Passau/Freyung. Der Passauer Kreistag zählt aktuell 70 Mitglieder. Eines der jüngsten ist Anton „Toni“ Schuberl von den Grünen, Jahrgang 1983. Der diplomierte Jurist arbeitet im Rechtsreferat der Universität Passau, ist verheiratet, Vater von vier Kindern und befindet sich gerade in Elternzeit. Der Tag des 34-Jährigen ist gut durchgetaktet, Familie und Beruf nehmen den gebürtigen Eginger meist voll in Beschlag. Zeit für die Kommunalpolitik findet er häufig erst dann, wenn die Kinder im Bett sind – also zwischen 22 und 1 Uhr nachts. „Dann schreibe ich Pressemitteilungen oder beantworte Emails“, sagt Toni Schuberl und lächelt. Zeit füs Schlafen: maximal sechs Stunden. „Das reicht – manchmal.“
Dass der blonde Passauer in seinem Heimatlandkreis trotz beruflich-familiärer Verpflichtungen durchaus politisch engagiert ist, hat er in jüngster Vergangenheit immer wieder bewiesen – mit teils scharfer Kritik an Landrat Franz Meyer und dessen „Flächenfraß“-Politik, der geplanten Nordtangente oder in Sachen Teerskandal. Seine Taktik: Die Schwächen des politischen Gegners ausfindig zu machen und dort nachzubohren, wo er Ungereimtheiten vermutet. Im Hog’n-Interview berichtet Toni Schuberl, wie er und die Grünen es schaffen, in der hiesigen Presse aufzufallen und Themenschwerpunkte zu setzen, wie schwierig es für ihn ist, sich als „Junger“ gegen „die Alten“ durchzusetzen und warum die Grünen ein politisches Nachwuchsproblem haben.
Herr Schuberl: Was war bei Ihnen zuerst vorhanden: Die Begeisterung für die Natur – oder die Politik?
(überlegt kurz) Zuerst war ich naturbegeistert. Einen gewissen Sinn für Politik hab ich aber auch bereits in meiner Kindheit mitbekommen – bei uns zu Hause ist darüber häufig gesprochen worden. Meine Eltern sind ebenfalls grünnah. Das Interesse für die Natur war also zuerst.
„Man muss wissen, dass man häufig gegen Windmühlen kämpft…“
Warum sind Sie schließlich bei den Grünen gelandet – und nicht etwa bei der ÖDP?
Ich will jetzt nichts Schlechtes über die ÖDP sagen, denn das, was sie machen, machen sie gut – und ich arbeite gut mit ihnen zusammen. Doch in der Politik geht’s nicht immer nur um den Inhalt, sondern auch um ein Gefühl, das einem sagt, wo man sich zugehörig fühlt. Bei denjenigen Themen, die über die Natur hinaus gehen, bin ich näher bei den Grünen. Die ÖDP ist auch landes- und bundespoltisch nicht so bedeutsam wie die Grünen-Partei, von der ein großer, weltweiter Boom in Sachen Erneuerbare Energien ausging. Die Grünen haben das alles angestoßen während ihrer Regierungsbeteiligung zwischen 1998 und 2005. Und das alles hat dazu geführt, dass heute die Umwelt-Dynamik entsprechend weit ist.
Das entspricht ja dann jenem klischeehaften Image der Grünen, dass sie zur politischen Avantgarde gehören, mit ihren Ideen zumeist fünf bis zehn Jahre den anderen Parteien voraus sind – und dann von jenen anderen Parteien, weil die gerade an der Regierung sind, umgesetzt werden…
Das macht es uns nicht ganz einfach, ja. Es gibt Studien, die untersucht haben, welche Parteien wie weit vorausschauen. Die Grünen waren auf Platz eins. Das ist wichtig für unser Land, doch macht es uns schwierig in der Politik und bei den Wahlen, weil die Gesellschaft zumeist noch nicht so weit ist. Wir haben bereits gesagt, dass unser Boden vernichtet und das Klima zerstört wird, als dies noch keiner wahrhaben wollte. Das Thema Flächenfraß glaubt uns jetzt auch noch keiner von denen, die gerade an der Macht sind. Doch irgendwann werden sie’s selbst einsehen…
Sind solche „Abläufe“ dann frustrierend für einen Kommunalpolitiker wie Sie?
Manchmal ja. Doch wenn’s mich dauerhaft frustrieren würde, dürfte ich nicht weitermachen. Ich weiß, dass wir keine Mehrheit haben. Ich weiß, dass wir im Landkreis und in Bayern so schnell keine Mehrheit bekommen werden. Das, was ich machen kann, ist, mit gewissen Themen in die Öffentlichkeit zu kommen, ein Bewusstsein zu schaffen – und gewisse Inhalte meinem politischen Gegner solange mitzuteilen, bis er’s vielleicht irgendwann einmal glaubt (lacht).
Ein Problem bei uns Grünen ist, dass junge Leute, die bei uns einsteigen, anfangs häufig sehr engagiert sind, ganz viel Kraft und Energie in die Sache stecken – und am Ende ganz schnell enttäuscht da stehen. Und dann abbrechen und nichts mehr tun. Mir ist es daher lieber, wenn sich jemand zurückhält und seine Kraft dosiert – und dafür dauerhaft dabei bleibt. Bei den Grünen muss man von Vornherein wissen, dass man häufig gegen Windmühlen kämpft…
„Die Grünen sind Oppositionsführer im Landkreis Passau“
Wird man vom politischen Gegner heute noch als „realitätsfern“ oder gar als „Spinner“ bezeichnet, wenn man bei den Grünen ist?
