Hinterschmiding-Kohlstatt. Drei Männer, drei Muskelpakete. Breite Schultern, vor Kraft strotzende Arme. Baumhohe Jungs. Johannes (22) und Michael (23) sowie deren Vater Michael sen. (49) verkörpern das Berufsbild des Metzgers wohl wie kein zweiter. Drei echte Lehrbuch-Metzger. Angesichts ihres imposanten Äußeren ist man beim ersten Blick geneigt, auf furchteinflößende, grobschlächtige Charaktere zu schließen, denen man nachts nur ungern alleine begegnen möchte. Doch wie so oft: Der Schein trügt. Bei den drei Fastnern aus Kohlstatt in der Gemeinde Hinterschmiding scheint die Floskel „harte Schale, weicher Kern“ maßgeschneidert zu sein. Denn hat man sie erst einmal näher kennengelernt, entpuppen sich die „Behm Koarein“, wie sie in der Gegend genannt werden, schnell als angenehme Gesprächspartner mit viel Sinn für Humor und waidlerischer Bodenständigkeit. Ein Porträt über eine schrecklich nette Familie.
Die Verwurzelung mit der Region bei gleichzeitiger Offenheit trifft dabei nicht nur auf den männlichen Part der Fastners zu – auch die dreiteilige Frauen-Abordnung steht den Herren in nichts nach. Amelie (20), Diana (45) und Agnes (67) kommen freilich nicht so breitschultrig daher wie die drei Muskelpakete. Augenscheinlich ist jedoch das freundliche Auftreten – das „Megade“, wie man im Volksmund sagt – eine durchschlagende Charaktereigenschaft in der Familie. Im Umkreis von Freyung gibt es nur wenige, die die „Behm Koarein“ nicht kennen. Das liegt aber nicht nur an ihren handwerklichen Fähigkeiten. Nein. Um das „Faszinosum“ der Kohlstätter, das sie bei den Einheimischen nicht nur auf kulinarische Art genießen, erklären zu können, bedarf es mehr als nur einer kurzen Beschreibung. Vielmehr muss das Gesamtpaket betrachtet und verstanden werden.
Ein wichtiger Aspekt ist ohne Zweifel die hauseigene Metzgerei, ein klassischer Familienbetrieb, der über mehrere Generationen hinweg gewachsen ist. Bereits Karl, der Großvater von Michael sen., ist diesem Handwerk nachgegangen. Als Vertriebener ließ sich der gebürtige Böhmerwäldler nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Hinterschmiding nieder. Der Karl aus Böhmen – frei übersetzt ins Bairische: „da Behm-Koarei“ – wurde ein Bayerwäldler. Und geboren war der Spitzname, der den Fastners bis heute geblieben ist. „Ja, das ist tatsächlich so. Viele kennen uns wirklich nur unter diesem Namen“, erklärt Michael Fastner jun. und unterstreicht dies mit einem breiten Grinsen. Auch in Stressmomenten, die in der Metzgerei bzw. im Wirtshaus in Kohlstatt nicht selten sind, schwingt bei den Fastners immer ein gewisser Hauch von Gelassenheit und Humor mit.
Vom oberbayerischen Exil zurück in die niederbayerische Heimat
Seit den 70er Jahren, nachdem Uropa Karl das Wirtshaus in Kohlstatt gekauft hatte, kommen die Bewohner der Gemeinde Hinterschmiding gerne und oft nach Kohlstatt. Damals war die direkt neben dem Haus vorbeiführende B12 noch ein kleines Sträßchen – inzwischen ist sie eine der Hauptverkehrsadern zwischen Passau und dem bayerisch-tschechischen Grenzgebiet. Auto um Auto, Lastzug um Lastzug, donnert im Halbminutentakt am Heim der Fastners vorbei. Mit nahezu stoischer Ruhe nehmen diese den Lärm hin, längst haben sie sich daran gewöhnt. Während jene topographischen Gegebenheiten indirekt zum Bekanntheitsgrad und zum wirtschaftlichen Erfolg der Fastners beitragen, gibt es jedoch auch Dinge, mit denen sie aktiv Werbung machen.
