Zwiesel. Jetzt hat er sein Schweigen gebrochen und sich am Mittwochabend, 20.16 Uhr, per Pressemitteilung doch noch zu Wort gemeldet. Die Rede ist von Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger, der seine „verzögerte Rückmeldung“ auf die offenen Nachfragen der Medienvertreter hinsichtlich der Zukunft des diesjährigen Christkindlmarkts und Citysprints mit seinem hohen Wochenarbeitspensum von 80 bis 100 Stunden begründet. „Ehrlich gesagt kann ich über die akutelle Situation nur erstaunt den Kopf schütteln“, teilt der Zwieseler Rathaus-Chef nun mit.
Dabei spielt er auf den vom Tourismus-Verbund Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald (FNBW) jüngst angekündigten Rückzug „aus der Mitorganisation oder auch Organisation dieser Veranstaltungen“ aufgrund einer ihm von Seiten des FNBW-Geschäftsführers Heinz Schwendinger vorgeworfenen kommunikativen Blockade-Haltung an (da Hog’n berichtete). Doch er scheint nicht der einzige zu sein, der derzeit aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt, wie da Hog’n in Erfahrung bringen konnte. Es geht um Vertrauensbruch.
„Mediale Ablenkungsmanöver, um Versäumnisse zu kaschieren“
„Solch standardisierte, immer wiederkehrende Veranstaltungen sind innerhalb weniger Tage organisiert“, gibt sich Steininger hinsichtlich der Organisation des im Dezember stattfindenden Christkindlmarktes und Citiysprints selbstbewusst. Er verweist dabei etwa auf den MAInachtsmarkt im Frühjahr. „Die Vorbereitungen, Besprechungen laufen seit Wochen und darum ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch davon auszugehen, dass die FNBW die vertraglich vereinbarten Leistungen erfüllen wird“, so Steininger. Alles andere sei aus seiner Sicht nur ein „Sturm im Wasserglas, um Abläufe durchzusetzen, die eigentlich nicht im Sinne der Stadt Zwiesel sind und in keiner Weise mehr etwas mit Synergiebildung oder Arbeitserleichterung für die Kernverwaltung zu tun hat“.
Er spricht von „politisch instrumentalisierten, medialen Ablenkungsmanövern, um verschiedenste Versäumnisse zu kaschieren“, etwa Defizite bei der FNBW-Vertragsgestaltung während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit. „Dass ein Dienstleister gegenüber dem Auftraggeber per Öffentlichkeitsarbeit agiert, ist wohl einmalig und an sich ein inakzeptables Verhalten“, kritisiert Steininger die FNBW, seinem erklärten Erzfeind. Er frage sich, ob die FNBW-Mitarbeiter wüssten, wer ihr Auftraggeber sei und wer deren Gehälter bezahle.
Als „erstaunlich“ empfinde er, „dass sowohl von einigen politischen Mandatsträgern und vielen Medien solche Standardveranstaltungen im Jahreskalender der Stadt Zwiesel so dermaßen hochgeputscht werden“. Und weiter: „Wenn so mancher Mandatsträger keine anderen Sorgen hat, oder keine anderen, schwergewichtigeren Zukunftsaufgaben hat, dann dürfen wir darüber eigentlich wiederum froh sein. Nur schade, dass damit viele Ehrenamtliche unnötig irritiert werden, was mir unendlich für sie leidtut.“
„Antrag wurde nicht behandelt. Das Ergebnis ist beschämend“
„Der Christkindlmarkt und Citysprint werden seit Langem beworben – und allein der Gedanke an Schadenersatzansprüche gegenüber der FNBW GmbH wird diese wieder auf den sprichwörtlich rechten Weg bringen“, droht Steininger. Ohnehin sei in den Medien zu lesen gewesen, dass die FNBW GmbH noch zur Verfügung stehe. „Das ist gut so und das wird von der FNBW GmbH auch anständig abgearbeitet.“ Steininger freue sich auf „einen besinnlichen Christkindlmarkt und einen mit Sonne und Schnee gesegneten Citysprint und Winterparty in der guten Stube, am Zwieseler Stadtplatz“. (–> hier geht’s zur kompletten Pressemitteilung Steiningers)
Indessen wurde vor Kurzem unter der Ägide von CSU-Stadtrat Walter Unnasch sowie weiterer Ratsmitglieder ein „Antrag auf unverzügliche Einberufung einer dringlichen Sondersitzung des Stadtrates und des Hauptausschsses“ ins Leben gerufen, „da am 24.10.2017 trotz sechswöchiger Pause wiederum keine Stadtratssitzung stattfand“. In dieser sollte eine für die Christkindlmarkt-Aussteller vertragssichere Vereinbarung mit der FNBW getroffen und am Freitag die Öffnungszeiten auf 22 Uhr zu verlängert werden.
