Passau. Es ist spät, als die Haustür hinter uns zufällt – aber nicht zu spät, um noch auf ein Getränk ins Colors zu gehen. Mit hinaus nehmen wir die Rauchschwaden, die Begeisterung und ein wenig Herzblut der Jungs von Cone. Und noch später, als wir die so wunderbare melancholische Schwere der Passauer Innstadt verlassen und im Auto sitzen und Cones erstes Album im CD-Schlitz verschwindet, verstehen wir noch mehr. Das ist Innstadt-Musik. Eine schwere Tiefe. Ein Volumen, das bis in die kleinsten Herzfasern reicht. Ein mystischer Klang, der auf ganz ungeahntes Terrain vordringt.

Das erste Album in Händen – auch für die Jungs von Cone ein ganz besonderer Moment. Zwei handsignierte Exemplare verlost da Hog’n (siehe weiter unten). Doch die Band hat noch sehr viel mehr vor, wie sie im Gespräch mit dem Hog’n berichtet.
Doch zurück zum Anfang: Cone, das sind Felix Melchhardt, Tony Hochhuber, Alex Pöll und Christoph Danböck. Sie sitzen in Felix‘ Küche, mit dabei ist Aron, Christophs Zwergpinscher. Hier sitzen vier Freunde – wie soll es auch anders sein, wenn man sich zwei Tage die Woche zur Bandprobe trifft und sich beim Weggehen sieht. Tony und Christoph wohnen sogar in einer WG. Und alle durcheinander haben noch andere gemeinsame Projekte am Start. Doch Cone, das ist ihr gemeinsames Ding, in der Konstellation sind sie seit Januar 2017 zusammen. „Man muss sich gut kennen, wenn man miteinander was erreichen will“, sagt Tony dazu.
„Damit hat er uns den Arsch gerettet“
In der Tabakfabrik haben sich die Jungs kennen gelernt – „über Freunde und glückliche Umstände“, wie Felix meint. Damals war noch Marcus der Schlagzeuger, durch Hausbau und Familie wurde er jedoch abtrünnig – „verständlich, aber schade“. Der neue Schlagzeuger, Christoph, war schnell gefunden – weil er eh schon da war. Als Freund hat er beim Aufbau geholfen, stand beratend zur Stelle. In gerade einmal vier Wochen hat er das Album gelernt. „Damit hat er uns den Arsch gerettet“, sagt Felix. Christoph lächelt mild in seinen Bart hinein und nickt, streichelt sein Hunderl, das sich eng an ihn drückt.
„Der Christoph hat sozusagen in der Tabakfabrik studiert. Er war Vorstand und Kassier beim Musikförderverein“, erzählt Felix weiter und trinkt einen Schluck von seinem Tee, während seine Freunde ein Bierchen genießen. Cone ist so sehr dem Tabakgenuss zugetan, dass das Fotografieren eine echte Herausforderung wird…
Ernst gemeinter Spaß beiseite – im November 2014 hat sich die Band gegründet. Nach intensiven Proben, Textereien und Melodiefindungen gab es 2016 den ersten Auftritt beim Impuls-Festival. Seitdem folgten 40 weitere Konzerte. Und das erste Album, veröffentlicht im Mai 2017. Und das erste Video zum Song „Steps towards the Sun„.
Außergewöhnlich: Das Erstlingsalbum
Das erste Album trägt den Bandnamen. Nicht außergewöhnlich. Dafür ist alles andere genau das: außergewöhnlich. Das Auge wird allein vom Cover enorm erfreut. Ein von Elisabeth van den Daele handgezeichneter Wolf, der den Cone-Kegel auf der Stirn trägt. Der Blick ist so tief wie Cones Musik selbst. Und wer das Album öffnet, findet ein 16-seitiges Booklet mit noch viel mehr Zeichnungen – und handgeletterten Texten von Gerda Pöll, der Mama von Alex.
Das Album ist keine wilde Song-Sammlung von Liebe und anderen Wirrungen. Es erzählt eine Geschichte. Die Geschichte um den ewigen Kampf zwischen einem Wolf und einem Schamanen. Der Clou: Die Erzählung wird in den sieben Songs nicht abgeschlossen, sondern auf dem folgenden Album, das Ende 2018 erscheinen wird, weitererzählt. Der letzte Song „Morgana“ weist darauf hin, wer dann die Hauptrolle spielen wird: Die wilde Göttin, die auf ihrem Weg gar Mystisches bewirkt. Sie ist „schwebend, magisch, andersweltlich“, wie Alex sie beschreibt.