Dazu gehört vor allem die eigene handwerkliche Leistung im Metzger-Fach. War das „Wuaschdn“ bis zu Michael sen. nur ein Nebenerwerb der Familie, gehen inzwischen alle Behm-Koahrein dieser Beschäftigung nach. Nachdem Uropa Karl aus gesundheitlichen Gründen das Wirtshaus nicht mehr betreiben konnte, kehrten der inzwischen verstorbene Opa Karl und Papa Michael aus Oberbayern zurück in die niederbayerische Heimat. Die Metzgerei wurde ausgebaut, die Privatwohnung umgebaut, das Wirtshaus renoviert. Der endgültige Startschuss für den Betrieb in Kohlstatt, der sich stets weiterentwickelt und vergrößert hat. Geblieben ist jedoch ein gewisser Berufsethos, der heute alles andere als alltäglich ist.
Traditionelles Metzger-Handwerk, wie man es kennt
„I mog Viecha. Metzger, die nicht tierlieb sind, sind Schinder“, spricht Michael jun. den inoffiziellen Leitsatz der Familie aus. Seit jeher sind die Fastner-Metzger bemüht, auf die richtige Fleisch-Qualität und das Wohl des Schlachtviehs zu achten. Zwei Dinge, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern im Optimalfall bedingen – davon ist der 23-Jährige überzeugt. Tiere, die zusammengepfercht quer durch Bayern transportiert und in irgendeiner Schlachtfabrik getötet werden, sind großem Stress ausgesetzt, der seiner Meinung nach nicht tragbar ist. Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern eben gerade auch hinsichtlich der Qualität des Fleisches. Deshalb ist es den Fastners besonders wichtig, zu wissen, wo die Rinder und Schweine, die sie verarbeiten, geboren und aufgewachsen sind. Altbekannte Bauern aus dem Umkreis zählen schon seit Ewigkeiten zu ihren Kunden, denn dort ist eine artgerechte Unterbringung und Fütterung gewährleistet.
Geschlachtet werden die Tiere ausschließlich auf dem Gelände der Metzgerei in Kohlstatt. „Die Viecha kommen mit einem Lachen zu uns“, sagt Michael Fastner und grinst. Durch die regionale Aufzucht, die kurzen Transportwege und die artgerechte Tötung könne ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Lebewesen garantiert werden. Vegetarier werde diese Argumentation nicht überzeugen, der Otto-Normalverzehrer jedoch lege in Zeiten industrieller Fleisch- und Wurstproduktion vermehrt Wert auf diese nachweisbare „Produktionslinie“, wie der Metzgermeister erklärt. „Wir verkaufen nur, was wir selber produzieren. Bei uns werden auch keine Antibiotika oder Emulgatoren verwendet“, verspricht der Junior, der angesichts ekelregender Bilder aus Schlachthöfen, die immer wieder mal in den Medien auftauchen, nur den Kopf schütteln kann.
Generationenkonflikte bleiben weitestgehend aus
Negativbeispiele wie diese würden einen dunklen Schatten auf das Metzger-Handwerk werfen. Doch hier müsse eine deutliche Linie zwischen der industriellen Fertigung, die der junge Meister mit der Autoproduktion am Fließband vergleicht, und dem traditionellen „Wuaschdn“, das in vielen kleineren Orts-Metzgereien noch praktiziert wird, gezogen werden. Gerade Familienbetriebe könnten sich einen Gammelfleischskandal keinesfalls erlauben. „Größere Betriebe setzen auf Profit. Wir jedoch verarbeiten geringere Mengen, die mehr Qualität, aber gleichzeitig auch einen höheren Preis haben.“ Worte, die nicht aufgesetzt klingen. Keine Floskeln, sondern Gedanken, die im Brustton der Überzeugung ausgesprochen werden.
