Prackenbach/Ruhmannsfelden. Das Planfeststellungsverfahren für die Ortsumgehung Ruhmannsfelden läuft – und hielt für die Gemeinde Prackenbach nun eine Überraschung parat, wie CSU-Landratskandidat Stefan Ebner vor wenigen Tagen per Pressemitteilung verlautbaren ließ. Denn: Die erforderlichen Ausgleichsflächen von rund drei Hektar sind auf dem Gebiet der Gemeinde Prackenbach geplant, also etwa 20 Kilometer von Ruhmannsfelden entfernt. „Dabei wurden weder die Gemeinde, noch die betroffenen Grundstückseigentümer im Vorfeld am Entscheidungsprozess beteiligt, noch sind sie über diese Planungen informiert worden“, heißt es in der Mitteilung weiter. Da Hog’n hat beim Landratsamt Regen und beim Staatlichen Bauamt Passau in der Sache nachgehakt.
Bürgermeister Andreas Eckl (Freie Wähler) staunte nicht schlecht, als er einen dicken Ordner mit der Aufschrift „Ortsumgehung Ruhmannsfelden“ in seinem Posteingang vorfand. „Ich dachte zunächst, das ist sicher ein Irrläufer.“ Ein Blick in die Unterlagen habe jedoch schnell Gewissheit gebracht. Für die benötigten drei Hektar großen Ausgleichsflächen für die Ortsumgehung Ruhmannsfelden hatte die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Regen dem Staatlichen Bauamt insgesamt drei Alternativen vorgeschlagen – neben Gebieten in Pometsau und Flintsbach eben auch die Flächen in Prackenbach. Diese wurden letztendlich durch das Bauamt ausgewählt. „Rechtlich ist diese Vorgehensweise zweifellos in Ordnung, aber ich finde dies so nicht richtig und würde selbst nie so vorgehen“, betonte Rathaus-Chef Eckl.
„Vorgehensweise wie ein unverhoffter Schlag ins Gesicht“
Neben der Vorgehensweise stellten sich dabei nicht nur für ihn eine Reihe von Fragen: Warum ausgerechnet in Prackenbach? Wo ist der räumliche Zusammenhang zur beabsichtigten Baumaßnahme in Ruhmannsfelden? Warum sind nicht zunächst die betroffene Gemeinde Ruhmannsfelden bzw. angrenzende Gemeinden betrachtet worden? Müssen die gesamten drei Hektar in der Gemeinde Prackenbach ausgewiesen werden? Eckl, so heißt es in der Pressemitteilung, sei bestrebt die Einwände der Gemeinde mit sachlich-fundierten Argumenten zu untermauern, wobei er sich für eine gütliche Einigung aussprechen wolle. Denn: „Wir fordern immer einen besseren Straßenausbau und müssen folglich auch bereit sein, unseren Beitrag zu leisten.“
Roland Graf, CSU-Kreisvorsitzender des Arbeitskreises Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, konnte seinen Unmut hingegen kaum verbergen: „Ohne die Betroffenen vorher zu informieren – das geht doch nicht.“ Neben der Vorgehensweise des Staatlichen Bauamtes und der Unteren Naturschutzbehörde kritisierte er vor allem, dass zwar jede Gemeinde bereits frühzeitig in der Planungsphase einer Baumaßnahme über geeignete Ausgleichsflächen verfügen müsse, der Landkreis diese jedoch erst äußerst kurzfristig im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens, das letztendlich auch in einem Enteignungsverfahren enden könnte, festlege. „Warum werden nicht bereits frühzeitig – sozusagen „auf Vorrat“ – geeignete Flächen, die zum Kauf angeboten werden, vom Landkreis als Ausgleich für Bauvorhaben oder für die Zwecke des Naturschutzes erworben?“
„Für mich als betroffenen Landwirt ist diese Vorgehensweise wie ein unverhoffter Schlag ins Gesicht“, schimpfte Josef Rackl. Ihm gehöre nicht nur der größte Teil der geplanten Fläche, sondern er bewirtschafte sie auch selbst. „Wertvolle landwirtschaftliche Nutzflächen werden zerstört“, beklagte er weiter. Zunächst werde man nicht informiert, geschweige denn in den Entscheidungsprozess miteinbezogen – vielleicht in der Hoffnung, dass so eventuelle Fristen versäumt würden, wie Rackl vermutete. Dann bliebe nur mehr der Weg vor Gericht. Am Ende, so der Landwirt, werde man gar enteignet und die Höhe der Entschädigung sei dann auch noch viel zu gering.
