Grainet. Kaspar Vogl ist für seine unaufgeregte, bedachte und souveräne Art bekannt. Dieser Charakterzug wird nicht nur im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n deutlich, sondern auch in seinem Arbeitsstil als Bürgermeister der Gemeinde Grainet. Ohne großes Tamtam hat er die Haidel-Kommune in den vergangenen 15 Jahren Schritt für Schritt solide weiterentwickelt – sinnbildlich für diesen Fortschritt sind derzeit die vielen Baumaßnahmen im Graineter Kessel. Dinge, die der 65-Jährige bis vor einiger Zeit „nebenbei“ vorantreiben musste, war der ehrenamtliche SPD-Bürgermeister doch hauptberuflich als Grundschulrektor in Haidmühle im Dienst. Diese Doppelbelastung ist nun vorbei: Kaspar Vogl ist Pensionist und ab sofort „Vollzeit-Bürgermeister“. Er hat sich einiges vorgenommen…
Herr Vogl: Haben Sie nach ihrer Pensionierung als Grundschullehrer nun mehr Zeit für die Gemeinde Grainet?
Freilich haben sich nach dem Ende meiner Dienstzeit als Lehrer gewisse Prioritäten verändert. Nun bin ich ausschließlich für die Gemeinde da – auch am Vormittag. Im Vergleich zu früher habe ich demnach mehr Zeit für diesen Themenbereich, kann mich mit Projekten besser und länger auseinandersetzen. Im Vergleich zur vorherigen Doppelbelastung ist es nun deutlich entspannter.
Vermissen Sie den Schuldienst?
Ja, doch. Die Schüler fehlen mir genauso wie das Kollegium – vor allem dann, wenn ich vom Rathaus aus die Buben und Mädchen unserer Grundschule sehe. Mit der Zeit dürfte sich das aber verflüchtigen.
Die Planungen mit dem Graineter Hof
Fährt man derzeit durch Grainet, wird an vielen Ecken der Kommune gebaut. Vor allem das Gerüst des neuen Bürger- und Gemeindezentrums, dem früheren „Graineter Hof“, ist auffällig. Wie schreiten die dortigen Maßnahmen voran?
Wir sind nicht ganz im Plan – was der derzeit überaus guten, allgemeinen wirtschaftlichen Lage geschuldet ist. Die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe sind voll, deshalb ist es schwieriger, diese kurzfristig zu engagieren. Hinzu kommt, dass sich bei einem Gebäude dieser Art bestimmte Abstimmungen mit den zuständigen Stellen als sehr anspruchsvoll gesalten. Darüber hinaus gibt es Zuschussgeber – das Amt für ländliche Entwicklung und das KIP-Programm -, die regelmäßig informiert werden müssen.
Insgesamt sprechen wir von Gesamtkosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro – 835.000 Euro werden dabei durch die beiden Fördertöpfe abgedeckt. Im Erdgeschoss soll das ursprüngliche Wirtshaus erhalten bleiben. Diese Fläche kann künftig von den örtlichen Vereinen genutzt werden. Und wer weiß, vielleicht brauchen wir irgendwann ja einmal ein Pächter. Im ersten Stock wird die Gemeindeverwaltung ihre neue Heimat finden. Im obersten Stockwerk entsteht ein Versammlungsraum.
Und was geschieht mit dem bisherigen Rathaus?
Das Haus, in dem wir uns gerade befinden, wird künftig die benachbarte Schule nutzen. Hier werden die Bibliothek und die Nachmittagsbetreuung untergebracht. Somit ist eine nachhaltige Nutzung des Gebäudes gesichert.
Die besondere Art der Infrastruktur
Und man entledigt sich auf diese Weise eines Sorgenkindes, zu dem der „Graineter Hof“ in den vergangenen Jahren mutierte.
In früheren Zeiten hat es durchaus gute Pächter gegeben, die jedoch – aus unterschiedlichen Gründen – wieder aufgehört haben. Natürlich waren auch einige Mieter dabei, bei denen das Konzept einfach nicht funktioniert hat – so ehrlich muss man sein. Manche Konzepte gehen auf, manche eben nicht.
Apropos Bauen: Im Ortsteil Kurzsäge, auf der sogenannten „Erlwies“, ist kürzlich ein neues Wohngebiet ausgewiesen worden. Ist die Nachfrage nach Baugrundstücken in der Gemeinde Grainet aktuell besonders hoch?