Das war nicht immer so. Während Vater Michael und Bruder Johannes von Geburt dem Metzgerwesen nahestehen, machte der 23-jährige Michael jun. zunächst eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Erst später – er wollte gemeinsam mit der Familie arbeiten und sich etwas aufbauen – entschied er sich um und sprang doch noch auf den Wurst-Zug auf. Und während die drei Meister Leberkäse, Salami und Geselchtes herstellen, kümmern sich Mama Diana und Oma Agnes um den Verkauf im eigenen Laden sowie die Verköstigung der Wirtshaus-Gäste. Nur Tochter Amelie ist nicht im Betrieb beschäftigt – sie wird Physiotherapeutin. „Sie kümmert sich um meine Schulter, wenn sie weh tut“, erklärt Michael jun. die Rolle seiner Schwester mit einem Augenzwinkern. Zu Differenzen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern komme es so gut wie nie. „Der Grund dafür ist, dass jeder sein Spezialgebiet hat. Und da redet ihm auch kein anderer drein.“
Opel und Zündapps – sonst nix
Dass er in seinem Beruf körperlich hart arbeiten und schon sehr früh am Morgen das gemütliche Bett verlassen muss, stört den jungen Mann nicht weiter. „Ja, das stimmt schon. Wir müssen jeden Tag ordentlich hinlagen. Aber so spare ich mir wenigstens das Fitnessstudio“, sagt er und lacht. „Ein großer Vorteil ist, dass wir immer auf Tischhöhe arbeiten können. Ein Maurer zum Beispiel kann das nicht, der muss sich oft bücken.“ Dem Metzgermeister ist durchaus bewusst, dass nicht jeder seinen Job ausüben möchte. Er jedoch hat seinen Traumberuf – nach dem kleinen Kfz-Umweg – gefunden, den er bis zu seinem Renteneintritt ausüben möchte. Eine Aussage, die viele junge Leute schnell mal so dahin sagen. Aufgrund der familiären „Vorbelastung“ nimmt man Michael Fastner seine Worte jedoch ab.
Die Familie eint aber nicht nur derselbe Beruf, sondern auch dasselbe Hobby – Fahrzeuge aller Art. Neben einem Opel („einfach die beste Marke“) zählt auch eine Zündapp zu den beliebtesten Fortbewegungsmitteln der Fastners. Hinzu kommen einige Oldtimer und Lkws. „Jedes Familienmitglied hat bei uns zwei Autos“, berichtet Michael Fastner jun. „Warum? Mei, das ist bei uns schon immer so.“ Bleibt etwas Zeit, trifft man sich in der Halle auf der anderen Seite der B12. Dort wird dann geschraubt und lackiert, gehämmert und gebogen. Selbstredend, dass zum Beispiel das Elefantentreffen in Solla jedes Jahr im Kalender dick angestrichen ist. Vor einiger Zeit haben sich im Wirtshaus auch die „Zündapp-Freunde Haizhaisan-Koistod“ gegründet. Einziges Manko bei diesem Hobby: „Ich würde mit den Gefährten lieber fahren. Aber die sind immer kaputt, deshalb muss ich immer nur schrauben“, sagt Michael Fastner jun.
Ein Hobby mit geschäftlichem Hintergrund
Die Fahrzeuge sind jedoch nicht nur Jux und Tollerei, sie haben auch einen Sinn: Mit dem Partyservice und ihrem Hendlwagen sind die Fastners häufig auf Festen in der Region unterwegs. Da ist es dann natürlich von Vorteil, möglichst viele „Zugmaschinen“ und „Teller-Transporter“ zu haben. Doch egal, ob motorisierte Untersätze oder Aufschnitt, ob Motorenöl oder Gulaschsuppe, Staucherfett oder Streichwurst – den „Mythos Behm Koarei“ muss man am besten selbst einmal in irgendeiner Form erlebt haben, um wirklich mitreden zu können. Denn die drei Männer und zwei Frauen sind weit mehr als nur eine gewöhnliche Metzgerfamilie…
Helmut Weigerstorfer