Passau/Freyung. Totschlag, zwölf Jahre Gefängnis. Mehr als eine Stunde lang hat am Montag der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer am Landgericht Passau das Urteil gegen den Freyunger Dominik R. (23) begründet. Der zuletzt teilgeständige Angeklagte hatte vor einem Jahr seine Ex-Freundin Lisa H. (20) mit „zwölf, eher 13 Stichen und Schnitten mit großer Wucht gegen Kopf und Hals“ getötet. Danach hatte er die Spuren der Tat weitgehend beseitigt, die Leiche in der Wohnung versteckt, in der er mit dem Kind noch zehn weitere Tage verblieb, hatte alle Konten geplündert und sich dann ins Ausland abgesetzt.
Richter Wolfgang Hainzlmayr betonte, dass das Gericht eine Strafe für das Tatgeschehen zu finden hatte – nicht aber für das teils „sehr irritierende“, teils „zynische“, teils aber auch verständliche Nachtatverhalten. Das Erstechen allein war für das Gericht „vorsätzliche Tötung mit direktem Tötungsvorsatz ersten Grades. Dominik R. war klar, dass sie sterben wird“ – und er hätte das gewollt. „Das ist höchste und schlimmste Form des Vorsatzes. Die Tötung erfolgte mit Absicht.“
„Aber Mutmaßungen helfen uns nicht weiter“
Gesichert sei, so Hainzlmayr weiter, dass Lisa H. im Schlafzimmer auf dem Bett liegend verblutet wäre. „Das Bett ist der eigentliche Tatort. Ansonsten wissen wir wenig.“ Vom Staatsanwalt und von den Opferanwälten für Lisas Familie „sind verschiedene Vermutungen aufgestellt worden, was gewesen sein könnte. Eventuell hat Lisa geschlafen, der Angeklagte überlegte sich, sie zu töten und hat sie dann im Schlaf überrascht. Oder: Nach einem Streit in der Küche geht Lisa ins Schlafzimmer, der Angeklagte folgt ihr mit dem Messer. Vieles ist denkbar. Aber Mutmaßungen helfen uns nicht weiter. Wir haben nur die Einlassung von Dominik R.“ Diese hatte er seine Verteidiger vorlesen lassen. Der Richter nun: „Ausgangspunkt ist immer die Einlassung. Wir müssen sie nicht glauben. Aber das dann nur so zu sagen, reicht allein nicht. Wir müssen auch begründen, warum wir etwas glauben oder nicht.“
Zudem sei das Teilgeständnis spät gekommen: am vorletzten, am neunten Prozesstag. Der Richter dazu: „Da liegt es nahe, dass die Einlassung an den Ergebnissen der Hauptverhandlung entlang getrimmt und gestrickt worden ist.“ Warum wären dann aber nicht noch mehr als die angebliche Flasche Wodka an Alkoholkonsum und noch mehr Argumente für einen minder schweren Fall des Totschlags behauptet worden? „Das spricht dafür, dass nichts hingetrimmt wurde.“ Es wären nur der Angeklagte und die Getötete dabei gewesen, möglicherweise noch beider Sohn (damals 1 ½). Lisa H. könne nicht mehr – ihr Sohn noch nicht befragt werden.
Was also ist glaubhaft, was widerlegbar? Die von Dominik R. behauptete üble Beleidigung seiner Mutter durch Lisa H. erachtet das Gericht als „nicht unplausibel“. Ist es glaubhaft, dass Lisa H. das Messer nimmt, dem Angeklagten an den Hals hält, dann aber doch ablässt, weil er des Tötens nicht wert wäre? Dass bei der schwierigen On/Off-Beziehung dieses Paares je ein Messer im Spiel war, dafür hätten weder Chatauswertungen noch Zeugen etwas hergegeben. Lisa H. hätte aber mal zu einem Duschkopf gegriffen: „Also ist das mit dem Messer nicht völlig unplausibel. Das können wir ihm nicht widerlegen.“
„Es geht um den Unrechtsgehalt der Tötung selbst“
Ausführlich ging Richter Hainzlmayr darauf ein, warum die Kammer von einem Regelfall des Totschlags ausgeht – weder von einem besonders schweren noch von einem minder schweren Fall. Und auch nicht von Mord. Gegen Heimtücke spreche, dass Lisa H. nach dem Streit wohl nicht ganz arglos war. Wenn doch, hätte Dominik R., der aus einer ganzen „Gefühlsmelange“ heraus zustach, diese Arglosigkeit jedenfalls nicht bewusst ausgenutzt. Er hätte die zierliche und körperlich weit unterlegene Frau ja jederzeit überall in der der Wohnung mit einem Messer angreifen können.
