Spiegelau. „Mich führt hier ein Licht durch das All, das kennt ihr noch nicht…“ Zufälle gibt’s. Während des Gesprächs mit Sepp Bastl (49) und Günther Stumpp (49) läuft im Hintergrund „Major Tom“ von Peter Schilling. Besser hätte kein Regisseur der Welt den Besuch in der Bayerwald-Sternwarte in Neuhütte bei Spiegelau inszenieren können. Dort, in einer unscheinbaren Hütte, die eher einem großzügigem Gartenhäuschen gleicht, begutachtet die Astronomische Vereinigung Mittlerer Bayerische Wald den Himmel über dem Woid, bestimmt und fotografiert Abermillionen Lichtjahre entfernte Sterne und Kleinstplaneten.
Eine ruhige, fast menschenleere Gegend. Mit knapp 800 Metern über dem Meer eine relativ hohe Lage. Des nächstens nahezu kein künstliches Licht. Das kleine Örtchen Neuhütte in der Peripherie des Nationalparks Bayerischer Wald war um die Jahrtausendwende genau das, was die Hobby-Astronomen um ihren Vorsitzenden Sepp Bastl gesucht haben: „Als wir dann noch erfahren haben, dass in der Gemeinde Spiegelau nach Mitternacht die Straßenlaternen abgeschaltet werden, waren wir hin und weg.“ Eigentlich hatte die Astronomische Vereinigung Mittlerer Bayerischer Wald in Weißenstein bei Regen eine große Volkssternwarte geplant. Doch aus verschiedensten Gründen scheiterte dieses Projekt – und so landete der 40-Mitglieder starke Verein letztendlich in der einstigen Glasgemeinde.
Ein schlichtes „Gartenhäuschen“? Weit gefehlt…
Zunächst ist es nicht so recht greifbar, was Sepp Bastl, Günther Stumpp und seine Kollegen genau machen. Zunächst ist es auch nur schwer vorstellbar, warum sie ihrem Hobby nur in den Nachtstunden nachgehen können – und dabei absolute Finsternis benötigen. Selbst Bayerwaldstädte wie Zwiesel oder Grafenau würden über sich eine derart große „Lichtglocke“ beherbergen, dass astronomische Arbeit dort nicht möglich sei, erklärt Bastl. Genauso geheimnisvoll wie ihre Arbeit ist auch das Vereinsheim der astronomischen Gemeinschaft. Ein auf den ersten Blick schlichtes „Gartenhäuschen“, komplett aus Holz. Das besondere an diesem Bau: Das Dach kann mechanisch verschoben werden, sodass zwei Vorrichtungen zu Tage kommen, die an weißgefärbte Kanonen erinnern.
Es handelt sich jedoch nicht um Kriegsmaschinerie, sondern um zwei Objektive – eins mit 12 Zoll, eins mit 16 Zoll. Mithilfe dieser Instrumente blicken Sepp Bastl, Günther Stumpp sowie weitere Vereinsmitglieder gen Bayerwald-Himmel. „Wir fotografieren zum einen besondere Sterne und Sternenbilder. Zum anderen sind wir auf der Suche nach unbekannten Kleinstplaneten, die bisher noch nicht astronomisch erfasst worden sind“, berichtet Bastl. Heißt: Entdeckt einer der Bayerwald-Astronomen ein offensichtlich bisher nicht wahrgenommenes Licht am Himmel, berechnen sie die genaue Flugrichtung dieses Objektes, vermessen es und gleichen die so gewonnenen Daten mit anderen Sternwarten ab. „Wir sind aufgrund unserer guten Arbeit sogar offizielles Mitglied der IAU, der Internationalen Astronomischen Union„, erzählt Bastl nicht ohne Stolz.
