Prag/Nové Údolí/Haidmühle. Seit vergangenem Wochenende ist es möglich, in gut vier Stunden vom Grenzübergang Haidmühle/Nové Údolí mit dem Expresszug nach Prag zu fahren. Erfreuliches Ereignis mit großem Manko: Der Zug endet quasi im europäischen Nirgendwo – zumindest was den Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr auf deutscher Seite betrifft. Es gibt (immer noch) keinen regelmäßig verkehrenden Busverkehr von der Grenze Richtung Haidmühle.
Vergangenen Freitag fuhr der Expresszug nach Prag zum allerersten Mal – die Jungfernfahrt stieß auf großes Interesse. Mit dabei waren Schulklassen, Politiker, tschechische Kamerateams und auch Vertreter der Ilztalbahn. Die Bahnfreunde aus Freyung-Grafenau und Passau freuen sich, dass die tschechische Bahn den Zugverkehr Richtung Bayerischer Wald derart verstärkt und so eine attraktive Verbindung Richtung tschechischer Hauptstadt anbietet. Sowohl Einheimische als auch Urlauber würden davon profitieren, sind sich die ITB-Vertreter sicher.
Die tschechische Bahn feierte diese Jungfernfahrt gebührend: Eine österreichisch-tschechische Musikgruppe unterhielt die Fahrgäste, Bahnmitarbeiter servierten Häppchen und Getränke, in einem Abteil durften Kinder malen und spielen und konnten sich bunte Gesichter schminken lassen. An der Stimmung im Zug war zu erkennen, dass viele Menschen stolz auf das Ereignis waren.
Die günstigere und attraktiviere Alternative zur Straße
Momentan verkehrt der Zug zwar nur am Wochenende, ab 12. Juni ist er (bis Mitte September) jedoch täglich unterwegs. Der Expresszug startet um 8.02 Uhr in Prag, fährt über Budweis, Krumau und Horní Planá nach Nové Údolí, wo er um 12.16 Uhr eintrifft. Um 12.35 Uhr beginnt er dann seine Rückreise Richtung Prag, wo er um 16.57 Uhr ankommt (nähere Infos zum Fahrplan sind im Internet unter www.idos.cz zu finden). Die Fahrt kostet laut Preisauskunft nicht mehr als 272 Kronen – umgerechnet also rund zehn Euro.
Mit dem Auto ist man zwar von Haidmühle aus schneller in Prag – in etwa drei Stunden. Doch zu bedenken gilt, dass man neben den Benzinkosten allein für die Autobahnen und Schnellstraßen Mautgebühren in Höhe von umgerechnet etwa 11,50 Euro anfallen – ein Umstand, der den Expresszug noch attraktiver macht. Und die Jungfernfahrt ließ vermuten, dass dieses Angebot auch künftig angenommen wird.
Das große Problem auf bayerischer Seite jedoch: Es gibt keinen Busanschluss ab der Grenze. Ein Zug verkehrt dort ohnehin schon lange nicht mehr. Zum Bahnhof in Nové Údolí kommt man nur zu Fuß oder mit dem Auto, wobei der Parkplatz ebenfalls mehrere hundert Meter vom Bahnsteig entfernt liegt. Die Ilztalbahner engagieren sich gerade dafür, diese Situation zu ändern. Sie arbeiten daran, die Buslinie 6122, die von Passau nach Haidmühle reicht, bis zur Grenze zu verlängern. Bisher endet sie jedoch im Ort – gut eineinhalb Kilometer entfernt vom Grenzübergang.
