kann jeder selbst entscheiden, wie häufig er uns im Laden unterstützen möchte und kann.“ Auch bei der Gestaltung des Instagram-Accounts dürfen sich alle Mitglieder des Teams austoben. „Wir möchten den Account gerade für die jüngeren Follower interessant und modern gestalten. Unsere jungen Helfer haben da oft die besten Einfälle“, sagt Eva-Maria Zaglauer.
Insbesondere die Idee, den Kunden Rabatte zu gewähren, wenn diese ein im Laden gekauftes Outfit posten, käme sehr gut an. Kleiderspenden können – unabhängig von der Art der Klamotten – ganzjährig in dem modern eingerichteten Second-Hand-Shop abgegeben werden. „Wir haben die Möglichkeit, Kleidung bis zur passenden Saison zu lagern“, berichtet die 34-jährige Geschäftsführerin. Denn gerade zum jeweiligen Saisonwechsel sei der „Spendenandrang“ besonders hoch – schließlich ginge der jahreszeitliche Übergang oft mit dem Ausmisten des heimischen Kleiderschrankes einher.
Auch offline seien die Ideen der jungen Helfer eine Bereicherung für den Laden: So habe sich etwa die „Männer- und Kinderecke“ ausgezahlt, in der „erschöpfte Shopping-Begleiter“ bei Tee, Kaffee, Kuchen und weiteren Leckereien verschnaufen können.
Ob direkte oder indirekte Spenden – jede Handlung zählt
Die Gelegenheiten, sich sozial zu engagieren und etwas Gutes zu tun, gehen also weit über das „einfache“ Geld-Spenden hinaus. Egal, ob es sich um aussortierte Kleidung und Hausrat handelt, die man den jeweiligen Läden zur Verfügung stellt, oder ob man „einfach nur“ dort einkauft und somit indirekt seinen Beitrag leistet: Jede Handlung zählt.
Malin Schmidt-Ott