Nachtschichten über Nachtschichten
Bereits seit ihrer Kindheit beschäftigen sich der 49-Jährige und Günther Stumpp mit unserer Galaxis. Welcher Stern liegt wo? Welchen Planeten kann man wann mit einem Teleskop sehen? Wie groß ist unsere Milchstraße? Wie viele Lichtjahre ist welches Objekt im Weltraum von uns entfernt? Diese Fragen zogen die beiden Waidler – Bastl kommt aus Zwiesel, Stumpp ist Spiegelauer – bereits früh in ihren Bann. Um genauere Forschungsarbeiten durchführen zu können, errichteten sie – nach dem Scheitern des Weißenstein-Projekts – in Eigenregie eben jene Sternwarte in der Gemeinde Spiegelau, die seitdem die Astronomische Vereinigung Mittlerer Bayerischer Wald nutzt. Seitdem haben sie zahlreiche Stunden und viel Geld in ihr Hobby investiert.
Diese Aufnahmen wurden von der Sternwarte-Bayerwald in Spiegelau gemacht
Um überhaupt irgend etwas am Himmel sehen zu können, müssen jedoch nicht nur die Instrumente funktionieren, sondern auch die Rahmenbedingungen stimmen. Es muss finster sein, Nacht – nur so kann man überhaupt weit entfernte Lichter ausmachen. Es dürfen keine Störfaktoren die Sicht behindern – dazu zählen unter anderem die Straßenbeleuchtungen. Es muss eine klare Wetterlage vorliegen, keine Wolken – denn dann ist die Sichtweite sehr begrenzt. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, steht einer langen, arbeitsintensiven Nachtschicht nichts mehr im Wege. „Da gibt es aber kein Bier“, sagt Günther Stumpp und lacht. „Dennoch sind wir am Tag danach schon ziemlich geschlaucht. Wir müssen ja – ohne Schlaf – dann trotzdem in die Arbeit.“
Achtung! Astrologie ist was anderes als Astronomie
Bisher ist nur wenigen bekannt, dass in Neuhütte – wenn auch nur im kleinen Rahmen – Forschungsarbeit betrieben wird. Deshalb will der Verein durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit auf sich und die vielen Phänomene am Sternenhimmel aufmerksam machen. „Im Gegensatz zu den großen Volkssternwarten ist in unserer kleinen Hütte jedoch keine Veranstaltung mit Eventcharakter möglich. Bei uns geht es mehr um die Sache an sich. Ein großer Vorteil für wirklich Interessierte. Denn bei uns haben sie Zeit genug, um wirklich mit den Teleskopen zu arbeiten.“ Aufklärungsarbeit, die offenbar bitter nötig ist: Schon mehrmals wurde Sepp Bastl darauf angesprochen, ob er vielleicht die Sterne deuten könne…
Doch das macht die Astrologie, nicht die Astronomie. Und während sich erstgenannte Lehre eher auf einer übernatürlichen Schiene bewegt, betreiben Bastl, Stumpp & Co. ihre Arbeit im wissenschaftlichen Sinne. „Das ist schon ärgerlich, wenn wir um Horoskope oder ähnlichen Schnickschnack gebeten werden“, macht Sepp Bastl deutlich. Die Begeisterung für das Hobby lassen diese aus seiner Sicht unliebsamen Zwischentöne jedoch zu Nebensächlichkeiten verblassen. Vielmehr beschäftigt den 49-Jährigen die Frage, wie sein Verein ein größeres (20 Zoll)-Objektiv finanzieren könnte. Denn die Vereinigung befindet sich derzeit an einer richtungsweisenden Schwelle – entwickelt sich die eigene Technik nicht weiter, bleiben auch die Mitglieder irgendwann auf der Strecke. „Deshalb sind wir derzeit verstärkt auf der Suche nach Förderern“, rührt Sepp Bastl die Werbetrommel.
„Wir hoffen, dass es kein Traum bleibt“
Denn – ähnlich wie Major Tom – wollen auch die Spiegelauer Astronomen irgendwann bisher unbekannte Ecken des Universums entdecken. „Finden wir einen Planeten, den bisher noch keiner gesehen hat, dürfen wir dessen Namen festlegen“, erklärt Günther Stumpp. „Doch das war leider bisher nicht der Fall. Wir hoffen, dass es kein Traum bleibt.“
Helmut Weigerstorfer