Jetzt ist es also endlich so weit: Ich heirate. Genauer gesagt wandeln meine Frau und ich unsere eingetragene Lebenspartnerschaft in eine „echte Ehe“ um. Die „Ehe für alle“ ist ein großes Thema – selbst die hiesige Lokalzeitung hat bei uns nachgefragt, ob wir die Umwandlung mit einer großen Feier zelebrieren werden. Nein, werden wir nicht. Die Lust auf eine große Feier wird nämlich von ein paar Dingen gedämpft.
Zuerst einmal habe ich mich natürlich über die Gesetzesänderung gefreut. Endlich muss ich nicht mehr von meiner „eingetragenen Lebenspartnerin“ reden, sondern darf sie auch ganz offiziell meine „Ehefrau“ nennen. Endlich muss ich nicht mehr überlegen, wo ich in einem Formular mein Kreuzerl setze, wenn es dort nur die Möglichkeiten „ledig“ oder „verheiratet“ gibt. Bisher war ich ja „weder noch“: Ich musste „verpartnert“ ergänzen. Jetzt sind wir in dieser Hinsicht also kein Sonderfall mehr.
Die, die eben immer noch krasse Vorurteile gegen uns haben
Gedämpft wurde meine Freude, als ich erfahren habe, dass es lange drei Monate dauern wird, bis die Standesämter das Gesetz auch endlich umsetzen können. Leider bedurfte es für uns auch nach diesen drei Monaten noch mehrerer Anrufe, bis unser zuständiger Standesbeamter uns sagen konnte, wie so eine Umwandlung denn jetzt abläuft beziehungsweise was wir alles dafür benötigen. Er habe erst Anfang Oktober neue Anweisungen dazu erhalten, die er noch durcharbeiten müsse…
Am Ende stellte sich heraus, dass wir für die Umwandlung alles mitbringen müssen, was man auch für die normale Eheschließung braucht: Eine Abschrift aus dem Geburtenregister, eine Meldebescheinigung – und unsere Lebenspartnerschaftsurkunde. Bedeutet also erstmal: Papierkram. Urkunden und Dokumente anfordern, Geld dafür bezahlen. Wäre kein Problem, wenn es in meinen Augen nicht so vollkommen unnötig wäre. Wir hatten ja schon vor sieben Jahren bei der Verpartnerung alles vorgelegt. Und in allen Dokumenten steht im Grunde genommen immer wieder das gleiche: Unsere Namen, dass wir deutsche Staatsbürger sind, wo wir wohnen, dass wir seit 2010 verpartnert sind. Deutsche Bürokratie. Umso schöner, wenn wir dann bald die Behörden nicht mehr mit so unnötiger Arbeit lahm legen.
Was mich aber – nach wie vor – noch mehr ärgert als die bürokratischen Hürden, ist die aufgebauschte Diskussion, die im Vorfeld der Entscheidung im Bundestag für die „Ehe für alle“ stattgefunden hat. So manche Aussage konservativer Politiker, so mancher Leserbrief und so mancher Kommentar im Internet hat mich ziemlich enttäuscht, traurig oder gar wütend gemacht. Denn: Eigentlich fühlen meine Frau und ich uns wie ein ganz normales Paar, wie eine ganz normale Familie mit unseren mittlerweile drei gemeinsamen Kindern. In unserem Umfeld sind wir nie mit ablehnenden Haltungen konfrontiert. Doch die Einführung der „Ehe für alle“ hat anscheinend all diejenigen hervorgelockt und zu lautstarkem Protest verführt, die eben immer noch krasse Vorurteile gegen uns haben.
Makel: Abstammungsrecht wurde bisher nicht angeglichen
Es geht im Kern doch nur darum, dass rund 43.000 Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben (Stand 2015), jetzt auch endlich Eheleute werden dürfen. Den rund 18 Millionen (!) heterosexuellen Ehepaaren nehmen wir dadurch nix weg. Trotzdem: Ehe sei Mann und Frau vorbehalten, wie viele in der Diskussion um die „Ehe für alle“ behaupteten. Begründen konnten sie dies meist nur damit, dass nur mit Mann und Frau die „natürliche“ Form der Familie möglich ist – und gleichgeschlechtliche Paare miteinander keine Kinder zeugen können. Und wenn Homosexuelle Wege fänden, trotzdem Kinder zu kriegen, müsse man ganz genau hinschauen, ob das Kindeswohl nicht gefährdet sei.