Ja, es gibt einige Interessenten. Junge Familien haben angefragt, ob und wo Wohngrundstücke zur Verfügung stehen. Heute sind potenzielle Eigenheimbesitzer nicht mehr so ortsgebunden wie früher – entscheidend ist einzig und allein die Lage. Und nachdem für die Erlwies eine Einzelanfrage eingegangen war, haben wir uns dazu entschlossen, nachdem der Erwerbe möglich wurde, das gesamte Areal umzuwidmen. Die Gemeinde hat die Fläche gekauft, erschlossen und bietet sie nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens als Baugrund an.
Nach welchen Kriterien sucht eine Kommune diejenigen Grundstücke aus, auf denen gebaut werden darf?
Natürlich muss die Lage ansprechend sein. Denn nur so gibt es überhaupt Interessenten. Es muss aber auch geprüft werden, ob eine entsprechende Genehmigung machbar ist und welche Kosten für die Erschließung entstehen. Sind all diese Kriterien erfüllt, steht einem neuen Wohngebiet nichts mehr im Wege.
Wie verhält es sich generell mit der Bevölkerungsentwicklung in Grainet?
Stabil. Wir bewegen uns immer im Bereich zwischen 2.400 und 2.600 Einwohnern. Das liegt daran, dass unsere Bürger sehr fleißig sind, was den Nachwuchs angeht – zudem entschließen sich immer wieder Leute von auswärts nach Grainet zu ziehen. Der Kindergarten ist gut belegt, die Schule nicht gefährdet – was will man mehr? Solche Einrichtungen gehören meiner Meinung nach inzwischen zur besonderen Art der Infrastruktur und sind deshalb Grundvoraussetzung für eine funktionierende Kommune.
Der Rückblick auf die vergangene Wiederwahl
…wenn das liebe Geld nicht wäre.
(lacht) …das stimmt schon. Unserer Gemeinde geht es aber relativ gut. Wir liegen mit 500 Euro unter dem bayernweiten Schnitt bei der Pro-Kopf-Verschuldung, der sich auf 660 Euro beläuft. Freilich sind mit gewissen Sparmaßnahmen große Anstrengungen verbunden. Doch diese haben sich sprichwörtlich ausgezahlt. Sorgen bereitet mir derzeit nur die stark angestiegene Kreisumlage. Wir haben 850.000 Euro Schlüsselzuweisung bekommen und zahlen knapp eine Million Euro an den Kreis – das ist durchaus anspruchsvoll (schmunzelt). Doch irgendwie kann ich das Landratsamt verstehen. Der Landkreis muss genauso seine Konsolidierung vorantreiben wie die Kommunen. Insofern sind Gemeinden und Landkreis eine Art Solidargemeinschaft – jeder profitiert von jedem.
Seit mittlerweile 15 Jahren sind Sie nun als Bürgermeister der Gemeinde Grainet aktiv. Berichten zufolge ist noch offen, ob eine weitere Amtszeit folgen soll. Wie lautet der aktuelle Stand der Dinge?
Man weiß nie, was das Leben bereit hält… (lacht herzlich).
Im Vorfeld der vergangenen Wiederwahl ist es ja zu kleineren Scharmützeln bzw. Unstimmigkeiten mit dem CSU-Lager um Jürgen Schano, ihrem Stellvertreter im Amt, gekommen. Haben sich diese Wogen inzwischen wieder geglättet?
In Wahlkampfzeiten geschehen gewisse Dinge, über denen man stehen muss. Will jemand Bürgermeister werden, ist es nunmal so, die Schwächen des Gegenkandidaten genauso herauszuarbeiten wie die eigenen Stärken. Das ist Wahlkampf. Geplänkel, das nun der Vergangenheit angehört.
Ist es trotzdem schwierig, gewisse Aussagen nicht persönlich zu nehmen?
Diese Gefahr besteht durchaus. In einer kleinen Gemeinde wie Grainet, in der jeder jeden kennt, kann man manche Dinge nur schwer trennen. Das ist menschlich. Man muss aber auch klar und deutlich sagen: Das ist Politik. Hält man solche kleineren Konflikte nicht aus, soll man besser zu Hause bleiben.
