Passau/Bonn. Mehr als 77.000 Unterschriften haben Brigitte Artmann (Initiatorin der Online-Petiton „Stoppt Temelin – gefährliche Schweißnähte untersuchen“), die Passauer Kreisrätin Halo Seibold , Gregor Hackmack von Change.org sowie Nuklearexperte Jan Haverkamp von Nuclear Transparency Watch am Donnerstag vergangener Woche in Bonn an Thomas Elsner, Leiter der Abteilung für Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, übergeben. Die Abordnung hat damit ein klares Zeichen an die Verantwortlichen dies- und jenseits der Grenze gesandt, dass sie und alle weiteren Petitionsunterzeichner eine Überprüfung des umstrittenen tschechischen Kernkraftwerks Temelin als dringend notwendig erachten. Im Fokus stehen die Schweißnähte am Kühlsystem von Reaktor I, die gefährliche Mängel aufweisen sollen und drohen, dem Druck im Reaktor auf Dauer nicht standzuhalten.
Greenpeace zufolge sollen die Probleme seit siebzehn Jahren öffentlich bekannt sein – damals habe ein Schweißer über Unregelmäßigkeiten beim Bau der Anlage berichtet, wie der WDR informiert. „Die Bundesregierung sei untätig gewesen, obwohl Deutschland aufgrund von Abkommen das Recht habe, die Anlage zu überprüfen“, heißt es dort weiter.
Thomas Elsner habe gegenüber dem WDR mitgeteilt, „dass das Thema Schweißnähte in der deutsch-tschechischen Nuklearkommission besprochen worden sei“. Vor zwei Jahren habe es in Prag dazu Fachgespräche gegeben, bei denen deutsche Experten einen Einblick in die Unterlagen erhalten hätten. Demnach gebe es keine belastbaren Hinweise, die an der Sicherheit des Atomkraftwerks zweifeln, so Elsner. Letztverantwortlich für die Sicherheit sei zudem die tschechische Atomaufsicht und nicht das Bundesumweltminiterium. Dennoch werde man die Petition danach überprüfen, ob sich neue Hinweise für das Ministerium ergeben, kündigte Elsner an.
Landrat Gruber fordert Schutz vor Gefahren Temelins ein
Die Landräte aus dem oberfränkischen Landkreis Wunsiedel (Dr. Karl Döhler) im Fichtelgebirge sowie dem niederbayerischen Landkreis Passau (Franz Meyer) hatten sich bereits an das Bundesumweltministerium gewandt und auf Untersuchungen gedrängt, wie Brigitte Artmann von der in Marktredwitz heimischen Bürgerinitiative „Stoppt Temelin“ jüngst mitteilte (da Hog’n berichtete). Neben Regens Landrat Michael Adam („Selbstverständlich unterstütze ich vollumfänglich die Forderungen meines Passauer Amtskollegen“) fordert auch sein Freyung-Grafenauer Kollege Sebastian Gruber klare Verhältnisse, was den Sicherheitsstatus des tschechischen Kernkraftwerks anbelangt. „Auch ich verfolge das Thema Temelin generell mit großer Aufmerksamkeit“, teilt Gruber auf Hog’n-Anfrage mit. „Aufgrund der Grenznähe unseres Landkreises haben Sicherheitsfragen für uns eine besondere Bedeutung. Das gilt selbstredend auch im Hinblick auf die aktuelle Problematik.“
Gruber wolle – wie seine Amtskollegen Döhler und Meyer – „hier natürlich tätig werden“. Es handle sich seiner Ansicht nach zwar um eine zwischenstaatliche Angelegenheit, die letztlich nur auf der Ebene Berlin-Prag gelöst werden kann. „Diese Lösung werde ich aber bei Bundesumweltministerin Hendricks stellvertretend für die Landkreisbevölkerung mit Nachdruck einfordern“, gibt sich der FRG-Landrat entschlossen. „Um unsere Forderung zu unterstreichen, werde ich im Vorfeld hierzu noch den Schulterschluss mit den Fraktionen des Kreistags suchen. In Berlin soll wahrgenommen werden, dass die Region als Gesamtheit den Schutz vor den Gefahren Temelins einfordert.“
Etappensieg für Passauer Kreisrätin Halo Saibold
Landrat Franz Meyer unterstützt zudem den Wunsch von Kreisrätin Halo Saibold, eine landkreisübergreifende Katastrophenschutzübung durchzuführen, wie das Passauer Landratsamt jüngst verlautbarte.
Meyer habe sich deshalb umgehend an den dafür zuständigen Regierungspräsidenten Rainer Haselbeck gewandt. „Aufgrund der unmittelbaren Nähe des Landkreises Passau zum tschechischen Kernkraftwerk Temelin hat für die Bevölkerung ein effektiv funktionierender nuklearer Katastrophenschutz auf modernstem Standart hohe Priorität. Deshalb unterstütze ich dieses Anliegen ausdrücklich“, schreibt der Landrat an die Regierung von Niederbayern.
Er sei sich sicher, dass eine solche Übung auch bei den Akteuren und bei den Bürgern auf große Akzeptanz stoßen würde. Bevor jedoch die Übung in Angriff genommen werden könne, so heißt es von Seiten des Landratsamts, seien „die Planungen des Nuklearen Katastrophenschutzes auf Grundlage der neuen Richtlinien zu überarbeiten“. Dieser umfassende Prozess laufe noch auf Ebene der Regierung von Niederbayern.
Deutsche Bürger an Standortsuche für Atommüll beteiligen
Wie das Umweltministerium der Tschechischen Republik am verangenen Mittwoch bekanntgab, soll die Öffentlichkeit an der Erstellung eines Konzeptes zur Entsorgung radioaktiver Abfälle einbezogen werden. Bis zum 18. August könnten Bürger – auch aus Deutschland – im Rahmen einer grenzüberschreitenden strategischen Umweltprüfung Stellungnahmen und Eingaben einreichen, berichtet das tschechische Onlinemagazin „Powidl“ .
Das neue Entsorgungskonzept berücksichtige die zusätzlichen Abfälle aus dem Bau neuer Reaktorblöcke und der geplanten Laufzeitverlängerung bestehender Atomkraftwerke. Powidl zufolge ist das Konzept an aktuelle rechtliche und politische Festlegungen auf nationaler und internationaler Ebene angepasst. Konkret beinhaltet es die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle, die Inbetriebnahme eines tiefengeologischen Endlagers bis zum Jahr 2065, Ausführungen zur Entsorgung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle, die Zwischenlagerung, finanzielle Aspekte, Forschung und die Öffentlichkeitsbeteiligung. Deutsche Staatsbürger können die von der Tschechischen Republik übersandten Unterlagen auf den Internetseiten des Bundesumweltministeriums herunterladen.
da Hog’n
- Offizielle Pressemitteilung von Brigitte Artmann zur Unterschriftenübergabe
- AKW Temelin: Online-Petition zur Verhinderung einer Atomkatastrophe
- Alle weiteren Hog’n-Berichte zum Thema Temelin (einfach klicken)