Niemand wird ihre Notwendigkeit bestreiten, aber genauso wenig lässt sich leugnen: Die Energiewende ist noch nicht geschafft, ist irgendwo stecken geblieben und scheint nach dem weiteren Weg zu suchen. Die Gründe hierfür sind zahlreich, die Lösungen nicht immer nachvollziehbar, dazu kommen verschiedene Interessengruppen. Der einzige Trost – es ist immer noch Bewegung in dem wichtigen Projekt.
Der Status Quo: Ein Für und Wider
Die Bayerische Landesregierung ist von ihrem Beitrag zur Energiewende nach wie vor überzeugt. Sie „kommt gut voran“ im Freistaat, heißt es im Bayerischen Energieprogramm. Der Umbau der Energieversorgung sei in den letzten Jahren – Gültigkeit hat das Energiekonzept seit 2011 – entscheidend vorangetrieben worden. Ähnlich positiv fällt die Zwischenbilanz auch für den Bereich Energieeffizienz in Haushalten und Betrieben aus. Im bundesweiten Vergleich steht Bayern einmal mehr gut da.
Längst kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Denn so gut die Zahlen auch klingen mögen – 40 Prozent Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Bruttostromversorgung, dazu ein deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegender Anteil am Endenergieverbrauch –, es bestehen noch genug Baustellen, die auf ihre Vollendung warten.
Die allerdings ist in manchen Fällen schon fraglich zu nennen: Der Ausbau der Windkraft stockt – gleiches gilt für die Fertigstellung der großen, deutschlandweiten Stromtrassen und auch bei den Gaskraftwerken, die nach der Abschaltung der Atomkraftwerke das Stromnetz im Notfall stabilisieren sollen, besteht Nachbesserungsbedarf. Dazu wird über mögliche Reformen bei Strompreisen und Subventionen für Ökostrom diskutiert.
Reformen und Neuerungen I: Mehr Gerechtigkeit im EEG?
Obwohl die Energiewende in den Augen der Verbraucher abstrakt wirken mag, ohne direkten persönlichen Bezug gibt es diesen sehr wohl – spätestens bei den Strompreisen nämlich. Hier macht sich die Förderung der Erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage bemerkbar. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das bereits seit fast 20 Jahren in Kraft ist, dient seit seiner Einführung dazu, die bundesweite Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten, sprich: Anlagen, mit denen Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Geothermie oder Biomasse gewonnen wird, verstärkt zu fördern.
Diese Förderung wird allerdings nicht aus der Staatskasse finanziert, sondern über besagte EEG-Umlage, die an die Stromnetzbetreiber fließt. Warum ist das so? Weil diese durch das EEG dazu verpflichtet sind, den produzierten Ökostrom aufzukaufen (Vergütungszahlung an die Anlagenbetreiber). Weil die Netzbetreiber beim Weiterverkauf an den Strombörsen nicht denselben Preis erzielen können, erhalten sie die Differenz aus der EEG-Umlage.
Das führt zu der paradoxen Situation, dass eine verstärkte gesetzliche Förderung erneuerbarer Energien – und infolgedessen ein Mehr an Ökostrom – eine erhöhte EEG-Umlage nach sich zieht. Die wiederum wird aus dem Strompreis abgeleitet, also von den Verbrauchern gezahlt. Durch den kontinuierlichen Anstieg der Umlage in den vergangenen Jahren ist allerdings deutlich geworden, dass die Belastung für die Verbraucher durchaus unterschiedlich ausfällt: Klimaretter.info führt in diesem Zusammenhang Zahlen des Institut der deutschen Wirtschaft IW an, die aufzeigen, wie die EEG-Umlage in der Hauptsache zu Lasten einkommensschwacher Haushalte und kleinerer Wirtschafts- und Industriebetriebe geht.
Vor den Bundestagswahlen ist das Thema Strompreise und EEG-Umlage wieder heftig diskutiert, wobei prinzipiell eine konsensfähige Meinung zu bestehen scheint. In ihrer derzeitigen Form gehört die Umlage gründlich reformiert, dafür macht sich etwa die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner genauso stark wie der SPD-Energiepolitiker Johann Saathoff. Bei den Lösungswegen mag noch Verhandlungsbedarf bestehen, die Problemlage ist allerdings deutlich. Denn obwohl die Unterstützung für die erneuerbaren Energien weiter zurückgefahren wird – immerhin sollen sie auch ohne Hilfestellung marktfähig werden –, gilt das für die Höhe der EEG-Umlage nach wie vor nicht. Was sich konkret ändern wird oder ob es überhaupt einschneidende Neuerungen geben wird, ist derzeit noch ungewiss.
Neuerungen und Reformen II: Das Mieterstromgesetz
An anderer Stelle hat es bereits Veränderungen im Sinne der Energiewende gegeben. Das Mieterstromgesetz hat erst kürzlich (am 7. Juli 2017) mit dem Bundesrat die letzte Hürde vor seinem Inkrafttreten genommen, offiziell gültig wird es wohl in den nächsten Wochen. Tatsächlich beinhaltet das neue Gesetz auch Änderungen im EEG, denn zusätzlich zur bisherigen Einspeisevergütung besteht demnächst für bestimmte Anlagen – genauer gesagt neu errichtete Solaranlagen mit einer Leistung von bis zu 100 kW – ebenfalls ein Zahlungsanspruch auf den Mieterstromzuschlag.
