Spiegelau/Frauenau. Gerade als Kommune darf man die Zukunft nicht einfach so auf sich zukommen lassen. Es gilt vielmehr, das Künftige bereits jetzt im Auge zu haben, etwaige Trends frühzeitig zu erkennen und bestmöglich für sich zu nutzen. Seitdem Karlheinz Roth vor drei Jahren zum Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau gewählt worden ist, versucht er nach dieser Maxime zu arbeiten. „Die Digitalisierung zum Beispiel schreitet immer mehr voran. Diesen Zug dürfen wir nicht verpassen.“ Deshalb hat sich der CSU-Politiker gemeinsam mit seinem Frauenauer Amtskollegen Herbert Schreiner für das Projekt „Digitales Dorf“ beworben – eine landkreisüberschreitende Zweierbeziehung, die letztlich auch den Zuschlag bekommen hat. Mit insgesamt 200.000 Euro unterstützt der Freistaat Bayern mindestens in den kommenden zwei Jahren die Digitalisierung in beiden Ortschaften.

Sowohl Frauenau (Bild) als auch Spiegelau werden im Rahmen des Projekts „Digitales Dorf“ in den kommenden zwei Jahren mit insgesamt 200.000 Euro bezuschusst.
Wie bei vielen anderen Förderungen auch, sei es zunächst schwierig, das „Digitale Dorf“ (bis vor Kurzem auch als „eDorf“ bezeichnet) kurz und bündig zu erklären, wie Karlheinz Roth zugibt. In den vergangenen Wochen und Monaten habe er sich jedoch gemeinsam mit Herbert Schreiner intensiv mit diesem Thema beschäftigt, sodass im Rahmen der Bewerbung ein 90-seitiges Konzept entstanden sei, das die Jury am Ende überzeugt hatte. „Vor allem die Vernetzung der einzelnen Bereiche hat die Verantwortlichen begeistert“, ist sich Roth sicher. Gleichzeitig sei es ein unschätzbarer Vorteil gewesen, dass viele regionale Firmen ihre Unterstützung bereits in der Planungsphase zugesichert hätten. „Nun liegt es an uns, wir können als Modellkommune Impulsgeber werden. Dies bringt nicht nur einige Neuerungen für unsere Bürger mit sich, sondern ist auch eine tolle Imagewerbung für unsere Region.“
Die Pläne: „Ganzheitliches Medizinnetz“ und „Dorfshuttle“
Demnächst werden aber nicht die Bagger in Spiegelau und Frauenau anrollen und wunderbar neue Digital-Technik installieren. Vielmehr finden die Veränderungen, die nicht weniger wert sind, als ein imposanter Neubau, eher im Hintergrund statt – in den Telefonleitungen, auf den Tablets und Laptops, im Word Wide Web. Vor allem in drei Bereichen bereiten sich die beiden Kommunen laut Spiegelaus Bürgermeister auf die digitale Zukunft vor:
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Keine Bagger, keine Baustellen: Die Veränderungen durch das Projekt „Digitales Dorf“ werden in Spiegelau nicht offensichtlich sein.
Gesundheit: In Spiegelau und Frauenau soll ein „ganzheitliches Medizinnetz“ entstehen. „Darunter versteht man einen 24-Stunden-Ansprechpartner, der jederzeit mit medizinischen Fragen konfrontiert werden kann“, erklärt Roth. So könne man ärztliche Angelegenheiten jederzeit bequem von zu Hause aus regeln. Sowohl der Dorfdoktor vor Ort als auch Spezial-Kliniken stünden dann bereit, um bei Krankheiten oder kleineren Unfällen, die nicht stationär behandelt werden müssen, zu helfen. Natürlich würden die Anliegen der Bürger koordiniert und die Fragen in Absprache mit den jeweiligen Fachstellen beantwortet.