„Damit sollte eine durch das Stillschweigen des Bürgermeisters erzwungene mögliche Absage der FNBW vermieden werden. Eine derartige Veranstaltung sei ohne vertragliche bindende Ansprechpartner über Haftungsfragen, Versicherungen, gaststättenrechtliche Genehmigungen usw. nicht durchführbar, beklagt Unnasch. „Dieser Antrag wurde nicht behandelt. Das Ergebnis ist beschämend. Auch ein Stadtratsbeschluss musste verhindert werden.“
Und weiter: “ Man hat unserer Meinung nach hier seitens des Bürgermeisters auf Konfrontation gesetzt und dabei möglicherweise den Christkindlmarkt, um die persönliche Blockadehaltung zu zementieren und der FNBW die Schuld zuzuschieben. Die Vereine und die Stadt interessieren hier offensichtlich nicht. Einem Geschäftspartner einen Gesprächswunsch zu verweigern, ist ein nicht übliches Verhalten und entspricht nicht unseren gewohnten Umgangsformen.
„Mit diesem Verhalten bist Du eindeutig zu weit gegangen“
Christkindlmarkt und Citysprint sind derzeit jedoch nicht die einzigen Schauplätze, auf denen sich das Zwiesler Stadtoberhaupt mit der FNBW seine Gefechte liefert – denn es rumort vor allem hinter den Kulissen des immer verstrickteren Tourismus-Tohuwabohus in der Glasstadt. Dabei spielen unter anderem auch die Neuausrichtungspläne des Tourismus im Landkreis Freyung-Grafenau eine wichtige Rolle, über die auf Geheiß des FNBW-Aufsichtsratsvorsitenden Herbert Schreiner bis dato Stillschweigen bewahrt werden sollte, diese sich jedoch als Punkt auf der öffentlichen Tagesordnung des Zwieseler Kultur- und Tourismusausschusses (Donnerstag, 9. November) wiederfinden.
Aus Schreiners Sicht sei dies ein eklatanter „Vetrauensbruch“, wie dieser in einer dem Hog’n vorliegenden Email-Korrespondenz zwischen ihm und Steininger kritisiert. „Du mischst Dich jetzt auch noch in Sachen ein, die einen anderen Landkreis und 25 andere Kommunen betreffen. Ich habe mich jetzt lange zurückgehalten, aber mit diesem Verhalten bist Du eindeutig zu weit gegangen“, ist dort an die Adresse des Zwieseler Rathaus-Chefs gerichtet zu lesen.
Doch der Reihe nach. Wie aus den E-Mail-Unterlagen hervorgeht, brachte die Anfrage eines Zwieseler Stadratsmitglieds an Freyungs Bürgermeister und Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich den Stein der Eskalation ins Rollen. Darin wird Heinrich berichtet, dass den Ratsmitgliedern ein Protokoll über mögliche Konzeptionen zur touristischen Neuausrichtung des Landkreises Freyung-Grafenau, das im Rahmen eines Workshops der dafür eingesetzten Lenkungsgruppe erstellt wurde, jüngst von der Stadt Zwiesel ausgehändigt wurde. Eine Option sei dabei u.a. der touristische „Zusammenschluss“ verschiedener Teildestinationen innerhalb des Bayerischen Waldes, etwa der FNBW mit dem Nationalpark Ferienland Bayerischer Wald.
