Seit einiger Zeit schon ist die Zahl der Unternehmensgründungen in Bayern rückläufig, trotz Selbstbetitelung als „Innovationsstandort“. Im Jahr 2004 entstanden noch 70.000 neue Firmen, 2015 waren es nur 45.000 – darunter auffallend wenige Kleinstunternehmen und Start-ups. Der wichtigste Grund dafür sei ironischerweise eine zu starke Wirtschaft. Arbeitnehmer würden sich lieber eine Festanstellung aus dem aktuell großen Angebot suchen als sich am Experiment „Selbstständigkeit“ zu versuchen.
Verständlich, denn außer mit einigen offensichtlichen Vorzügen wartet ein Dasein als Selbstständiger auch mit zahlreichen Risiken und Stolperfallen auf. Dazu gehören etwa bürokratische Hürden oder eine schwer zu erreichende Sichtbarkeit am Markt, da dieser von Großunternehmen dominiert wird. Die Angst vorm Scheitern ist ein wesentlicher Faktor für die zurückhaltende Gründermentalität der Deutschen, wie 78,3 Prozent der Befragten auf der Developer Week 2016 bestätigten.
TV-Shows wie „Die Höhle des Löwen“ auf VOX demotivieren zusätzlich: Motzende Big Player zerreißen die innovativen Ideen idealistischer Entrepreneure mit Urteilen wie „Totaler Mist!“ in der Luft. Nicht umsonst wird vielerorts eine offene Kultur des Scheiterns gefordert, in der Niederlagen als Teil eines Lernprozesses angesehen werden. Schlimmer als zu scheitern ist letztlich, es gar nicht erst versucht zu haben. Was vielen Gründern aber nicht klar ist: Nicht immer kann man die strenge und vielleicht auch unfaire Behandlung durch einen potenziellen Investor für einen Misserfolg verantwortlich machen. Denn wenn man unbedacht, naiv oder gar unseriös auftritt, kann eine tolle Idee schon am Pitch scheitern.
Der Erstkontakt: Persönlich, gezielt und bündig
Entgegen der ersten Eingebung sollten Sie nicht nach dem Investor Ausschau halten, der womöglich am meisten zahlt. Wichtiger für eine nachhaltige Zusammenarbeit ist die inhaltliche Übereinstimmung. Wählen Sie potenzielle Geldgeber also kritisch aus und führen Sie einen Background-Check zu ihrem Hintergrund und ihrer Reputation durch. Sind Sie mit Ihrer Vorauswahl zufrieden, beginnt die Versendung der Beteiligungsanfragen.
Hierbei gelten ganz ähnliche Regeln wie bei der Bewerbung für einen neuen Job: Anstatt eine generische Massenmail (vielleicht sogar mit cc) an alle Kandidaten zu verschicken, sollten Sie individualisierte Nachrichten verfassen. Die Investoren kennen sich oftmals untereinander und bemerken sofort, wenn Sie es sich zu leicht machen. Die Mails müssen natürlich sprachlich einwandfrei formuliert sein, sonst wird sofort auf mangelnde Professionalität und eine nachlässige Arbeitsweise geschlossen. Ebenso sollten Sie eine seriöse Absenderadresse verwenden, die idealerweise den Namen Ihres Unternehmens enthält. Solch eine E-Mail-Adresse bekommen Sie zum Beispiel bei 1&1.
Fassen Sie sich außerdem kurz: Für das Anschreiben mit einer Kurzbeschreibung Ihrer Geschäftsidee und Argumenten, warum gerade dieser Investor zu Ihnen passt, sollten Sie nicht mehr als eine halbe Seite verwenden. Sparen Sie sich abgedroschene Floskeln und steigen Sie stattdessen mit einer starken Catchphrase ein. Weiterführende Informationen können Sie immer noch in einem mehrseitigen PDF-Dokument nennen, das Sie im Anhang beifügen. Wie schnell übrigens Investoren Ihr Urteil fällen, zeigt dieser Artikel.
Das Pitch-Gespräch: Selbstbewusst, durchdacht, realistisch
Nachdem Sie mit Ihrer Idee in Kurzform erfolgreich Interesse wecken konnten und nun eine Einladung in der Hand halten, gilt es nun zu beweisen, dass Ihr Businessplan Hand und Fuß hat. Dies bedeutet, dass Sie ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz demonstrieren müssen. Die Skalierbarkeit Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung legen Sie anhand von Fakten dar, vielleicht können Sie auch schon über erste Erfolge berichten oder einen Prototyp präsentieren. In jedem Fall sollten Sie mit Ihrem Thema bestens vertraut sein, damit Sie auf Nachfragen tiefgehend und detailliert antworten können.
Investor-Pitches sind letztlich immer eine Gratwanderung: Sie dürfen nicht zu dick auftragen, sollten aber auch nicht bedürftig erscheinen. Leicht gesagt, aber wie sieht sowas in der Praxis aus? Konkret ausgedrückt: Sie sollten durch souveränes Auftreten signalisieren, dass Sie nicht auf diesen einen Investor angewiesen sind. Gleichzeitig sollten Sie aber auch nicht vorgeben, noch ein Dutzend andere Interessenten in petto zu haben, wenn dies gar nicht der Fall ist. Setzen Sie Ihren Finanzbedarf nicht zu hoch an und seien Sie für Vorschläge Ihres Gegenübers offen. Indem sie realistische Erwartungen wecken, anstatt zu übertreiben, erschaffen Sie die Basis einer Gründer-Investor-Beziehung: Vertrauen.