Temelin. Die 8. Temelin-Konferenz hat am vergangenen Wochenende im Hochsicherheitstrakt des Atomkraftwerks Temelin in Südböhmen stattgefunden. Dabei unterstrichen die Teilnehmer erneut ihre Forderung nach einer umfassenden Aktenuntersuchung aller Schweißnähte im Primärkühlkreislaufsystem des Reaktors Temelin I durch die deutsche Atomaufsicht sowie unabhängige Experten. Der Temelin-Betreiber CEZ sprach für die mitgereisten Journalisten und Teilnehmer ein totales Film-und Fotografier-Verbot aus, wie Konferenz-Organisatorin Brigitte Artmann von der federführenden Bürgerinitiative „Stoppt Temelin“ mitteilt.
Am Eingang des öffentlich zugänglichen Informationszentrums im AKW Temelin hing ein neuangebrachtes Schild, auf dem zu lesen war: „Filmen, Fotografieren und Hunde verboten.“ Ausschließlich in einer eigens für Handy-Selfies eingerichteten Ecke im Souterrain durfte gefilmt und fotografiert werden, berichtet Brigitte Armann. Eine CEZ-Mitarbeiterin machte von den Besuchern ein Foto vor den Kühltürmen. „Die sogenannte Transparenz, die CEZ vortäuscht mit Exkursionen wie unserer, wird entlarvt durch ein uneingeschränktes Fotografier-Verbot für Journalisten und die schon 17 Jahre anhaltende Verweigerung, Einsicht zu geben in die Dokumentation einer gepfuschten Hauptschweißnaht“, kommentiert Jan Haverkamp von Nuclear Transparency Watch. Er hatte den Schweißnaht-Fall von Temelin I im Jahre 2000 für Greenpeace aufgedeckt.
„Ohne Einbeziehung der Aufsichtsbehörden abgeschnitten“
„Wenn ein 80 Zentimeter dickes, unter Hochdruck stehendes Rohr direkt am Reaktor abreißt, dann geht es dahin wie in Fukushima, deswegen verlangen unabhängige Experten, bayerische Landräte und 80.000 Unterzeichner einer Petition eine umfassende Aktenuntersuchung aller Schweißnähte im atomaren Kreislauf von Temelin I durch die deutsche Atomaufsicht und externe Experten“, betont Artmann. Es gebe einen Vertrag zwischen Deutschland und Tschechien, der diese umfassende Aktenuntersuchung ermögliche. „Im Oktober hat das Bundesumweltministerium anlässlich des Treffens der deutsch-tschechischen Kommission in Nordböhmen die erneute Gelegenheit danach zu fragen“, so die Wunsiedler Kreisrätin, die sich seit Jahren für bessere Standards im Atomkraftwerk Temelin einsetzt.
Ebenfalls in Temelin mit dabei war die Passauer Kreisrätin Halo Saibold (links):
Gründe für weitere Untersuchungen gibt es Artmann zufolge einige: „Von vier 80 Zentimeter dicken Rohren am Reaktorfass wurde ein Rohr mit der Nummer 1-4-5 um 180 Grad verkehrt herum angeschweißt, illegal ohne Einbeziehung der Aufsichtsbehörden brachial abgeschnitten und wieder angeschweißt. Die Schweißer informierten Greenpeace, sie wurden dafür Repressalien ausgesetzt. Es gibt kein Zeugenschutzprogramm in Tschechien. Die ermittelnde Inspektorin der tschechischen Atomaufsicht bestätigte die Glaubwürdigkeit der Zeugen, sie bekam einen Maulkorb, bleibt aber bis heute bei der Aussage: Die Schweißnaht hält nicht unter Stress.“
In der dazugehörigen Akte (15/2001/SUJB) haben laut Artmann deshalb die verantwortliche Personen die nötige Unterschrift verweigert. Die Akte werde bis heute unter Verschluss gehalten. „Ein zweites Rohr wurde laut den zwei einzigen öffentlich-zugänglichen Unterlagen am selben Tag am Reaktor und auch an das folgende Rohr angeschweißt, das aber zu dem Zeitpunkt in einer weit entfernten Montagehalle lag“, erklärt die Kreisrätin weiter.
Nun fehlen noch drei Landräte entlang der Grenze
Laut Straubinger Tagblatt fordern nun nicht nur mehr die Landräte aus Passau, Freyung-Grafenau und Regen den Schutz vor den Gefahren Temelins (da Hog’n berichtete), sondern auch einige Amtskollegen in den oberpfälzischen sowie oberfränkischen Landkreisen entlang der bayerisch-tschechischen Grenze. „Es fehlen somit nur noch die drei Landräte in Neustadt an der Waldnaab und Tirschenreuth sowie Hof“, sagt Brigitte Artmann. Die Bürgerinitiative „BI WAA NAA“ aus der Oberpfalz appellierte nun auch an die beiden oberpfälzischen Landräte, sich ihren Kollegen anzuschließen, damit die Landräte an der bayerisch-tschechischen Grenze geschlossen für ihre Bürger gegenüber dem Bundesumweltministerium auftreten.
da Hog’n
- Greenpeace-Dokumentation und Expertise von Dieter Majer, dem ehem. Technoischen Leiter der deutschen Atomaufsicht, betreffend: Temelin I Schweißnaht im atomaren Kreislauf (CZ/DE/EN)
- Temelin Petition –> www.change.org/p/bundesregierung-atomkraftwerk-temelin-i-sofort-abschalten
- Hog’n-Berichte (einfach klicken)
- BR-Fernsehbeitrag zum Thema (einfach klicken)