Gegen Mord aus niedrigen Beweggründen sprach für das Gericht, dass es R. statt um Eifersucht auf Lisas Neuen nicht widerlegbar nur um den Kontakt mit seinem Kind gegangen wäre: „Der Sohn war für Lisa H. ein Druckmittel in der Beziehung – die ganze Zeit.“ Dieses Motiv war nachvollziehbar und nicht „sittlich verwerflich“, so der Vorsitzende.
Für einen besonders schweren Fall des Totschlags wertet das Gericht, dass R. mit dem Töten Lisa H.s bewusst seinem Sohn die Mutter nahm – obwohl er doch für das Wohlergehen des Kindes sorgen muss. Das alleine reiche jedoch nicht, um ihn einem Mörder gleichzustellen. Dann kam der Richter aber doch auf die Umstände zu sprechen, die das Geschehen „besonders und auch so medienträchtig machten. Das war nicht die Tat an sich – eine klassische Beziehungstat -, sondern das ungewöhnliche Nachtatverhalten. Aber wir urteilen die Tat ab, nicht das Nachtatverhalten. Es geht um den Unrechtsgehalt der Tötung selbst.“
„Bei 1,60 Meter Körpergröße ist das schon eher kaltschnäuzig“
Dennoch erachtet auch das Gericht manches als „sehr irritierend“, etwa den zehntägigen Aufenthalt mitsamt Kind in der Wohnung der Getöteten, in der Dominik R. zuvor deren Leiche verpackt und versteckt hatte. Damit die zierliche Lisa H. in die enge Kaminnische gepasst hätte, hätte R. ihre Beine extra mit Kabelbindern verschnürt, um sie von außen abbiegen zu können: „Bei 1,60 Meter Körpergröße ist das schon eher kaltschnäuzig.“
Gar nicht gut kam bei Gericht auch an, dass R. auf Facebook und in Chats weiter so tat, als würde Lisa H. sich melden. Die Internet-Unterhaltung mit ihrem neuen Freund setzte R. am nächsten Tag als Lisa fort: Sie hätte sich nicht eher gemeldet weil sie „den ganzen Vormittag geputzt“ hätte. Dabei war der Beschuldigte selbst tatsächlich damit beschäftigt gewesen, das viele Blut aufzuwischen, weitere Spuren zu beseitigen sowie verräterische Dinge zum Wertstoffhof zu fahren. Oder das Foto aus Paris, mit dem er sich bei Lisa „für den schönen Urlaub“ bedankt: „Da ist ein gewisser Zynismus nicht ganz von der Hand zu weisen“, so der Richter. Anders das Danke-Tattoo mit Lisas Sterbedatum, das R. sich auf der Flucht stechen ließ: „Wir glauben tatsächlich, dass das ernst und nicht zynisch gemeint war.“
Die Angehörigen im Saal – Lisas H.s Eltern als Nebenkläger, Dominik R.s Bruder im Publikum – und die Zuschauer nahmen diese Erklärungen schweigend hin. Die Eltern, vor allem der Vater, betrachten das Strafmaß als zu gering. Der Staatsanwalt hat sich noch nicht geäußert. Die Verteidigung, die exakt dieses Ergebnis beantragt hatte, ist folglich zufrieden. Alle Anwälte – außer dem des kleinen Buben – aber sagen, dass sie sich in den nächsten Tagen noch mit ihren Mandanten besprechen werden und dann entscheiden, ob sie das Urteil akzeptieren.
„Es wird einen geben, der einen Anspruch auf die Wahrheit hat“
Als Dominik R. zum Polizeiwagen zurückgeführt wurde, sprach Lisa H.s beste Freundin ihn empört an, was er ihr zu sagen hätte. Sie schrie: „Du hast mein Leben zerstört! Ist dir das klar?!“ R. ging schweigend weiter.
Er hatte nur am Ende der Urteilsbegründung Regung gezeigt, mit den Tränen gekämpft. Da hatte der Richter sich direkt an ihn gewandt: „Herr R., nur Sie wissen, was gewesen ist. Wenn Ihr Sohn später Probleme damit hat, werden Sie darauf zurückgreifen müssen. Nur Sie wissen, was in jener Nacht war. Es wird einen geben, der Sohn, der einen Anspruch auf die Wahrheit hat. Wenn er als 18-Jähriger zu Ihnen kommt, hat er einen Anspruch darauf. Okay?“ Dominik R. hatte daraufhin schweigend genickt.
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Spendenkonto „Familie Haselberger“:
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Die Sparkasse Freyung hat ein Spendenkonto für die Familie von Lisa H., insbesondere für den kleinen Sohn (2) eingerichtet. Bisher sind dort etwa 2.000 Euro an Spendengeldern eingegangen. Die Kontodaten lauten:
Zahlungsempfänger: Freyung hilft e.V. „Familie Haselberger“
IBAN: DE53 7405 1230 0060 2430 60
BIC: BYLADEM1FRG