Wie ist es nun zu den drei Vorschlägen gekommen?
Graf erklärte seinen aktuellen Informationsstand: Zunächst sei eine Fläche im Landkreis Freyung-Grafenau angedacht gewesen. Dies hätte die Untere Naturschutzbehörde (UNB) im Landratsamt Regen jedoch abgelehnt und stattdessen drei Gebiete im Landkreis Regen vorgeschlagen. Das Staatliche Bauamt habe sich schließlich für die Flächen im Gemeindegebiet Prackenbach entschieden. Ein Entscheidungsprozess, den niemand nachvollziehen könne, heißt es in der Pressemitteilung. Graf forderte Stefan Ebner auf: „Als Kreisrat und hoffentlich bald als Landrat musst Du Dich dafür einsetzen, diese Entscheidungsprozesse zu ändern.“
Wie ist es nun zu den drei Vorschlägen der Unteren Naturschutzbehörde gekommen? „Ein Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte – hier eine Straße, bei Eisenbahnen oder Wasserstraßen ist es ebenso – beinhaltet eine umfassende Umwelt- und Naturbeurteilung und -abwägung mit einem komplexen und schlüssigen Maßnahmenpaket. Zu diesem Paket gehören auch alle nach Naturschutzrecht geschützten Tiere und Pflanzen“, teilt die Pressestelle des Staatlichen Bauamts auf Hog’n-Anfrage mit. Im vorliegenden Fall gehe es um den dem Artenschutzrecht unterliegendem Kiebitz, der auf fachlich geeigneten Flächen im Landkreis etwa in seinem Lebensumfeld und in seiner Population gestärkt werden solle.
Hierfür würden die Flächen bei Prackenbach die besten Voraussetzungen bieten, da dort bereits brütende Kiebitze nachgewiesen worden seien. „Damit liegen für den Kiebitz als bayernweit stark gefährdete Art hier beste Voraussetzungen in der Habitateignung und im weiteren Entwicklungspotenzial vor.“ Dass das Bauamt bei der Suche und Festlegung nach geeigneten Flächen sich an die fachlich geeignetste Stelle, nämlich an die Naturschutzbehörde im Landratsamt wende, sei ein normaler Vorgang.
„Hier kauft oder handelt nicht der Landkreis, sondern die BRD“
Auch Landratsamtssprecher Heiko Langer bestätigt dies. „Zwei Kiebitz-Brutpaare verlieren ihr seit vielen Jahren angestammtes Brutrevier unmittelbar im Bereich der Plantrasse“, informiert er auf Hog’n-Anfrage und betont: „Es ist nun ein geeigneter Ausgleich für den Eingriff erforderlich, wobei hierfür nicht irgendeine Ausgleichsfläche ausreichend ist, sondern die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts sind in gleichartiger Weise – geeigneter Wiesenbrüterlebensraum – auszugleichen.“
Zudem seien – um artenschutzrechtliche Verbotstatbestände (z.B. Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten) ausschließen zu können – sogenannte vorgezogene funktionserhaltende Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) notwendig. „Die Ausgleichsflächen und -maßnahmen sind daher so zu wählen, dass neben dem reinen Flächenverlust der Biotopfunktionen (Wiesenbrüterlebensraum) auch die Habitatverluste kompensiert werden“, weiß Langer.