Mit Sicherheit – aber ins Gesicht hat mir persönlich das noch keiner gesagt. Auch wenn die Diskussionen im Kreistag oftmals hart sind und man oft das Gefühl hat, dass man nicht durchdringt und verstanden werden will, ist es dann aber doch nicht so, dass man beleidigt werden würde. Der Umgangston ist kollegial – doch es gibt eben verschiedene Ansichten. Und manchmal denke ich mir: Das kann doch nicht sein! Die Zahlen sprechen eindeutig für einen gewissen Sachverhalt – und trotzdem wiederholt dann der Gegner, dass es anders ist. Als hätte er’s nicht gehört…
Wie schwierig ist es für Sie als Grünen-Politiker in der lokalen Presselandschaft aufzufallen?
Als Landrat ist’s definitiv leichter aufzufallen. Er geht dorthin, wo eine Veranstaltung stattfindet – und kommt dann automatisch aufs Foto. Weil er eben der Landrat ist. Sein Job besteht ja zu einem gehörigen Teil darin, gewisse Veranstaltungen zu besuchen, gewisse Dinge einzuweihen usw. Da können wir Grünen nicht mithalten, das ist klar. Doch auch wir kommen relativ häufig in die Presse – natürlich müssen wir dann oftmals auch etwas überspitzen oder unsere Inhalte sehr stark auf den Punkt bringen, damit wir erscheinen. Das hat Methode, ganz klar. Doch direkt benachteiligt fühl ich mich persönlich nicht von der Presse. Andere Mitglieder aus bestimmten Orten erzählen mir hier andere Sachen.
Wie stark ist das politische Gewicht der Grünen im Landkreis Passau?
Sehr gering. Was wir können: Themen in den Fokus rücken, die zuvor nicht auf dem Schirm waren. Das ist unsere Stärke, die irgendwann Früchte tragen wird – doch erst in vielen Jahren. Beispiel: Flächenfraß. Den thematisiert niemand außer uns. Das Problem im Kreistag ist, dass eigentlich alle Parteien bis auf ÖDP und Grüne zur Regierung gezählt werden können. Ich habe es zum Beispiel im Verkehrsausschuss noch nicht erlebt, dass es bei kontroversen Themen ein anderes Stimmenverhältnis als 12:2 gegeben hätte. So gesehen könnte man sagen: Die Grünen sind sowas wie Oppositionsführer im Landkreis Passau.
Sie gehören einer noch relativ jungen Generation von Politikern an. Ist es schwierig für Sie, sich gegen „die Alten“ zu behaupten?
Bei den Grünen nicht. Häufig ist das sogar eine Art Bonus. Als junges Gesicht gilt man im Gegensatz zu jemandem, der schon länger dabei ist, automatisch als peppiger – unabhängig davon, was man sagt (lacht). Doch Spaß beiseite: Es geht darum, den Respekt vor dem anderen zu wahren, egal, wie man kämpft. Wer mit Dreck wirft, wird selbst dreckig. Was aber nicht heißt, dass man in der Sache nicht auch mal Klartext reden kann. Deswegen find ich es richtig, wenn etwa Grünen-Kreisvorsitzender Wildt dem Abgeordneten Taubeneder vorwirft, die Unwahrheit zu sagen. Wenn ein MdL öffentlich jemand anderen der Lüge bezichtigt und dabei selbst lügt, möchte ich nicht, dass sich diese Lüge rentiert. Eine Lüge von jemandem, der wie Taubeneder ein öffentliches Amt bekleidet, darf sich nicht rentieren – was er privat macht, ist seine Sache.
Ein großer Teil meiner Arbeit ist es, Zahlen zu recherchieren – im Grunde das, was Journalisten machen müssten. Doch in unserem Bereich ist die Presse nicht sonderlich vielfältig. Und macht sich auch nicht immer die Arbeit – oder will sich auch nicht immer mit jemandem anlegen…
„Bei uns wird keiner Mitglied, weil er Bauaufträge erwartet“
Wie steht es um den politischen Nachwuchs der Grünen in der Region?
Nicht sonderlich gut. Wir haben ein generelles Mitgliederproblem. Zu wenig Man- und Womenpower. Wir haben landkreisweit gerade einmal ein paar Dutzend Leute bei der Partei. Es wäre mehr Potenzial da. Doch man schließt eine Mitgliedschaft bei einer Partei, die keine Volkspartei ist, nicht so leicht ab – weil man sich bindet bzw. sich gebunden fühlt. Ich habe mich noch nie gebunden gefühlt, nur weil ich Grünen-Mitglied bin. Wenn mir etwas nicht passt, dann sag ich das – und spreche das auch intern an.
Das Marktschreierische, um neue Mitglieder zu werben, können wir bei den Grünen irgendwie nicht. Ich weiß nicht, ob’s generell an der Partei liegt oder an den aktiven Personen. Wir tun uns hart damit, an einem Stand die Leute anzusprechen und sie davon zu überzeugen, grün zu wählen. Da ist oftmals eine Art falsche Bescheidenheit mit dabei. Doch wir machen andererseits immer deutlich wofür wir stehen – und wer uns wählen will, der wählt uns. Darüber sind wir froh. Wir sagen aber nicht: Werde Mitglied bei uns! Oder: Wähle uns, weil… Bei uns wird halt auch keiner Mitglied, weil er Bauaufträge erwartet… (lacht)
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer