Bayerischer Wald. „Drei Viertel weniger Insekten“ – so lautet das beunruhigende Ergebnis einer Studie des Krefelder Entomologen-Vereins zum Thema Insektensterben, die im Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte wurde. Demnach fliegen heute hierzulande 75 Prozent weniger Insekten durch die Lüfte als noch vor 27 Jahren. Die Zahlen bestätigen sowohl einen großflächigen drastischen Insektenrückgang in Deutschland – und werfen zudem ein Licht auf dessen Hauptursachen, wie der Südwestrundfunk berichet. Für Vogel- und Insektengärtnerin Bini Katz ist dies Anlass genug, um einen entsprechenden Appell an die politische Elite dieses Landes auszusenden. Sie sagt: „Es ist fünf nach zwölf!“
In diesem unserem Lande müssen ganz dringend wachsen: Alant, Blutweiderich, Bohnenkraut, Drachenkopf, Duftnessel, Färberkamille, Fetthenne, Flockenblumen, Gamander, Graslilie, Habichtskraut, Hungerblümchen, Jakobsleiter, Katzenminze, Königskerzen, Kugeldistel, Lavendel, Leinkraut, Malven, Nelkenwurz, Ochsenauge, Odermennig, Präriemalve, Rosenwaldmeister, Sandglöckchen, Schuppenkopf, Spornblume, Taubenkropf, Teufelsabbiss, Vergissmeinnicht, Waldziest, Wasserdost, Witwenblume, Ysop.
Was ich mit dieser Auflistung seltsamer Bezeichnungen meine, liebe Politiker? Es handelt sich dabei um wichtige Insekten-Futterpflanzen, von denen die meisten vom Aussterben bedroht sind – durch menschliches Eingreifen.
Ihr Verschwinden betrifft natürlich auch uns Menschen
Viele Insekten und die, die sich von ihnen ernähren (etwa Vögel, Lurche und kleine Säugetiere), finden in den kahlgeräumten Fluren unserer industriellen, monokulturellen, von Giften und Gülle geprägten Landwirtschaft kaum mehr Nahrung, geschweige denn Nistmöglichkeiten. Dies gilt auch für die meisten privaten Gärten, wo „pflegeleichtes“ Grün und hochgezüchtete, pollen- und nektarlose Blütenpflanzen eine gewisse Fülle nur vortäuschen, für Insekten jedoch nutzlos sind. Im Herbst sorgen Heckenschere, Rasenmäher und Laubsauger dafür, dass jeder noch so kleine Unterschlupf für den Winter zerstört wird.
Die Populationen schwinden in drastischem Ausmaß. Wir haben heute 75 Prozent weniger Schmetterlinge, Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und andere Insekten als noch in den 90er Jahren. Und da diese – also nicht nur die Honigbienen, denen es ebenfalls schlecht geht – die Bestäuber für unsere Nahrungspflanzen sind, betrifft ihr Verschwinden natürlich auch uns Menschen.
Wenn die Kleinen sterben, gibt es auch immer weniger Vögel, die sich von Insekten ernähren – auch die Körnerfresser ziehen übrigens ihre Jungen mit tierischem Eiweiß groß! Da diese Vögel ja auch Schad-Insekten fressen – oder gefressen hätten – müssen natürlich noch mehr chemische „Pflanzenschutzmittel“ eingesetzt werden – und so weiter…
Umwelt-Thematik ist vollends unter die Räder gekommen
Dies alles, liebe Abgeordnete, wissen Sie natürlich – genau so wie ich und jeder Mensch in diesem mediengesegneten Lande. Was mich schockiert, ist allerdings die Tatsache, dass unter den vielen vollmundigen Versprechungen in diesem Wahljahr die Umwelt-Thematik vollends unter die (Traktor-)Räder gekommen ist. Noch nicht einmal in Wahlzeiten wird bei uns mehr auf die lebensbedrohliche Problematik des Insektensterbens hingewiesen!
Sie handeln wie ein Mensch, der ein Apfelbäumchen hegt und pflegt, es sorgfältig gießt und düngt, das Stämmchen mit Sorgfalt anbindet, die Krone beschneidet, die Zweige von welken Blättern und die Blätter von Mehltau und Blattläusen freihält und über jede Blüte jubelt, weil er vor seinem Geist schon die reifen Äpfel sieht – kommt aber einer vom Obst- und Gartenbauverein und macht ihn darauf aufmerksam, dass an den Wurzeln Wühlmausgänge zu sehen sind und das ganze Gewächs schon bedrohlich wackelt, dann jagt er den frechen Menschen aus seinem Garten und bindet sein Bäumchen noch an einen zweiten und dritten Pfahl an…
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, auf einem Ihrer Wahlplakate stellten Sie sich als eine Person dar, die „ein Ohr für die kleinen Dinge“ hat – dies allein wird Ihnen nichts nützen, denn: Blumen und Insekten sterben lautlos!
Maßnahmenkatalog zur Eindämmung des Insektensterbens
Ich habe, damit Sie nicht zu leeren Floskeln und wohlfeilen Allgemeinplätzen greifen müssen, zu Ihrer Unterstützung im Folgenden die wichtigsten Sofortmaßnahmen aufgelistet, die – vielleicht – noch das Schlimmste verhindern könnten:
- Auf allen öffentlichen Flächen werden ab sofort Wildblumenwiesen angelegt, fachgerecht betreut und nur noch zweimal im Jahr zum jeweils angemessenen Zeitpunkt gemäht, womöglich ohne motorgetriebene Geräte. Bei der Einstellung von Hausmeistern für öffentliche Gebäude sollte auf entsprechende Kenntnisse der BewerberInnen geachtet werden (z. B. Mähen mit der Sense), bzw. die Möglichkeit zum Erwerb derselben bestehen.
- Alle dafür geeigneten öffentlichen Dachflächen werden ab sofort mit insektenfreundlichen Magerwiesen bepflanzt.
- Alle Waldränder und die Flurstreifen zwischen Feldern mit Monokulturen müssen mit insektenfreundlichen Sträuchern, Stauden und Gehölzen bepflanzt werden.
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Die Angestellten in den Gemeinden werden regelmäßig in Ökologie fortgebildet. Arbeitslose werden zu Landschaftspflegern umgeschult und von den Gemeinden eingestellt. Der Bund bezuschusst diese Stellen zu 50 Prozent. Asylbewerbern soll bis zum Entscheid über ihren Antrag die Möglichkeit gegeben werden, durch Mitarbeit in der Landschaftspflege (und entsprechende Entlohnung) am sozialen Leben in der Bundesrepublik Deutschland angemessen teilnehmen zu können.
- Jede Gemeinde bekommt Fördermittel zur Pflege ihrer insektenfreundlichen Umgebung unter fachlicher Begleitung.
- Alle chemischen Insektenbekämpfungsmittel werden verboten, ebenso elektrische Insektenvernichtungsgeräte. Öffentliche Beleuchtungsquellen werden mit insektenfreundlichen Leuchtmitteln nachgerüstet.
- Kreisverkehrsinseln werden mit geeigneten Wildblumen und –gräsern, Stauden und Gehölzen insektenfreundlich angelegt.
- Ein Schulfach „Insekten- und Vogelkunde“ wird eingeführt. Schulhöfe werden nach ökologischen Richtlinien gestaltet.
- Bürgerinnen und Bürger, die ihre Gärten insektenfreundlich gestalten, bekommen eine Prämie; desgleichen Landwirte, die ihre Wiesen weder mit Chemie noch mit Gülle bewirtschaften und nur zu den ökologisch gebotenen Terminen und mit naturschonenden Maßnahmen mähen.
- Der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ wird ersetzt oder ergänzt durch den bundesweiten Wettbewerb „Unser Ort soll grüner werden“ bzw. „Unsere Stadt soll grüner werden.“
Dieses Argument kann ich nicht akzeptieren
Wenn Sie mir bis hierhin gefolgt sind, werden Sie, liebe Abgeordnete der Bundesrepublik Deutschland, jetzt sicherlich einwenden, dass die meisten dieser Maßnahmen Ländersache seien – und Ihnen deshalb die berühmt-berüchtigten Hände gebunden sind. Doch so leid es mir tut: Dieses Argument kann ich nicht akzeptieren. Wenn Sie wirklich wollen, lassen sich die entsprechenden Mittel, Wege und Paragraphen finden – die allgemeinen Verkehrsregeln gelten schließlich auch in der gesamten Bundesrepublik!
Bini Katz
Wen wundert’s?
die intensivierte Landwirtschaft samt dem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sowie der ganzjährigen Bewirtschaftung spielt hier wohl eine Rolle, erklären auch die Forscher Caspar Hallmann von der Radboud University in Nijmegen (Niederlande) und seine Mitarbeiter.
Die Intensivierung der Landwirtschaft sei eine plausible Ursache für den Rückgang, sagt auch Teja Tscharntke, Agrarökologe an der Georg-August-Universität Göttingen. Zu den Faktoren gehörten unter anderem große Felder, nur wenige schmale Feldränder und wenige Hecken und Gehölze.
„Für einige Insekten ist es eindeutig zu spät“
Das betont auch Schmitt, Direktor am Senckenberg Deutsches Entomologischen Institut in Müncheberg (Brandenburg): Hummeln, Honigbienen und Wildbienen seien als Bestäuber wichtig für viele Pflanzen. Werden Nutzpflanzen nicht mehr regelmäßig angeflogen, entstehen der Landwirtschaft große Verluste, wie Schmitt erklärt. Zudem vertilgen bestimmte Insekten wie beispielsweise Laufkäfer laut Schmitt gerne Pflanzenschädlinge.
Alle Experten sind sich einig, dass die Folgen und das geografische Ausmaß dringend genauer erforscht werden müssen.
Alexandra-Maria Klein, Landschaftsökologin von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg warnt davor, mit einer Änderung der Landnutzung zu lange zu warten: Sonst könnte es „für einige Insekten zu spät sein“.
Und wenn hier von bewirtschafteten Landwirtschaft gesprochen wird dann meine ich bestimmt nicht die kleinen Bauern in und um Freyung, die ohnehin von der Hand in den Mund ihre „eigenen“ kleinen Felder bewirtschaften, sondern die Kandidaten die auf Ihren Fahrzeugen “LOHNUNTERNEHMEN“ stehen haben.
Man betrachtet mal genauer die Arbeit dieser Lohnunternehmen… da werden endlose Wiesen von denen gepachtet um dann Jahr für Jahr gemäht zu werden und zusätzlich mit künstlichen Kunstdünger zu belasten, Hauptsache das Gras wächst schnell, was für ein Irrsinn. Wenn man sich aber so eine Wiesenfläche mal anschaut dann ist sie zwar schön grün aber sonnst wächst auf einer solchen Wiesenlandschaft keine einzige Margerite mehr, von Mohnblumen u.a. mal ganz zu schweigen. Auch wird man hier keine Schmetterlinge mehr vorfinden können.
Die Politik sollte hier nicht weiter zuwarten sondern unverzüglich tätig werden und die Direktsubventionen aus der EU an die Lohnunternehmen einstellen, denn die wahren Dienstleister am Ökosystem sind nicht die Lohnunternehmen sondern die kleinen fleißigen Fluginsekten.
Hallo Bini, ich bin fasziniert von deinem Artikel! Würdest Du Dein Wissen bei einem Vortrag an unsere Vereine wie Gartenbauverein oder Frauenbund weitergeben? Liebe Grüße Rosmarie Koller?
liebe rosmarie,
das ist eine sehr ehrenvolle anfrage – aber ob ich so was kann? das thema ist mir wichtig, aber „fachfrau“ bin ich natürlich keine, nur jemand mit 20 jahren naturgartenerfahrung mit all ihren irrtümern, rückschlägen und natürlich auch erfolgen. ich melde mich bei dir auf facebook, ok?
auf jeden fall vielen dank für die anerkennung!
bini katz