„In der derzeitigen Phase kann keine Auskunft gegeben werden“
Die Konzeptmöglichkeiten sollten in der nächsten Sitzung des Zwieseler Kultur- und Tourismusausschusses (Donnerstag, 9. November) im öffentlichen Teil diskutiert werden, teilte das anfragende Ratsmitglied Heinrich gegenüber mit und bat ihm um Auskunft, ob es hierzu bereits konkrete Gespräche bzw. Ergebnisse gebe – mit dem Hinweis: „Wie Sie ja sicher wissen, ist unser Bürgermeister gegen die FNBW und tut – trotz Mehrheitsbeschlusses des Stadtrates – alles, um einen Austritt der Stadt Zwiesel zu erreichen.“
Freyungs Rathaus-Chef verwies in seiner Antwort auf Bernhard Hain, den Tourismusreferenten des Landkreises FRG, der dem Zwiesler Stadtratsmitglied unter anderem mitteilte, dass Landrat Sebastian Gruber das Thema „Neuausrichtung Tourismus“ nach seiner Wahl aufgegriffen habe und eine Fachagentur als externer Begleiter des Projekts beauftragt worden sei. Hain berichtet, dass aktuell innerhalb des Landkreises Freyung-Grafenau einige von der Fachagentur vorgeschlagene Optionen für eine mögliche touristische Zusammenarbeit besprochen werden – und betont, dass „in der derzeitigen Phase noch keine Auskunft gegeben werden kann, ob und wie eine mögliche Entscheidung zu einer künftigen touristischen Zusammenarbeit aussehen kann“.
Zunächst solle landkreisintern geklärt werden, welchen Weg man einschlagen möchte. Im Anschluss könne man mit jenen Gemeinden Gespräche führen, die bereits in landkreisübergreifenden Zusammenschlüssen aktiv seien. Das anfragende Zwieseler Stadtratsmitglied, so Hain, möge sich zur Sichtweise der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald mit deren Vorsitzenden, Herbert Schreiner, in Verbindung setzen – was dieses dann auch tat…
„Ich habe mich jetzt lange zurückgehalten, aber…“
Auf diese Weise erfuhr der FNBW-Aufsichtsratsvorsitzende schlussendlich davon, dass Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger (der aufgrund der Mitgliedschaft Zwiesels in der FNBW wie alle anderen Rathaus-Chefs der Teilnehmergemeinden ebenfalls im dortigen Aufsichtsrat sitzt) die von Schreiner in einer vorausgegangenen E-Mail als vertraulich zu behandelnden Protokoll-Unterlagen aus Freyung-Grafenau an die Zwieseler Stadträte verteilt und sie über die Pläne im Vorfeld der nächsten Kulturausschussitzung – entgegen der Absprache – informiert hatte.
„Ich habe expliziet darauf hingewiesen, dass mir Herr Landrat Gruber den Link (der zu den Protokollunterlagen führt – Anm. d. Red.) vertraulich überlassen hat, um die Aufsichtsratsmitglieder im Vorfeld (der kommenden Aufsichtratssitzung – Anm. d. Red.) zu informieren“, stieß das Vorgehen Steiningers dem FNBW-Vorsitzenden sauer auf.
Schreiner weiter:
„Ich habe dafür kein Verständnis und ich verurteile diesen Vertrauensbruch auf das Schärfste, den Du ja nicht nur mir gegenüber begehst sondern auch gegenüber dem Landrat des Landkreises FRG. Es ist schon bemerkenswert, dass der Zwieseler Bürgermeister die Neuorganisation des Tourismus des Landkreises FRG auf einer Sitzungstagesordnung hat, ohne dass der Kreisausschuss, der Kreistag oder die Bürgermeister mit ihren Gemeinderäten im Landkreis FRG über diese „Gedanken der Neuausrichtung“, wie ja dieses Protokoll des Workshops bezeichnet wird, auch nur ein offizielles Wort gesprochen haben. Ich weiß ja nicht, was in Dir vorgeht, ich kann Dir nur sagen, dass ich über die Art und Weise Deines Benehmens mittlerweile sehr erschrocken bin. Du mischst Dich jetzt auch noch in Sachen ein, die einen anderen Landkreis und 25 andere Kommunen betreffen, ich kann schön langsam nur mehr den Kopf schütteln.