Das bauliche Megaprojekt in Hobelsberg
Diskussionen hatte es auch rund um den Ausbau des Hüttenhofes in Hobelsberg gegeben.
Ja, das stimmt. Eine schwierige Situation für Verwaltung und Gemeinderat. Auf der einen Seite ein riesiges Projekt eines Unternehmers, das nicht alltäglich ist in einer Kommune dieser Größenordnung. Auf der anderen Seite die Einwände der Anwohner, die ich auch in gewissen Maße nachvollziehen kann. Die Gemeinde spielt dabei eine wichtige Rolle als Vermittler. Uns freut es, dass die Familie Paster so tüchtig anpackt. Uns ist aber auch jeder einzelne Bürger wichtig. Gleichzeitig ist dieses Projekt eine Premiere für mich: Erstmals war von rechtlicher, gesetzlicher Seite von vornherein alles geklärt – nur die Bürger hatten Sorgen. Meist ist es anders rum. Man lernt eben nie aus.
Wie heikel war denn diese Angelegenheit?
Wir hatten sowohl Vor-Ort-Termine mit den Anwohnern als auch Treffen hier im Rathaus. Wir haben alle Probleme ernst genommen und versucht, beiden Seiten die Schwierigkeiten und Einwände zu erklären.
Was waren die Hauptbedenken?
Zunächst einmal natürlich der Lärm, der vor allem während der Bauarbeiten seinen Höhepunkt erreicht. Viele Anwohner hatten auch Bedenken wegen der Privatsphäre. Durch die Größe des neuen Gebäudes fühlen sich einige beobachtet. Eine spannende Geschichte. Doch ich denke, wir haben das einigermaßen hinbekommen.
Wie profitiert denn nun der einzelne Graineter Bürger von einer solchen Mega-Investition wie dem Hüttenhof-Ausbau?
Es ist klar, dass die Unternehmerfamilie Paster nach Fertigstellung des Projekts künftig mehr Gewerbesteuern zahlt. Diese können wiederum in die Gemeinde investiert werden. Es ist ja nicht so, dass etwa eine Haidelloipe nur den Urlaubern zugute kommt – auch die Einheimischen können diese nutzen. Auch der Skilift läuft nicht nur für den Touristen. Beispiele, die belegen, was mit dem Topf geschieht, in den freilich nicht nur die Familie Paster einzahlt.
Die Zukunft in der Gemeinde Grainet
Provokant gefragt: Diktieren Unternehmen in der Größe eines Hüttenhofes ab und zu der Gemeinde schon mal, wie sie sich zu verhalten hat?
Nein. Jeder Unternehmen – genauso auch jeder Bürger – hat das Recht, einen Antrag zu stellen. Solche Anliegen werden dann im Gemeinderat besprochen und sachlich bewertet. In diesem Zusammenhang werden bei einer Großinvestition im gleichen Maße wie beim Bau eines Einfamilienhauses die Nachbarn befragt und die allgemeinen Rahmenbedingungen geprüft. Es gibt kein Diktat – wir entscheiden unabhängig.
Abschließend wagen wir noch einen kleinen Blick in die Zukunft: Was hat die Gemeinde Grainet in den nächsten Jahren vor?
Wichtig ist zunächst einmal der vorher bereits angesprochene Umbau des Graineter Hofes, im Herbst ist der Umzug geplant. Auch das Gewerbegebiet in Kurzsäge – alle Parzellen sind übrigens bereits verkauft – soll fertiggestellt werden. Den Breitband-Ausbau, das allumfassende Thema für alle Gemeinden, wollen wir darüber hinaus endlich zum Abschluss bringen. In diesem Bereich gibt es ja immer mehr Programme, die wir abarbeiten müssen. Eine Aufgabe, die uns noch längere Zeit beschäftigen wird.
Im Großen und Ganzen hören Sie sich sehr zufrieden an?
Ich bin es auch. Nicht nur, weil die aktuelle Situation sehr zufriedenstellend ist, sondern auch, weil das Miteinander in unserer Gemeinde vorbildlich ist. Alle Vereine sind gut aufgestellt, die gesellschaftliche Infrastruktur ist hervorragend. Hoffentlich bleibt es so.
Dafür wünschen wir Ihnen alles Gute. Vielen Dank für das Interview.
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer