Spieler befinden sich heutzutage auf einem ganz neuen Entwicklungsstand. Es fing ursprünglich mit Brettspielen an, gefolgt von Spielekonsolen und mündet derzeit in einer Live-Plattform für Gamer, die zum zentralen Knotenpunkt des Entertainments avanciert. Das bedeutet, dass Spiele gestreamt werden können und dabei eine große Zuschauerzahl erreichen, ähnlich wie bei Filme- und Serienplattformen. Doch was ist so besonders daran, anderen Gamern beim Spielen live über die Schulter zu schauen – und wie ist diese Idee überhaupt entstanden?
Menschen präsentieren ihren Lebensalltag mittlerweile gerne im Internet. Sei es Mode, Make-up oder einfach nur die Morgenroutine nach dem Aufstehen. Eine natürliche Neugierde macht uns gerne zu Beobachtern, denn es ist spannend zu wissen, wie der ein oder andere die normalsten Dinge auf seine oder ihre Art erledigt. Dieses Interesse hat sich Justin Kan 2007 in den USA zunutze gemacht und seine eigene Streaming-Plattform gegründet. Hier konnten Zuschauer an seinem Leben teilnehmen und ihn Tag und Nacht begleiten. Justin.tv gewann immer mehr Bekanntheit und wuchs um weitere Kanäle wie Sport, Musik, Nachrichten und Spiele. Gerade die letzte Kategorie wurde so beliebt, dass sie 2011 zu einer eigenständigen Plattform ausgelagert und Justin.tv in der Folge eingestellt wurde. Diese Live-Streaming-Plattform ist inzwischen als Twitch.tv bekannt. Um den Erfolg dieses Streaming-Dienstes greifen zu können, helfen folgende Daten: Über zwei Millionen Nutzer senden über ihren eigenen Kanal; die Twitch Interactive Inc. wurde 2014 für 970 Millionen Dollar von Amazon übernommen.
Die Faszination von Twitch.tv
Sinn dieser Plattform ist es das eigene Spielerlebnis mit anderen Menschen zu teilen. Zum einen sind Spiele heutzutage so komplex, dass Zuschauer sich Tipps und Tricks holen können. Zum anderen bauen sich Nutzer, die ihre Spiele streamen, eine Fangemeinde auf. Jeder Gamer hat hier seine ganz eigenen Methoden sowie Vorlieben – und diese inspirieren wiederrum andere Spieler bei ihren eigenen Games. Hinzu kommt der Charakter eines Spielers. Denn es wird nicht nur das Bild live übertragen, sondern auch die Stimme und Kommentare des Gamers sind zu hören. Sogenannte Streamer filmen sich auch selbst beim Spielen und so hat der Zuschauer ein Gesicht zu dem Avatar. All diese Faktoren machen das Erlebnis greifbar, persönlicher und helfen dabei, eine Bindung zu dem Spieler herzustellen. Auch eine direkte Kontaktaufnahme ist über eine Chat-Funktion auf Twitch.tv ist möglich.
Influencer dominieren Twitch.tv
Sogenannte Influencer haben in den sozialen Medien eine starke Präsenz und fungieren als Meinungsführer. Diese können für Marketingzwecke eingesetzt werden und vergrößern damit den Bekanntheitsgrad für gewisse Produkte. Sobald namhafte Persönlichkeiten einen Teil einer bestimmten Bewegung werden, zieht dies noch mehr Zuschauer und User an. Dies wird auch für Twitch.tv zum Vorteil, denn viele bekannte Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen haben ihren eigenen Kanal dort und entsprechende Communities aufgebaut.
Neben vielen anderen bekannten Spielen hat sich vor allem der Klassiker Poker sehr stark auf Twitch.tv etabliert. Populäre Namen aus dieser Szene nutzen die Plattform, um auch hier ihre Talente zu demonstrieren. Einerseits profitiert die Persönlichkeit, die ihren Bekanntheitsgrad steigert und andererseits Twitch, da diese Bekanntheit eine große Fangemeinde bedeutet.
Ein Beispiel ist Jamie Staples, der sein Studium ursprünglich für eine Golfkarriere abbrach und sich am Ende mit Poker einen Namen machte. Nachdem er bei der World Series of Poker in Las Vegas großen Erfolg hatte, konnte er sich als professioneller Spieler etablieren und streamt inzwischen seine Turniere auf Twitch. Insgesamt 90.000 Abonnenten hat Staples auf seinem Kanal. Ein anderes Beispiel ist der deutsche Pokertrainer Felix Schneiders, auch „xflixx“ genannt. Während seines Mathematikstudiums lernte er Poker kennen und ist seitdem dabeigeblieben. Er coacht nicht nur andere Nutzer, sondern spielt auch selbst. Über 35.000 Fans folgen ihm auf Twitch.tv. Andere bekannte Namen sind Lex Veldhuis oder Kevin Martin, die in der Szene ebenfalls für Furore sorgen.
Spiele, die besonders viele Spannungselemente besitzen, sind also sehr gefragt auf Twitch.tv. Hierzu gehören unter anderem Strategie- und Rollenspiele; aber auch der Klassiker Counter Strike. Wichtig ist, dass mehrere Spieler beteiligt sind, denn dies erzeugt einen Spannungsbogen und lässt die Zuschauer mitfiebern. Beispiele hierfür sind League of Legends, World of Warcraft oder Dota 2. Doch es bleibt nicht bei dieser Auswahl, denn auch Tetris, Minecraft oder Hearthstone ziehen Zuschauer in Scharen an. Beim zuletzt genannten Kartenspiel gilt „nl_Kripp“ als einer der bekanntesten Spieler, der über mehr als eine Millionen Follower verfügt.
Twitch.tv legt den Fokus allerdings nicht ausschließlich auf Live-Spiele, denn auch andere Kanäle werden auf der Live-Streaming-Plattform genutzt. Der ursprüngliche Gedanke der Plattform wurde im In-real-life-Kanal wieder aufgenommen – und so können Zuschauer Streamer erneut in ihrem Alltag begleiten. Darüber hinaus gibt es Talk-Shows für Broadcaster, einen Creative-Kanal für andere Fertigkeiten der User und einen Musik-Kanal für eigene musikalische Stücke.
Twitch.tv muss nicht jedem zusagen, doch diese besondere Plattform trifft den Nerv der Zeit. Zahlreiche User und Streamer beweisen, dass Spiele auch für passive Zuschauer spannend sein können.