Ich habe mich jetzt lange zurückgehalten, aber mit diesem Verhalten bist Du eindeutig zu weit gegangen. Ich fordere Dich auf dieses Thema so lange von Deinen Sitzungspunkten zu nehmen bis der Aufsichtsrat der FNBW darüber gesprochen hat und der Landrat des Landkreises FRG das vertrauliche Papier freigegeben hat. Du bist nicht berechtigt diesen Sachverhalt an die Öffentlichkeit zu tragen. Es geht hier nicht darum gegen die FNBW zu arbeiten, es geht hier darum einen Vertrauensvorschuss des Landrates nicht zu missbrauchen.“
„Die kommunale Selbstverwaltung wirst Du nicht auflösen“
Die Antwort des Zwieseler Stadtoberhaupts ließ nicht lange auf sich warten, wie aus der Email-Korrespondenz hervorgeht. Dieser teilte noch am gleichen Tag Schreiner gegenüber mit, dass es einige Dinge klarzustellen gebe. Zum einen würden künftige Entscheidungen nicht der Bürgermeister alleine treffen, sondern das gesamte Ratsgremium, das frühzeitig über mögliche Weiterentwicklungen unterrichtet werden solle. „Unterrichte ich nicht rechtzeitig, gibt es wieder öffentliche Schelte, weil der Bürgermeister nichts weiter gibt“, so Steininger. Aus dessen Sicht handele es sich „um maßgebliche und weitreichende Informationen, die es eben schon frühzeitig weiterzugeben gilt“.
Zum anderen verwies Zwiesels Rathaus-Chef darauf, „dass alle Stadtratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet sind“ – und versichert, dass er sich „zu keinem Zeitpunkt über die Gutachteninhalte zur Neuausrichtung des Tourismus im Landkreis Freyung-Grafenau in der Öffentlichkeit äußern“ werde. Steininger betonte gegenüber Schreiner, dass die Diskussion und Beratschlagung über den Gutachteninhalt und den aktuellen Projektstand in „nicht öffentlicher Sitzung“ geführt werde. „Im öffentlichen Sitzungsteil soll nur abgestimmt werden, wie sich die Stadt Zwiesel positionieren möchte. Und das ist eine ureigenste, öffentliche Sache. Wie Andere das handhaben, braucht mich nicht zu interessieren. In Zwiesel gibt es ein Höchstmaß an Öffentlichkeit und Transparenz des kommunalen Handeln. Zeit sei ein knappes Gut und derlei elementare Fragen können Steininger zufolge „gut und gerne bereits im Vorfeld überlegt werden“.
Zudem sei nach Meinung des Bürgermeisters der Zwieseler Stadtrat mündig genug, „seine Entscheidungen im Sinne der Stadt Zwiesel auch ohne FNBW-Aufsichtsrat zu treffen“. Steininger an Schreiner: „Oder wie hast Du Dir das in Zukunft vorgestellt. Sollen wir den Zwieseler Stadtrat jetzt auflösen weil die Entscheidungen über die strategische Ausrichtung der Stadt Zwiesel ohnehin im Aufsichtsrat getroffen werden? Da gehst Du aber schon zu weit. Die kommunale Selbstverwaltung wirst Du nicht auflösen, auch wenn Dir der Gedanke ganz offensichtlich gut gefallen würde. Mehr möchte ich an der Stelle nicht niederschreiben, da ich mich über Deine immer wiederkehrenden, haltlosen Vorwürfe nicht mehr aufregen werde.“
Beschlussvorschlag des Ausschusses in Facebook eingestellt
Gemeinsam mit seiner Stellungnahme zur Christkindlmarkt-Debatte hatte Franz Xaver Steininger – wie von ihm gegenüber Herbert Schreiner zuvor angekündigt – am Mittwochabend auch eine Beschlussvorschlag für die Tourismusausschussitzung an die Medien versandt (–> hier einzusehen).
Auch via Facebook habe er jene Sitzungsunterlage vereilt – einen Umstand, den Walter Unnasch als „bezeichnend“ betrachtet. Darin heißt es: „Die geografischen und wirtschaftlichen Neuordnung innerhalb der Tourismusdestination Bayerischer Wald, insbesondere der Teildestinationen Nationalpark Ferienland Bayerischer Wald, Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald sowie Der Stadt Zwiesel wird begrüßt“. Steininger wolle dadurch maßgebliche touristische Strukturveränderungen (bis hin zur Zerteilung oder Verschmelzung der FNBW mit anderen Strukturen oder Auflösung) nicht „totschweigen und der Öffentlichkeit vorenthalten“.
FNBW-Geschäftsführer Heinz Schwendinger kommentiert abschließend zum Zwieseler Tourismus-Tohuwabohu: „Die Handlungsweise des ersten Bürgermeisters der Stadt Zwiesel der FNBW GmbH gegenüber kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber wenn er sie gegenüber seiner Stadt vertreten kann, es ihn glücklich macht und er sich gut dabei fühlt, soll es mir auch recht sein.“
da Hog’n