- Mobilität: Hier kommt das sogenannte „Dorfshuttle“ ins Spiel. Gerade in Flächenkommunen wie Spiegelau mit 33 Ortsteilen und nur einem Ortskern mit diversen Geschäften, ist Roth zufolge ein ausgefeiltes ÖPNV-Konzept besonders wichtig. Doch gerade im ländlichen Raum sei man angesicht vieler Leerfahrten auf alternative Konzepte angewiesen. „Wir planen einen Rufbus mit Routenoptimierung“, blickt Roth in die Zukunft. Wird irgendwo ein Transportmittel benötigt, kann es per Telefon oder gar per App bestellt werden. Die Buslinien sind dabei nicht fest vorgegeben, sondern passen sich der Nachfrage an. „Es ist auch denkbar, dass über dieses System Angehörige von Pflegebedürftigen benachrichtigt werden, sobald derjenige beim Doktor eingetroffen ist.“
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Die Förderung ist bewilligt. Darüber freuen sich (v.l.) Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth, Prof. Drs. Diane Ahrens von der TH Deggendorf, Staatsminister Helmut Brunner und Frauenaus Bürgermeister Herbert Schreiner. Foto: Roth
Digitales Rathaus: Jüngst hat die Gemeinde Spiegelau das so genannte Bürgerservice-Portal online gestellt. Unliebsame Amtsgänge könnten so künftig per Handy, Tablet oder Laptop erledigt werden. „Das soll erst der Anfang sein“, zeigt sich Roth zuversichtlich. „Hier gibt es noch viel Nachholbedarf.“ So soll die Vernetzung zwischen den Kommunen und mit dem Landratsamt weiter vorangetrieben werden, sodass künftig beispielsweise Bauthemen und Kfz-Zulassungen von zu Hause aus bearbeitet werden können.
„Das Geld ist gar nicht so wichtig“
Abläufe, die in der freien Wirtschaft längst Alltag sind. Dies bestätigt auch Spiegelaus Rathaus-Chef: „Das oftmals verstaubte Image der Gemeindeverwaltungen muss weg. Wir können das Rad nicht neu erfinden, das ist klar. Aber wir müssen künftig die Möglichkeiten der virtuellen Welt besser nutzen.“ Und deshalb ist auch die Bevölkerung aufgefordert, ihre Ideen einzubringen: Die Bürgerbeteiligung ist im ausgearbeiteten Konzept fest verankert. „Ein Feuerwehrkommandant ist beispielsweise auf mich zukommen. Er schlägt vor, dass die Alarmierung zu Einsätzen künftig über Push-Nachrichten erfolgt. Eine super Idee.“ Angesichts einer möglicherweise ellenlangen Wunschliste erscheinen die 200.000 Euro Fördermittel relativ gering. Karlheinz Roth geht aber davon aus, dass es sich dabei nur um ein gewisses Startkapital handelt. „Das Geld ist gar nicht so wichtig. Viel wichtiger sind die Ideen und Partner, die man durch dieses Projekt mit ins Boot holt.“

In Spiegelau ist die Glasproduktion längst eingestellt, in Frauenau schließt das Werk in absehbarer Zeit.
„Alles kann, nichts muss“ – unter diesem Motto werden die Ortschaften Frauenau und Spiegelau also in absehbarer Zeit zu digitalen Dörfern umgestaltet. Die einzelnen Themenfelder teilen sich die beiden Kommunen dabei je nach Bedarf auf, sodass jeder seinen Nutzen hat. Eine willkommene „Entschädigung“ für die einstmals blühenden Glasgemeinden – in Spiegelau ist die Glas-Produktion längst verschwunden, im Frauenauer Nachtmannwerk ist es wohl demnächst soweit. Karlheinz Roth betont jedoch, dass man trotz aller Neuerungen die Vergangenheit nicht vergessen dürfe. „Die Geschichte ist unsere Basis, auf die wir aufbauen können.“ Und eine große Chance sei dabei das Projekt „Digitales Dorf“. Frauenaus Bürgermeister Herbert Schreiner fügt hinzu: „Es geht nicht darum, was sich Spiegelau oder Frauenau davon erwartet, sondern es geht darum, dass wir als Einheit ein Digitales Dorf werden, das Pilotcharakter für ganz Bayern haben soll.“
Helmut Weigerstorfer