Wer mit wem – und wenn ja, wie viele? Und überhaupt: Wo ist Bosbach? Was bewegt „The Horst and only one“ Seehofer dazu, seinen Astralkörper freiwillig zwischen einem Ausländer und einer Lesbe zu platzieren? Und dann wären da noch ein verwirrter Liberaler, zu seiner Linken eine Linke – andersrum wär‘ auch komisch! Nicht zu vergessen: Ein Ex-Buchverkäufer mit lichtem Haar, angereist aus dem fernen – poetisch wie phonetisch funkensprühenden – Würselen. Ein Abend voller Fragen! Sicher ist nur eines: Merkel wird gewinnen. Warum? Des war scho owei a so. Und: Anders hod’s des no nia ned gem. Bayerisches Polit-Evangelium. Es folgt: Ein Abend voller Spaß und guter Laune. (Achtung: Dieser Text könnte Spuren von Satire enthalten…)
Noch knapp zehn Wochen bis zur Bundestagswahl. In einem Hog’n-Special-Exclusive-Mega-Superduper-Event konnten wir sieben Spitzenkandidaten der Bundestagswahl an einem Holztisch vereinigen. Um Demonstranten und potenzielle Gewalttäter von jener Elefantenrunde fernzuhalten, inszenierte man im fernen Hamburg gar einen eigenen Gipfel: Unter dem Vorwand, die wichtigsten 20 Industrienationen der Welt sollen dort unser aller Zukunft debattieren, wurde so die mediale Aufmerksamkeit aus dem Bayerischen Wald in den hohen Norden verlagert. Ein gar meisterlicher Schachzug! Geschichte geschrieben wurde derweil jedoch ganz woanders: In der (immer noch nicht fertig sanierten) Racheldiensthütte im Bayerwoid fanden sich im Uhrzeigersinn ein:
- Alice „aus dem reinrassigen Wunderland“ Weidel (AfD)
- „The Horst and only one“ Horst Seehofer (CSU)
- Cem „legalize it, Baby“ Özdemir (die Grünen)
- Martin „würselen for justice“ Schulz (SPD)
- Angela „spricht für sich“ Merkel (CDU)
- Christian „ja, ich bin auch noch da“ Lindner (FDP)
- und last, but not least: Sahra „mach mir mal den Stalin“ Wagenknecht (die Linke)
Es kann losgehen…
Seehofer klemmt noch g’schwind einen Bierdeckel unter den Holztisch (dieser hatte etwas gewackelt), dann kann das illustre Treiben auch schon beginnen. Hog’n-Fotograf Georg Knaus spreizt die Kamera vors Gesicht, knipst und blitzt sogleich wie wild drauf los – auch er hat heute einen ganz besonderen Abend vor sich. Eigentlich verdient er seine Brötchen ja als Naturfotograf – doch der Euro verliert bekanntlich an Wert, Lebensmittel werden teurer, die Krise, die Krise! Und: Sonnenuntergang, Untergang, Bäume, Hirsche, Lindner – was soll die Haarspalterei? Geld ist schließlich Geld. Die Krise, die Krise. Moderiert wird dieses Spektakel von niemand geringerem als einem Moderator.
Es herrscht Stille im Raum. In der Ferne ist ein leises Rammeln zu vernehmen – wahrscheinlich zwei Karnickel. Brunftzeit. Eingehüllt in einem Smog aus Idylle und Romantik, plagt Seehofer nur ein Gedanke: Hoffentlich ist das Karnickelpaar, das dort draußen im Walde unter rhythmischen Wippbewegungen den Liebesakt vollzieht, auch tatsächlich im traditionellen Sinne liiert. Homo-, Trans-, Zis- oder gar Queer-Karnickel? Unvorstellbar! Und damit leitet Seehofer direkt über zum ersten Thema des Abends. Und so soll es nun auch tatsächlich losgehen. Wirklich. Nach vier Absätzen einleitendem Gedöns, kann es, ja, tatsächlich, wirklich losgehen. Mic-Check – und ab dafür.
___________________________________
Moderator: Herzlich willkommen in der Runde. Schwätzen bitte einstellen, Ohren spitzen, gleich gibt’s die erste Frage – wiederholen tu‘ ich nix, damit das gleich von Anfang an klar ist. Stichwort Homoehe – Herr Seehofer: Eine überwiegende Mehrheit im Bundestag hat am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause beschlossen, weiter dem Pfad der Aufklärung zu folgen und mit großer Mehrheit für die Homoehe votiert. Sie stimmten dagegen – warum?
Seehofer: Immer Veränderung. Veränderung, Veränderung, Veränderung. Nix als Veränderung. Wir als CSU – also, ich als Horst Seehofer – bin nicht grundsätzlich gegen Veränderung – aber auch selten dafür. Ich bin schon der Meinung, dass man gewissen Dingen Zeit geben soll, sich zu bewähren. Die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau, wie sie in der Bibel geschrieben steht, hat sich doch als tolles Modell etabliert. Geben sie dem Ganzen noch etwas Zeit – das soll jetzt erstmal sacken. Ich sehe da keinen Grund, vorschnell und übereilig dran rumzubasteln….
Wagenknecht: Schwachsinn! Die bürgerliche Ehe ist die institutionalisierte Form der weiblichen Unterdrückung – nichts als Ausbeutung des weiblichen Geschlechts und…. außerdem ist der Kapitalismus schlecht und böse!!
Moderator: Langsam reiten, Frau Wagenknecht. Eins nach dem andern! Herr Schulz, was haben Sie zum Thema zu sagen?
SPD stellt Wahlprogramm auf den Kopp
Schulz: Mehr Zeit für Gerechtigkeit!
Moderator: Mehr Zeit für Gerechtigkeit!? Sie meinen wohl, Zeit für mehr Gerechtigkeit?
Schulz: Hmmm… mehr gerechte Zeit? Zeit, mal gerecht zu sein? Gerechte Zeit fürs Sein? Jetzt haben’S mich sauber aus dem Konzept gebracht. Unfair, was Sie da machen. Ganz bewusst platzieren wir so wenig Inhalte wie möglich, beschränken uns auf hohle, inhaltsleere Phrasen – und jetzt… mit Ihrer dummen Nachfragerei, verwürsel ich sogar die…
Weidel: Verwürseln?
Schulz: Eierkopp!!
Moderator: Ruhig bleiben, die Damen und Herren. Frau Weidel, wie stehen Sie denn zur Homoehe?
Die AfD und überprogressive Emanzen
Weidel: Also wir als AfD und ich als Lesbe…
Seehofer: Wie bitte?
Weidel: Tja, Horstl. Links hast Du mit dem Cem einen neben Dir hocken, der statt bayerischem Erbgut nur Umlaute und Konsonanten im Namen trägt – und jetzt setzen’S da links auch noch so eine überprogressive Emanze wie mich hin. Du hast’s auch nicht leicht…
Seehofer: Progressiv?
Moderator: Horstl, Du hast jetzt Sendepause. Aber Frau Weidel, das würd‘ mich jetzt schon interessieren: Als AfD sehen Sie sich doch eher als rechtskonservativ, als Behüter abendländischer Werte, als aktiver Kämpfer für die Bewahrung eines traditionelles Familienbildes. Wie passen Sie da als lesbische Spitzenkandidatin der Partei ins Bild?
Weidel: Wir haben da eine sehr einfache Lösung parat: Indem wir parteipolitische Konsistenz und Fragen der Sinnhaftigkeit einfach aus der Debatte streichen, umgehen wir solche Widersprüche meiner Meinung nach enorm geschickt. Armut und Steuerentlastung für Reiche, Sicherheitsproblem und Burkaverbot. Wer ‚A‘ sagt, muss nicht ‚B‘, sondern ‚bschieben‘ sagen – so lautet unsere Devise.
Schulz zückt seinen Notizblock, kritzelt kurz etwas hinein, nickt selbstzufrieden und lehnt sich mit Schulz’schem Siegerlächeln zurück in den Sessel.
Die Grünen und der Kampf gegen den Kräutertee
Moderator: Das verstehe wer will…. Nächster Punkt: Renten. Herr Schulz, wie wollen sie dieses Thema mit der SPD angehen?
Schulz: Zeit. Gerechtigkeit. Mehr. Reihenfolge und grammatikalisch sinnvolle Füllwörter bitte in Eigenregie gestalten.
Moderator: Ein Wahnsinn…
Lindner: Also, wir als FDP, haben da ein geniales Rezept entwickelt: Wir entlasten Konzerne, indem wir die betriebliche Rente komplett streichen. Private Vorsorge ist der Schlüssel zum Altersglück. Somit entlasten wir die Konzerne. Wenn jeder nur noch auf sich selber schaut, geht’s am Ende auch jeden besser. Ganz einfach. Und somit entlasten wir auch die Konzerne.
Wagenknecht: Schwachsinn, das Kollektiv ist entscheidend! Konzerne höher besteuern, mehr Sozialabgaben, bessere Renten, Sonnenschein für alle! Revolution!
Moderator: Herr Özdemir, ignorieren sie bitte das stalinistische Hintergrundrauschen – wie sehen Sie das mit der Altersvorsorge?
Özdemir: Sehr entspannt.
Moderator: Tiefkühl-Cannabis für schlechte Zeiten?
Özdemir: In der Tat. Das einzige, was mir in meiner Altersvorsorge deshalb noch einen Strich durch die Rechnung machen kann, ist der Klimawandel. Wenn die Temperaturen weiterhin so rasant ansteigen, wird mein Tiefkühl-Cannabis zum Kräutertee. Deshalb engagier ich mich auch bei den Grünen.
Moderator: Interessant.
Weidel: Unsere Renten wären gesichert, würden nicht Horden von Schmarotzern in unsere Sozialsysteme wandern, ohne je einen Cent dafür bezahlt zu haben…
Seehofer zückt seinen Notizblock, kritzelt kurz, nickt selbstzufrieden, flappert in Seehofer’scher Manier mit der Oberlippe, lauscht dem steten Rammeln der Karnickel und lehnt sich mit leicht erregter Miene wieder zurück in den Sessel.
Seehofer: „Ich mag die Chinesen“
Lindner: …völlig falsch, Frau Weidel! Das sind Ressourcen, wertvolle Ressourcen, Humanressourcen nennt man das in meinem Jargon. Nicht falsch verstehen, nicht ‚human‘ im Sinne von menschlich – im Sinne von ‚Ressourcen‘ halt. Arbeitsressourcen, die in unser Land kommen, um sich in den ehrvollen Dienst deutscher Unternehmen zu stellen und dabei auch noch freiwillig auf ein menschenwürdiges Gehalt verzichten. Wenn das kein Grund zur Freude ist…! Es lebe der Wohlstand, es lebe das Wachstum!
Wagenknecht (errötet leicht, die Nasenhaare beginnen bei jedem einzelnen Atemzug leicht zu flattern; sie murmelt irgendwas von Gulag und FPD – und fährt dann mit leicht verkrampfter Miene fort): Imperialistische Expansionsbestrebungen deutscher Unternehmen sind es, welche Menschen weltweit in die Flucht treiben…
Moderator: Ist ja gut, ist ja gut… Herr Seehofer, wie stehen sie dem zum Thema Migration?
Seehofer: Ich mag die Chinesen.
Moderator: Geht’s unter Umständen eine Spur konkreter?
Seehofer: Naja, die kommen, knipsen ein, zwei, acht, vierzehntausend Fotos, kaufen ein nettes Souvenir und verschwinden wieder. So stell ich mir Migration vor. Kommen, rumschauen, weiterfahren. Alles andere gefährdet doch die abendländische Kultur…
Wagenknecht: Ich Seehofer was, was Du nicht siehst, und das ist der Untergang des Abendlandes…
Seehofer: Du dreckade Stalinfunsn…!!
Frau Kanzlerin, was halten Sie von der Debatte?
Moderator: Horstl, jetzt reicht’s – noch einmal so eine Ausdrucksweise und Du bringst das nächste Mal einen Kuchen mit!
Seehofer: Ich und backen? Genau des mein ich! Kaum ist die Homoehe abgesegnet, geht’s schon los. Des ganze gesellschaftliche Rollenbild – der Mann oben, die Frau unten, in jeder Lebens- und Liebeslage. So schön hat sich das alles etabliert. Und jetzt, mit den ganzen linksfaschistischen Gutmenschen, soll ich auf einmal in der Küche stehen und Teig verrühren. Des ist da Anfang vom Ende, des sag‘ ich Euch…
Moderator: Du Cem, könntest Du dem Horst vielleicht mal was zustecken…? Das würd‘ uns allen gut tun.
Özdemir: Meine Tiefkühlkost lässt sich auch prima zum Backen verwenden. Vielleicht können der Horst und ich ja gemeinsam was zubereiten…
Seehofer: Soweit kommt’s noch…
Moderator: Apropos Emotionen: Frau Kanzlerin, was halten Sie von der Debatte?
Merkel atmet ein. Und atmet aus. Nach einer mittellangen Kunstpause bündelt sie sämtliche im Raum umherschwebenden Chakra-Energien in einem aus beiden Händen geformten, energetischen Dreieck auf Höhe des Bauchnabels. Alle Beteiligten am Tisch lehnen sich mit dem Oberkörper leicht nach vorne. Selbst die Karnickel unterbrechen ihr Liebesspiel für einen kurzen Moment. Seehofers Oberlippe flappert. Schulz‘ Magengrube würselt. Weidel weiß nach wie vor nicht, was ‚würseln‘ bedeutet. Wagenknechts Stirn pulsiert. Lindner ist auch da. Und Özdemir – Özdemir ist entspannt. Dann, nach einem Moment, der schier unendlich lange zu dauern scheint, saugt Merkel noch ein letztes Mal etwas Rachel’sche Atemluft in ihren Wunderkörper, blickt auf und spricht mit prophetengleicher Stimme: Nächstes Jahr wird wahrscheinlich wieder anders als dieses Jahr.
Moderator: Ein Paukenschlag! Was für ein Finish! Meine Damen und Herren, ohne jetzt vorzeitig Spannung aus der Debatte nehmen zu wollen – diese Wahl ist somit wohl entschieden. Kaum vorstellbar, dass die amtierende Kaiserin – Verzeihung, Kanzlerin – nach diesem Auftritt noch vom Thron gestoßen werden kann. Ich bedanke mich fürs Dabei sein und freue mich schon, wenn es auch in vier Jahren wieder heißt: Wer steht Angela Merkel als Vizekanzler zur Seite? Bis dahin: Immer fest schimpfen, noch stärker aufregen, stetig beschweren, dass sich doch eh nie was ändert und weiter fleißig das Kreuzchen bei der immerselben Partei setzen. Pfiadeich und auf Wiederschaun!
Satirische Realsatire, kredenzt von Johannes Greß