Dabei hat selbst Angela Merkel erkannt, dass das Argument des „Kindeswohls“ ziemlich haltlos ist. Die Kanzlerin sagte in der Talkrunde, die alles in Sachen „Ehe für alle“ ins Rollen brachte: „Wenn ein Jugendamt sagt: Einem Kind geht es viel viel besser – und das unterstütze ich – in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, als wenn leider zu Hause bei Vater und Mutter Gewalt ausgeübt wird – was es ja leider gibt – dann muss ich das doch positiv zur Kenntnis nehmen und in meine Urteilsbildung mit aufnehmen.“ In der Tat dürfen homosexuelle Paare gerne als Pflegeeltern für traumatisierte Kinder aus zerrütteten heterosexuellen Ehen einspringen – adoptieren durften sie sie bisher aber nicht. Das blieb Mann und Frau vorbehalten.
Jetzt, mit der „Ehe für alle“, ist dieser Unterschied weg. Alles wunderbar also? Nein! Ein für mich entscheidender Unterschied zwischen einer Ehe zwischen zwei Frauen und einer Ehe zwischen Mann und Frau bleibt bestehen. Es geht um das so genannte Abstammungsrecht. Das wurde nämlich bisher nicht angeglichen.
Biologischer, sozialer und rechtlicher Vater…
Und das bedeutet: Wenn ich mit Hilfe einer anonymen Samenspende ein Kind bekomme, bin ich zunächst allein sorgeberechtigt. Meine Frau ist nur „Stiefmutter“ für meine leiblichen Kinder. Damit unsere Kinder zwei Personen haben dürfen, die für sie verantwortlich zeichnen, braucht es nach wie vor den langen Weg der so genannten Stiefkindadoption (wie aufwendig diese abläuft, habe ich in der Hogn-Serie MamaMamaKind beschrieben).
Ob es im Sinne des Kindeswohls ist, dass meine Söhne so lange nur mich als allein-sorgeberechtigten Elternteil haben, bis das Adoptionsverfahren abgeschlossen ist? Dass nur ich allein auf dem Papier für die Kinder verantwortlich bin? Ein Kind, das in eine Ehe zwischen Mann und Frau hineingeboren wird, ist von Anfang an rechtlich abgesichert. Der Ehemann wird in die Geburtsurkunde eingetragen und damit ist es „sein“ Kind – auch in dem Fall, dass er gar nicht der biologische Vater ist.
Die Regelung, wer als biologischer, wer als sozialer und wer als rechtlicher Vater beziehungsweise zweiter Elternteil gelten soll, wird derzeit von der Politik geprüft. Vielleicht ändert sich im Abstammungsrecht ja generell bald etwas. Und vielleicht werden bei dieser Änderung dann auch so genannte Regenbogenfamilien (gleichgeschlechtliche Eltern mit Kind) gleichberechtigt.
Kommentar: Sabine Simon
Liebe Frau Simon,
eher durch Zufall bin ich auf Ihren Beitrag gestoßen und sie sprechen mir aus der Seele. Meine Frau und ich haben auch kürzlich unsere Lebenspartnerschaft umwandeln lassen (auch ohne Feier oder so, denn wir fühlten uns schon vorher verheiratet) und wir erwarten in den nächsten Tagen unser erstes Kind. Und genau da liegt das Problem, denn es ist so unfassbar frustrierend, dass es jetzt eine Ehe für Alle gibt und diese uns leider gar nichts bringt.
Ob es uns die Stiefkindadoption erspart oder nicht wusste hier auch zunächst niemand. Wir hatten es sehr gehofft, denn dieses gesamte Verfahren empfinden wir fast schon als Beleidigung. Schließlich haben wir uns für ein gemeinsames Kind entschieden und es wird in unsere Ehe geboren und trotzdem darf meine Frau nicht von Anfang an als Mutter geführt werden.
Dies hat für uns leider gar nichts mit Gleichstellung zu tun, weder für uns noch für unser Kind.
Bei unseren Recherchen zu diesem Thema schlägt uns zudem häufig Unverständnis entgegen, warum uns das denn stören würde. Umso mehr freue ich mich zu lesen, dass wir scheinbar doch längst nicht die einzigen sind, die sich fragen, was wir eigentlich von diesem Gesetz haben. Angekommen ist diese Art der Gleichstellung scheinbar noch nicht.
Daher nochmal danke für Ihren Beitrag!
Herzliche Grüße
Nehle Schilly