Vimperk/Winterberg. Die Ferien scheinen längst vergangen – Bücher, Referate und Schulaufgaben dominieren wieder den Alltag. Seit ein paar Wochen rauchen in den Klassenzimmern dies- und jenseits der bayerisch-böhmischen Grenze wieder die Köpfe unzähliger Schüler. Einer, der zufrieden auf das vergangene Schuljahr zurückblickt, ist Mgr. Jan Heřta, Direktor des Gymnasiums in Winterberg. Im Interview mit unserem tschechischen Hog’n-Partnerportal sumava.eu berichtet der 60-jährige Schulleiter u.a. über das positive Gesamtergebnis seiner Abiturienten, die 2017 besser abschnitten als etwa die Schüler aus den Nachbarorten Sušice und Prachatice. Überdies geht es um Fake-News, Automatisierung und die bayerisch-böhmische Zusammenarbeit.
Herr Heřta: Wie würde der Direktor des Winterberger Gymnasiums im Jahr 2080 auf das Gymnasium Winterberg des Jahres 2017 zurückblicken?
Die Frage ist, ob im Jahr 2080 noch Leser existieren werden… Nein, ich denke, es könnte etwa folgendermaßen klingen: 2017 war eine relativ ruhige Episode in der Geschichte des Gymnasiums. Das wichtigste Komunikationsmittel waren das Handy, der PC und die Sozialen Netzwerke. Im Gymnasium lernten die Schüler überwiegend klassische Inhalte kennen, um sich auf das Abitur und die Universität vorzubereiten. Der Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien stand im Fokus des Unterrichtsgeschehens. Die wichtigste Rolle im Klassenzimmer nahmen damals die Lehrer ein.
„Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu diskutieren“
Wir befinden uns aktuell im Informationszeitalter. Häufig sind die Informationen gezielt manipulativ, geradezu falsch. Stichwort: Fake-News. Früher lag die Nachrichtenverteilung in den Händen weniger, heute kann jeder Nachrichten produzieren und verteilen – über Facebook, Youtube etc. Wie reagiert das heutige Ausbildungssystem auf diesen Nachrichten-Dschungel? Wie lernen die Schüler zu unterscheiden zwischen seriösen Nachrichten und unseriösen?
Gerade hinsichtlich dieser Gefahren wollen wir unsere Schüler sensibiliseren. Wir bemühen uns daher sie dazu aufzufordern, stets mehrere Quellen zu konsultieren und zu vergleichen. Dafür sollten sie nicht nur das Internet nutzen, sondern auch einschlägige Fach-Literatur – um schließlich auch andere Sichtweisen kennen und unterschiedliche Meinungen respektieren zu lernen. Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu eruieren und sich Themen aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern, um sich ein umfassenderes Bild von der Welt zu schaffen.
Wie bewerten Sie das diesjährige Ergebnis der Schüler beim Staatsabitur? Wie hoch war die Zahl der Studienanfänger?
Bereits das dritte Jahr in Folge liegen unsere Abiturienten mit ihren Abschlussergebnissen über dem landesweiten Durchschnitt. Das ist sehr erfeulich. Die Zahl der Studienanfänger können wir nicht exakt beziffern.
„Den technischen Forschritt kann man unmöglich aufhalten“
Die Welt steuert unaufhaltsam auf die Automatisierung und Big Data zu – auf Kosten eigener Gedächtnisleistungen oder handwerklicher Fähigkeiten. Wie ist Ihr Blick in die Zukunft?
Den technischen Fortschritt kann man unmöglich aufhalten – freilich ist es nötig, die eigenen Fähigkeiten auf vernünftige Art und Weise zu nutzen, was wir unseren Schülern auch zu vermitteln versuchen. Ich denke, dass Roboter den Menschen und dessen Arbeit nie ganz ersetzen können. Kritische Entscheidungen werden immer von Menschenhand getroffen. Der Arzt im Operationssaal muss sich auch in Zukunft auf seine perfekten Kenntnisse in den Bereichen Anatomie und Operations-Knowhow verlassen können.
Und von einem guten Lehrer wird man weiterhin erwarten, dass er den Lehrstoff beherrscht. Es ist meiner Meinung nach nötig einen vernünftigen Kompromiss zu finden zwischen dem, was jeder Fachmann zuverlässig wissen muss – und dem, was er sich mittels der zur Verfügungen stehenden Technologien selbst erarbeiten kann. Doch das ist ein weites Feld, in dem noch keine klare Linie erkennbar ist.
Wir sind Teil der Europäischen Union. Grenzen existieren nur noch auf der Karte oder in unseren Köpfen – doch wir können grenzenlos arbeiten, studieren, reisen etc. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem Gymnasium Winterberg und dem Bayerischen Wald?
Unsere Schule hat sehr gute Erfahrungen mit grenzenüberschreitenden Kooperationen gemacht. Jedes Jahr können ein paar unserer Schüler im Rahmen von Euregio-Projekten Erfahrungen an bayerischen Gymnasien sammeln. Seit 1990 besteht eine sehr enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Waldkirchen, sowohl auf Schüler- als auch auf Lehrer-Ebene. Zuletzt gab es etwa einen gemeinsamen, dreitägigen Ausflug nach Horská Kvilda – ähnliche Aktionen sind geplant, zum Beispiel im Nationalpark Bayerischer Wald, den unsere Schüler regelmäßig besuchen.
„Eine Insel, auf die sich die Menschen zurückziehen können“
Ein gesunder Lebensstil rückt mehr und mehr in den Fokus vieler Menschen. Welche Beobachtungen können Sie am Gymnasium Winterberg hierzu feststellen?
Die Schüler der Unterstufe haben drei Stunden Sport in der Woche und dürfen zudem einen Schwimmkurs absolvieren. Mittelstufen-Schüler machen im Winter einen Skikurs in Spičak. Die Oberstufe macht einen neuntägigen Ausflug mit sportlich-touristischem Charakter nach Kroatien, wo sie tauchen lernen können. Unsere Schüler nehmen zudem an verschiedenen schulischen Sportwettbewerben teil. Auch an der Aktion ‚Milch an Schulen‘ sind wir beteiligt.
Was wünschen Sie sich persönlich für die kommenden Jahre, was wünschen Sie sichfür die Stadt Winterberg, was für die Zusammenarbeit zwischen dem Böhermwald und dem Bayerischen Wald?
Für die gesamte Region Böhmerwald/Bayerischer Wald wünsche ich mir, dass es diese wunderbar grüne Insel in der Mitte Europas noch lange geben wird. Eine Insel, auf die sich die Menschen zurückziehen können – zum Spazierengehen, Radfahren, Skilaufen, zum Pilze oder Heidelbeeren sammeln. Der Stadt Winterberg wünsche ich, dass sie sich so weiterentwickelt wie bisher, dass die Einwohner weiterhin bodenständig bleiben, sie hier gut leben, arbeiten und einkaufen sowie ihre Freizeit verbringen können. Ich selbst wünsche mir vor allem Gesundheit und Zeit mit meiner Familie.
Das wünschen wir Ihnen auch. Alles Gute für Sie.
Interview: Marek Matoušek