Da diese geeigneten Flächen relativ selten seien, habe das Staatliche Bauamt die UNB um Vorschläge gebeten, was nach rein fachlichen Aspekten auch in der Nennung von drei Alternativen (in Pometsau, am Flintsbach und in Prackenbach auf Flächen mit Kiebitzvorkommen) geschehen sei. „Die Prüfung der Verfügbarkeit der Flächen und sonstige Verfahrensverantwortlichkeiten sind nicht Aufgabe der Unteren Naturschutzbehörde, sondern die des Staatlichen Bauamts“, erklärt Langer weiter. „Sprich, wir zeigen dem Staatlichen Bauamt nur mögliche Flächen auf, das weitere Vorgehen ist nicht in unserer Hand.“ Hier kaufe oder handele demnach nicht der Landkreis, sondern die Bundesrepublik Deutschland – und für die BRD handele das Staatliche Baauamt.
„Ruhmannsfelden könnte sich sonst nie weiterentwickeln“
„Für uns als Behörde und auch aus Transparenzgründen wäre es sicherlich besser, wenn vor Einreichen der Planfeststellungsunterlagen der Grunderwerb geschieht – zumal bei Nichterwerbbarkeit eine nachträgliche Änderung der Ausgleichsflächen für die Kollegen in der Unteren Naturschutzbehörde und vermutlich auch für die Mitarbeiter des Staatlichen Bauamtes zweifache Arbeit bedeutet“, gesteht Langer ein.
Die Ausgleichsflächen müssten im Übrigen nicht in der Eingriffsgemeinde liegen, so Langer, sondern im gleichen Naturraum – „was bei Prackenbach der Fall ist“. Außerdem enthalte das Ausgleichskonzept des Staatlichen Bauamts nicht nur die etwa drei Hektar in Prackenbach, sondern auch unzählige andere Flächen und Maßnahmen im Raum Ruhmannsfelden, wie der Regener Landratsamtssprecher mit Verweis auf die Planfeststellungsunterlagen informiert.
Auf die Frage, ob die Ausgleichsflächen für die Ortsumgehung Ruhmannsfelden somit auch in den Gemeinden Lindberg oder Frauenau hätten sein können, beantwortet er wiefolgt: „Ja, das ist ganz normal und geschieht bei vielen kommunalen Baugebieten.“ Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Regen verfüge über ein Konto, auf das Geld von Ausgleichszahlungen eingehe. Diese Zahlungen werden von Kommunen oder Bauherren geleistet, wenn kein örtlicher Ausgleich zu schaffen sei. Davon kaufe der Landkreis regelmäßig Naturschutzflächen. „Wichtig dabei ist, dass gleichwertige oder höherwertige Flächen angekauft und unter Schutz gestellt werden“, wie Langer nochmals betont. „Eine Kommune wie Ruhmannsfelden, die flächenmäßig eher zu den kleineren gehört, könnte sich sonst nie weiter entwickeln.“
Wer hat die Ausgleichsfläche in Prackenbach festgelegt?
Bleibt noch die Frage zu klären: Wer im Staatlichen Bauamt die Ausgleichsfläche in Prackenbach festgelegt hat. „Das gesamte Umwelt- und Naturschutzpaket der Infrastrukturmaßnahme wird von externen Fachleuten erarbeitet. Subjektive, unbegründete Einzelentscheidungen einer Person im Staatlichen Bauamt gibt es nicht“, heißt es von Seiten der Behörde, die hinzufügt: „Die festgelegten Flächen werden keinesfalls der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen, sondern können in Form von sog. produktionsorientierten Kompensationsmaßnahmen weiter bewirtschaftet werden.“
Die Beteiligung betroffener Landwirte erfolge frühzeitig, eben im Rahmen des derzeitigen Planfeststellungsverfahrens. „Dieses Verfahren ist öffentlich. Jeder kann alle Unterlagen einsehen und sich hierzu äußern. Damit erhält jeder den gleichen Gesamtein- und -überblick.“ Eben weil das Umweltpaket ein dickes und komplexes, in sich schlüssiges „Paket“ sei, konnte, so die Auskunft des Staatlichen Bauamts, die Beteiligung erst zu seiner vollständigen Fertigstellung, nämlich aktuell über das Genehmigungsverfahren für die Ortsumgehung Ruhmannsfelden, starten.
da Hog’n