Passau. Endlich ist sie da, die lang ersehnte Urlaubszeit: Während die Kinder ihre Freunde verabschieden und sich die Eltern auf etwas Ruhe und Erholung freuen, bleibt eine Mitbewohner-Gruppe häufig alleine zurück: die Haustiere. Und wenn man nicht gerade einen „typischen Familienhund“ wie Schickimicki-Girl Paris Hilton besitzt, der zur Not auch Platz im Handgepäck findet, müssen möglichst schnell Alternativen her. Denn mitnehmen kann man das Haustier in den seltensten Fällen – zumal Hunde, Katzen, Nagetiere und Co. davon vermutlich genauso wenig begeistert wären wie die Sitznachbarn im Flugzeug…
Und so wird aus dem treuen Begleiter schnell ein leidiges Problem. Und was macht man mit Problemen? Man versucht sie abzuschütteln, zu beseitigen, los zu werden. Was für viele übertrieben und grausam klingt, ist jedoch Jahr für Jahr bittere Realität. Gerade zur Ferienzeit werden vermehrt ausgesetzte Vierbeiner aufgefunden, Käfigtiere werden einfach im Wald laufen gelassen, wie Bettina Mittler, Leiterin des Tierheims Passau bestätigten kann. Was sie zudem immer wieder erlebt: „Leute bringen Tiere zu uns, die sie angeblich gefunden haben.“
„Es wäre für alle einfacher, wenn die Besitzer ehrlich sind“
Angeblich. Denn das engagierte Team des Tierheims weiß aus Erfahrung: So mancher Besitzer bringt sein ehemals geliebtes Haustier unter einem Vorwand ins Heim. „Oft heißt es dann, man habe den Hund angeleint gefunden – oder die herrenlose Katze sei einem zugelaufen. Doch was die vermeintlich gutmütigen Bürger offenbar nicht wissen: Jede noch so kleine Information über die Vergangenheit eines Tieres ist von enormer Bedeutung. Deshalb nutzt das Tierheim Passau vor allem die offizielle Facebook-Seite, um einerseits tatsächliche Besitzer oder deren Bekannte ausfindig zu machen – und andererseits angebliche „Finder“ zu entlarven.
Vielen Leuten ist es Bettina Mittler zufolge unangenehm, insbesondere in der Ferienzeit ihr Tier offiziell im Heim abzugeben. Genau das erschwere jedoch die Aufnahme und Vermittlung der scheinheiligerweise vorbeigebrachten Schützlinge. „Wir wissen in solchen Fällen nichts über das Tier“, ärgert sich die Leiterin. „Name, Alter, medizinische und persönliche Vorgeschichte müssen wir dann selbst herausfinden. Es wäre für alle Beteiligten einfacher, wenn die Besitzer ehrlich sind. Denn ein Tier abzulehnen liegt uns fern.“
Dies geschehe generell sehr selten. Denn auch, wenn das Passauer Tierheim dauerhaft viele Tiere beherberge, bemühe man sich stets, keines im Stich zu lassen, sagt Bettina Mittler. Jedes soll im Optimalfall schon nach kurzer Dauer an interessierte Neubesitzer weiter vermittelt werden. Diese werden zuvor eingehend geprüft, etwa hinsichtlich Wohn- und Platzverhältnisse sowie deren beruflicher Arbeitszeiten. „Das bedeutet nicht, dass man ein Eigenheim besitzen muss – oder dass jemandem, der keinen Garten besitzt, kein Tier vermittelt wird“, erklärt Mittler. „Es gibt keine perfekten Voraussetzungen – uns ist vor allem wichtig, dass es sich um angemessene Zustände handelt.“ Jemand, der den ganzen Tag unterwegs ist, sollte sich daher gut überlegen, ob ein Hund, der viel Auslauf und Aufmerksamkeit braucht, gerade ins Leben passt.
„Ich verstehe nicht, wie jemand so herzlos sein kann!“
Die Anschaffung eines Tieres sollte wohl durchdacht sein. „Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, was ein Tier alles benötigt.“ Denn neben ausreichend Platz und Anschaffungen wie Futter oder Mobiliar müssen auch eventuell anfallende Kosten für den Tierarzt bedacht werden. Daher geben die meisten Heime auch keine Tiere zur Adventszeit an potenzielle Neu-Herrchen weiter.
„Tiere als Geschenk sind häufig keine gute Idee“, ist Bettina Mittler überzeugt. „Man läuft immer Gefahr, dass das Geschenk – aus welchen Gründen auch immer – am Ende doch nicht gut ankommt.“ Geld, Platz und Zeit – diese Faktoren spielen für das Wohl eines Haustiers immer eine Rolle. Sollte einem trotz eingehender Überlegungen erst später bewusst werden, dass man gewissen Bedürfnissen doch nicht gerecht werden kann, sei es vor allem dem Tier gegenüber fair und richtig zu handeln.
Noch problematischer als unehrliche Besitzer sind jedoch diejenigen, die ihre einstigen Weggefährten einfach aussetzen. Bettina Mittler kann von zahlreichen Fällen berichten, bei denen Nagetiere in den Wald ausquartiert, Kartons mit Katzen irgendwo abgestellt oder Hunde jenseits der Zivilisation angeleint werden.
Die Bestürzung der engagierten Tierpflegerin ist nicht zu überhören, als sie berichtet: „Ich weiß von Tieren, die tagelang in der Kälte und ohne Nahrung festgesessen sind, bevor sie gefunden wurden. Und leider kommt die Hilfe nicht immer rechtzeitig. Ich verstehe nicht, wie jemand so herzlos sein kann.“ Besonderes erschreckend sei, dass sich diejenigen, die so eine Tat begehen, offenbar weder von der Grausamkeit noch von der geltenden Rechtslage davon abhalten lassen. Denn wer ein Tier aussetzt, begeht nach §3 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes eine Straftat. „Wenn wir den Täter ermitteln können, erstatten wir natürlich Anzeige.“
Malin Schmidt-Ott
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