„Manchmal wird auch gestritten“
Ihren Stil bezeichnen die Freunde als „Lower Bavarian Stoner/Blues-Rock“. Mit Bezeichnungen und Worten ist es jedoch nicht getan, um Cones Spektrum zu beschreiben. Da ist Alex‘ voluminöse Stimme, die der geneigte Hörer dem zierlichen Mann mit dem langen Haar zunächst gar nicht zutrauen würde. Da ist eine musikalische Vielfalt – mal weich, mal härter, aber immer satt. Und da ist eine Exaktheit, ein sauberes Zusammenspiel, lange Klänge, spürbare Pausen, eine drückende, erfüllende Freude an der Musik. Das alles transportiert Cone.
„Die zusammenhängende Geschichte verhindert Schreibblockaden. Es geht ja immer weiter“, sagt Felix. „Das schweißt zusammen. Und manchmal wird auch gestritten.“ Sie lachen. An den Texten und im Finden von Melodien arbeiten die Freunde gemeinsam. Einer bringt eine Anfangsidee mit, der andere steuert ein Riff bei, der nächste ein paar Textzeilen. Das klingt nach Arbeit und nach einem Muss an guter Kommunikation. „Ja doch, wir haben schon eine recht gute Beziehung“, sagt Alex.
Crowdfunding-Projekt Zauberberg: Mehr Livemusik in Passau
Und auch zu ihrem Publikum pflegt die Band ein gutes Verhältnis. „Wenn man von der Bühne aus in die Runde schaut, sieht man ganz unterschiedliche Reaktionen“, sagt Felix. „Manche stehen ganz versunken da, manche gehen richtig mit. Hauptsache, wir bewegen die Leute mit unserer Musik.“ Und schon sind wir mitten drin im Thema Live-Musik. Als einstiger Tabakfabrik-Student liegt ihm sehr am Herzen, dass sich da was tut – und nicht nur die DJ-Party-Szene existiert. „Ich meine das nicht wertend“, betont er. „Aber so eine DJ-Party funktioniert von selbst. Wir wollen zeigen, dass man auch mit Live-Musik Locations füllen kann.“
Stichwort Zauberberg: Um die Location am Klostergarten als dauerhaften Live-Club zu beleben, hat der Musikförderverein ein Crowdfunding-Projekt auf der Plattform „Startnext“ angemeldet. Jeder, dem Livemusik was wert ist, kann die Idee unterstützen. Freilich gibt es die Tabakfabrik – aber die darf nur an 18 Tagen pro Jahr ihre Pforten für Veranstaltungen öffnen. Da kommt die Freizeitlärmrichtlinie zum Schutz der Anwohner ins Spiel.
Die Anfrageliste der Bands, die in der Tabakfabrik spielen wollen, ist ellenlang und reicht wohl mehrere Jahre voraus. Auch im Zeughaus tut sich unter der Woche nichts. „Für eine Stadt wie Passau ist das ziemlich mau“, sagt Christoph. „Bekannte Bands sind unter der Woche günstiger zu haben. Und das wäre unser Ziel – die ganze Woche über Live-Musik anbieten zu können.“ Die Mischung aus überregionalen, bekannten und lokalen Bands – das schwebt ihnen vor.
Ein feiner Dreierpack: Cone, Flokati, Stringers
Dass Live-Musik auch im Passauer Raum funktionieren kann, wissen die Jungs aus eigener Erfahrung. Derzeit sind sie immer im Dreierpack unterwegs. Mit dabei sind die Bands Flokati und The Stringers. Derzeit will das Trio Passau und einen Umkreis von etwa 30 Kilometer bedienen – bald soll die Reichweite noch gesteigert werden. Felix trinkt seinen Tee aus, die anderen schauen gedankenversunken dem Erzählten hinterher, dem Hunderl entweicht ein leiser, aber effektvoller Furz. Da fällt Felix noch eine letzte Geschichte ein:
Weit über den Passauer Raum hinaus hat Cone schon die Runde gemacht – bis nach Chicago. Dort ist sie einem Mann mit dem klingenden Namen Jeffro Lackscheide zu Ohren gekommen, via Soundcloud. Während der Aufnahmen des Albums – live eingespielt – hat er sich bei der Band gemeldet und angeboten, alles abzumischen. Da war die Freude groß – und so floss auch noch Arbeit aus Übersee ins erste Album mit ein.
Text: Eva Hörhammer
Fotos: Micha Krautwasser
Cones erstes Video: Steps Towards The Sun:
Wer spielt da eigentlich bei Cone?
Dass die Jungs von Cone Musik machen können, wissen wir jetzt. Doch: Wer verbirgt sich unter dem Käppi, hinter dem Vollbart genau? Wer ist der Typ mit den langen Haaren und dem Karo-Hemd? Wer der Kettenraucher mit der souveränen Stimme? Da Hog’n hat Felix, Tony, Alex und Christoph zum Vorstellungsgespräch gebeten. Und nachgefragt, was die anderen über ihren jeweiligen Bandkollegen sagen.