Das ist insofern ein interessanter Ansatz, weil die Verbraucher selbst so noch einmal stärker in die Energiewende einbezogen werden: Wer Solarstrom vom eigenen Hausdach bezieht und direkt im selben Haus verbraucht, wird dabei unterstützt. Ein wichtiger Anreiz für den Ausbau innerstädtisch genutzter Sonnenenergie und zugleich eine Möglichkeit, die Versorgung ohne größeren Netzausbau zu sichern. Daran gekoppelt ist möglicherweise auch die Hoffnung auf eine Sensibilisierung für den privaten Energieverbrauch: Wenn der Strom sozusagen aus eigener Herstellung stammt, steigt womöglich das Bewusstsein dafür, wie viel davon letztendlich verbraucht wird.
An einer Stelle jedoch bleibt das EEG auch vom Mieterstromgesetz unangetastet – die volle EEG-Umlage wird auch für Mieterstromlieferungen gelten.
Wind, Gas und ihr Beitrag zur bayerischen Energiewende
Bislang bleibt der weitere Weg der Energiewende in vielen Aspekten also ungewiss, selbst von gesetzliche Reformen bereits durchgeführt oder zumindest geplant sind. Dabei sind neue Lösungen dringlicher denn je, wie etwa der Blick auf die Entwicklung der bayerischen Windkraft zeigt. Zugegeben, ein optischer Zugewinn mögen die Windräder für die Landschaft nicht unbedingt sein, für die Energiewende sind sie allerdings ein überaus wichtiges Element.
- Staatsregierung nimmt Abstand von Windkraft
Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass es gerade von gesetzlicher Seite im wahrsten Sinne des Wortes Gegenwind gibt. Dazu trägt seit einigen Jahren unter anderem die 10H-Regelung bei. Während es bei der (städtischen) Versorgung mit Solarenergie gar nicht nah genug sein kann, müssen Windräder gebührenden Abstand zu Wohnsiedlungen halten – nämlich das Zehnfache ihrer Bauhöhe. Das läuft dann schnell einmal auf zwei Kilometer hinaus. Zum Vergleich, der bundesweit erforderliche Mindestabstand liegt bei 600 Metern.
Dass dem Ausbau der Windenergie in Bayern damit die Grenzen aufgezeigt werden, ist kein Geheimnis. Zu den Abstandsregelungen zum Schutz der Menschen kommen nämlich als weiteres Hindernis – dessen Wichtigkeit nicht zur Debatte steht wohlgemerkt – schützenswerte Tierpopulationen hinzu. Die Bayerische Landesregierung bewertet den Zubau von Windkraftanlagen zwar positiv, nicht zuletzt wegen der bislang höchsten Zahl ans Netz angeschlossener Anlagen (insgesamt 50 neue Windräder) zwischen Januar und März dieses Jahres.
- Rückläufiger Ausbau trotz vorhandenem Potenzial
Geteilt wird diese Sichtweise allerdings längst nicht von allen, ein Blick auf die genauen Umstände zeigt, warum: Von den 50 Windrädern wurden 48 beantragt, bevor die 10H-Regelung in Kraft trat. Seitdem ist die Zahl der Antragstellungen stark rückläufig. Raimund Kamm, Landesvorsitzender des Bundesverbands Wind-Energie BWE, spricht in der Bayerischen Staatszeitung von 43 Anträgen im Jahr 2016, denen noch 150 im Jahr 2014 gegenüberstehen – alle aus dem ersten Quartal.
Dabei ist das Potenzial durchaus vorhanden, selbst wenn es bei der Wasserkraft und Sonnenenergie deutlich höher liegt. Der technische Fortschritt macht es möglich, auch die vorwiegend leichten Winde in Bayern effektiv zu nutzen. So geschehen etwa im niederbayerischen Wiesenfelden, wo in den Thurn-und-Taxis-Wäldern nun die zwei höchsten Windräder Bayerns stehen. 217 Meter insgesamt, mit einer Leistung von 3,45 Megawatt. Allerdings waren diese Anlagen auch nur möglich, weil das Waldgebiet gewissermaßen auf natürlichem Weg die Einhaltung der 10H-Regelung gewährleistet.
- Notwendige Netzstabilisierung – aber wie?
Angesichts der näher rückenden Verabschiedung von der Atomkraft, so sollte man meinen, dass den erneuerbaren Energien nicht nur im übertragenen Sinne mehr Platz eingeräumt wird. Überhaupt stellt der Atomausstieg eine Herausforderung für die Netzstabilität dar: Alleine reichen die Erneuerbaren nicht aus, um den Wegfall der Atommeiler abzufangen, die geplanten Stromtrassen werden bis zum fraglichen Zeitpunkt nicht fertig sein und ursprünglich war im bayerischen Energieprogramm auch nicht vorgesehen, Versorgungslücken mit externen Stromlieferungen zu füllen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Wind- und Sonnenenergie eine zusätzliche Herausforderung bedeuten. Solange diese Anlagen nicht mit entsprechenden Langzeitspeichern verbunden werden, ist ihre Stromproduktion weiterhin von natürlichen Schwankungen geprägt. Als Lösung für eine gesicherte Netzstabilität sind deswegen auch weiterhin konventionelle Kraftwerke gefragt, allen voran Gaskraftwerke.
Unabhängig von den jüngsten Diskussionen mit der Bundesnetzagentur über den tatsächlichen Umfang der notwendigen Leistung, ist generell fraglich, ob Gaskraftwerke in Bayern eine Zukunft haben. Sie gelten als unrentabel, neue Investitionen dürften daher kaum zu erwarten sein. Die weitere Gestaltung des Stromnetzes und der Fortgang der Energiewende bleiben daher – positiv formuliert – spannend.