Temelin. Die Atomkraftewerke Temelin und Dukovany gelten aus Sicht zahlreicher Umweltschützer als unsischer, stehen immer wieder in der Kritik – nicht zuletzt aufgrund nachlässig kontrollierter bzw. mutmaßlich defekter Schweißnähte. Während Atomgegener in Temelin unablässig eine umfassende Aktenuntersuchung aller Schweißnähte im Primärkühlkreislaufsystem des Reaktors „Temelin I“ durch die deutsche Atomaufsicht sowie unabhängige Experten einfordern (da Hog’n berichtete), ist in Dukovany ein Reaktorblock aufgrund einer Panne vor wenigen Tagen (erneut) unplanmäßig abgeschaltet worden. Aus dem nicht radioaktiven Sekundärkreislauf sei Wasser ausgetreten und in ein Auffangbecken gelaufen, wie Kraftwerkssprecher Jiri Bezdek mitteilte. Grund sei eine „kleine Undichtheit“ gewesen.
Tschechische Polizeibeamte waren vor wenigen Wochen im AKW Dukovany tätig. In dem mehr als 30 Jahre alten Atomkraftwerk, das rund 100 Kilometer nördlich von Wien und 200 Kilometer östlich von Passau liegt, werden derzeit mangelhafte Rohrleitungen untersucht, wie der tschechische Sender „Radiožurnál“ Anfang November mitteilte. Grund für die polizeilichen Untersuchungen seien defekte Schweißnähte. Eine Strafanzeige wurde bereits vor zwei Jahren seitens der staatlichen Sicherheitsbehörde gegen die tschechische AKW-Betreibergesellschaft CEZ wegen des Verdachts auf Betrugs erstattet.
Tschechische Betreibergesellschaft CEZ unter Druck
Im September 2017 wurde eine polizeiliche Untersuchung im AKW Dukovany durchgeführt. Dabei sei seitens des AKW-Betreibers ein Höchstmaß an Kooperation an den Tag gelegt worden, wie ein CEZ-Sprecher gegenüber Radiožurnál mitteilte.
Die Schweißnähte an den Rohrleitungen wurden dabei mit Hilfe einer externen Firma kontrolliert und durchleuchtet, da im vorigen Jahr aus einer der Schweißnähte etwas Wasser ausgetreten war. Als Techniker des Betreibers CEZ untersuchten, wie es dazu kommen konnte, seien gefälschte Dokumente entdeckt worden. Das Unternehmen CEZ sei davon überzeugt, dass es betrogen wurde. Die Polizei habe jedoch Radiožurnál zufolge die Information erhalten, dass die Verfehlung dem Betreiber CEZ zuzuschreiben sei.
Die Prager Oberstaatsanwältin Lenka Bradáčová wollte den Grund für den jüngsten polizeilichen Eingriff nicht kommentieren. Sie wolle zunächst den Abschluss der Untersuchungen abwarten. Auf eine mögliche Verfehlung von CEZ hatte bereits die Chefin der Staatsaufsichtsbehörde Dana Drábová zu einem früheren Zeitpunkt hingewiesen.
Aufgrund diverser Kontrollen der Schweißnähte in Dukovany ist das Atomkraftwerk in den vergangenen Jahre bereits mehrere Monate außer Betrieb gesetzt worden. Der dadurch entstandene Schaden für die Betreibergesellschaft CEZ wird auf bis zu zehn Milliarden Kronen geschätzt.
„BMUB hat erneut die Schweißnähte-Thematik angesprochen“
Indes fand am 9. und 10. Oktober eine Sitzung der deutsch-tschechischen Umweltkommission statt. Ein Termin, auf den vor allem die bayerischen Atomkraftgegner um die Aktivistin und Wunsiedler Kreisrätin Brigitte Artmann sowie deren Passauer Mitstreiterin Halo Saibold große Hoffnungen setzten. Beide hatten im Juli im Bonner Bundesumweltministerium mehr als 77.000 Petitions-Unterschriften an Thomas Elsner, den Leiter der Abteilung für Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, übergeben (da Hog’n berichtete). Titel der Online-Petition: „Stoppt Temelin – gefährliche Schweißnähte untersuchen“.
Artmann und Saibold wollten nun in Erfahrung bringen, ob die deutschen Behörden bei der Sitzung der Umweltkommission die tschechische Seite um eine Prüfung der Aktenanlage der Schweißnähte im Primärkreislauf von „Temelin I“ ersucht habe. Beide erhielten auf ihre Anfrage bis dato keinerlei Antwort seitens des Bundesministeriums.
Auf Hog’n-Nachfrage teilt Friederike Langenbruch, Sprecherin des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), mit:
„Es wurde eine Petition zur Thematik der Sicherheit der Schweißnähte im Reaktor Temelín 1 an das BMUB gerichtet, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die Akten zu diesem Vorgang anzufordern und offenzulegen. Das BMUB hat in der Sitzung der Deutsch-Tschechischen Kommission am 9./10. Oktober 2017 gegenüber der tschechischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde erneut die Thematik der Sicherheit der Schweißnähte im Reaktor Temelín 1 und auch die Petition angesprochen. Nähere Informationen können in Kürze der Antwort auf die Petition entnommen werden, die auf der Internetseite des BMUB veröffentlicht werden wird.“
Brigitte Artmann wertet dies als „frohe Kunde“ und kommentiert: „Das sind gute Nachrichten. Es zeigt, wir haben mit der Petition doch Fakten auf den Tisch gelegt, die das BMUB bewogen haben, noch einmal zu fragen. Hoffentlich sind sie erfolgreich gewesen…“
da Hog’n
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