Felix Melchhardt, (28), Gitarre, 2. Stimme
„Ich bin in Starnberg geboren, aber im Raum Passau aufgewachsen. Als ich Gitarre gelernt hab, konnte ich das erste Jahr nur im Sitzen spielen. Ich war der Erste, der einen Röhrenverstärker hatte. Und eine kaputte 2.000-Euro-Gitarre.
Ich kümmere mich um die Öffentlichkeitsarbeit der Band und schau, dass ich möglichst viele Leute kennenlerne. Man kann ja nicht drauf warten, entdeckt zu werden. Da steckt ziemlich viel Arbeit dahinter. Drum hab ich keine Zeit für ein Nebenprojekt, so wie die anderen. Ich steh voll hinter Cone, höre auch am liebsten die eigene Musik. Ich bin froh, dass wir erst in diesem Alter zusammengefunden haben. Da ist halt schon mehr Können und Ehrgeiz als früher da. Meine Freundin Sabine unterstützt uns voll. Gottseidank.“
Die anderen über Felix: „Er ist der Organisator und macht das super.“
Tony Hochhuber, (28), Gitarre, 2. Stimme
„Bei meiner Oma hab ich auf der Couch den Musikantenstadl angeschaut. Das hat abgefärbt. Mit elf Jahren hab ich meine erste Gitarre bekommen und Unterricht genommen. Später hab ich erst in einer bayerischen, kabarettlastigen Band gespielt.
Dann hab ich gemerkt, dass mir die E-Gitarre besser gefällt. Durch die Musik bin ich zur Tabakfabrik gekommen. Das hat mein Leben verändert. Erst vor vier Jahren hab ich gelernt, intuitiv zu spielen, zu jammen. Und ich weiß, dass ich bis zu meinem Lebensende Musik machen will. Ich bin derjenige in der Band, der nörgelt und kritisiert. Und ich kümmere mich ums Bühnendesign. Ich bin ein echter Lampenfanatiker. Mit Christoph und seiner Freundin lebe ich in einer WG – zu dritt haben wir ein weiteres Bandprojekt namens Flokati. Und ich spiele wieder in einer bayerischen Band, die heißt Bogfotzn. Ich möchte mich kreativ völlig austoben.“
Die anderen über Tony: „Ohne Tony ist es ein normales Konzert. Mit ihm ist es optisch einfach geil.“
Alex Pöll, (28), Gesang, Bass
„Ich mache seit meinem 16. Lebensjahr Musik. Seitdem gab es nur ein Jahr, in dem ich nicht Mitglied einer Band war. 2014 hab ich Felix kennengelernt und ich hab ihn ganz offiziell gefragt: „Möchtest Du mit mir eine Band gründen?“
Vorher war ich als Vollblutbassist unterwegs, der Gesang hat sich erst später entwickelt. Ich komme aus einer musikalischen Familie, hab schon im Kirchenchor gesungen. Und später dann sogar zum Sound des Rasenmähers. Ich kann mich mit zwei Instrumenten ausdrücken – mit dem Bass und meiner Stimme. Damit kann ich alles rausschreien und den Raum zum Vibrieren bringen. Übrigens höre ich gern Soul – das ist wirklich authentische Musik. Meinen Platz in der Band sehe ich in meiner Kreativität – ich schreibe viel, denke viel. Sogar vor dem Einschlafen denke ich noch an Morgana. Gut, dass da meine Freundin Dani nicht eifersüchtig ist. Sie macht schon was mit. Aber sie hat auch die Finanzen der Band in der Hand.“
Die anderen über Alex: „Sein Gesang macht alles zu hundert Prozent besser.“
Christoph Danböck, (39), Schlagzeug
„Mit neun Jahren hab ich Schlagzeug gelernt – ganz klassisch, in der Musikschule in Passau. Später war ich in der Stadtkapelle und im Orchester aktiv. Die vorgegebenen Strukturen waren mir aber zu starr. Darum hab ich mit zwölf meine erste Band gegründet.
Damit hatten wir gute Erfolge. Und damit entstand der erste Kontakt zum Musikförderverein. Nach der Schulzeit hat sich die Band aufgelöst, jeder ging seiner Wege. Ich hab dann in anderen Bands gespielt, eher im Metal-Bereich. Dann war ich über 15 Jahre in Baden-Württemberg, aus beruflichen Gründen. 2013 bin ich wieder nach Passau gekommen und wurde Vorstand vom Musikförderverein. Ich wollte was zurückgeben. Und dann kam Flokati. Und Cone. Da bin ich der Techniker. Ich gebe den Takt vor. Wenn wir Musik machen, ist das für mich wie ein Käfer, der aus der Wirbelsäule rauskommt. Ein echter Flow.“
Die anderen über Christoph: „Sein musiktechnisches Knowhow hat großen konstruktiven Einfluss.“
Vorstellungsgespräch: Eva Hörhammer