Geplanter Lückenschluss mit vielen Fragezeichen
Die Finanzierung des Busverkehrs hinunter zur Grenze wäre geklärt, bisher hat die RBO jedoch noch nicht einmal ein Angebot für die Strecke abgegeben, erzählt Professor Thomas Schempf von der Ilztalbahn gegenüber dem Hog’n. Das Unternehmen hätte zahlreiche Argumente vorgebracht, die gegen eine regelmäßige Verbindung von Haidmühle hinunter zum Grenzübergang sprächen. „Es ist interessant, wie kreativ Leute sind, wenn es darum geht, zu begründen, warum etwas nicht geht“, verdeutlicht Schempf – und erklärt: Wenn die RBO nicht will, dann soll eben das örtliche Busunternehmen aus Haidmühle die Lücke zwischen Ortschaft und Grenzübergang schließen. Mit der Firma Riedl ist sich der Ilztalbahn-Verein soweit einig. Auf jeden Fall soll es in den Sommermonaten Juli und August eine tägliche Busverbindung geben. Thomas Schempf verspricht: „Wenn das Budget reicht, starten wir schon Mitte Juni.“
Das Haidmühler Busunternehmen bietet bereits am Wochenende Fahrten von der Grenze zur Ortsmitte an. So ist es möglich, von Nové Údolí lückenlos per Bus bis zur Ilztalbahn nach Waldkirchen zu gelangen. Der Haken: Diese Busverbindung gibt es nur an denjenigen Wochenenden, an denen die Ilztalbahn in Betrieb ist. In diesem Jahr startet der Zugverkehr zwischen Waldkirchen und Passau jedoch mit Verspätung: Nach einem Hangrutsch bei Patriching geht auf der Ilztalbahn-Strecke vorerst nichts mehr. Der Hangrutsch selbst könnte relativ schnell behoben werden, ist sich Thomas Schempf sicher. Allerdings müsste zunächst eine geologische Tiefenbohrung vorgenommen werden, um die Ursache zu klären. „Hoffentlich können wir dann an Pfingsten starten.“
Viele Probleme gibt es also in Sachen öffentlicher Nahverkehr noch ab der Grenze. So lange die nicht gelöst sind, endet der Expresszug aus Prag im Nirgendwo – ohne Anschlussmöglichkeiten hinein in die Ferienregion rund um den Dreisessel.
Der Traum von der Bahnverbindung Haidmühle-Waldkirchen
„Vielleicht fährt der Zug ja irgendwann weiter nach Passau“, sagte Haidmühles Bürgermeisterin Margot Fenzl bei der kleinen Begrüßungsfeier des ersten Expresszuges in Nové Údolí. Sie hofft darauf, dass die Strecke zwischen dem Grenzübergang bis hinaus nach Waldkirchen irgendwann wieder mit Gleisen bestückt wird und es somit grenzüberschreitenden Zugverkehr geben kann. „Träume soll man nicht aufgeben.“ Aber ist dieser Traum realistisch? Wie stehen die Chancen dafür, dass irgendwann wieder Gleise von der Grenze bei Haidmühle bis nach Waldkirchen verlegt werden?
Die Vertreter der Ilztalbahn haben diese Option durchaus im Blick. Allerdings denken sie Schritt für Schritt: Zunächst möchten sie auf der Ilztalbahn-Strecke Freyung-Waldkirchen-Passau wieder den regulären Bahnverkehr einführen. Momentan verkehrt die Ilztalbahn ja nur in den Sommermonaten am Wochenende. Um einen täglichen Regelbetrieb zu starten, bräuchte es die uneingeschränkte Unterstützung der gesamten Region für das Projekt – doch diesen Beistand gibt es derzeit nicht.
Um den regulären Bahnverkehr wieder einzuführen, wäre eine Potenzialanalyse über die zu erwartenden Fahrgäste nötig. Eine solche Analyse wird aber nur dann durchgeführt, wenn die betroffene Region dies einstimmig so möchte – dazu gehören der Landkreis Freyung-Grafenau sowie die Stadt und der Landkreis Passau. Letzterer hat die Potenzialanalyse abgelehnt. „Alle drei müssten aber zustimmen, auch wenn der Landkreis Passau weniger als zehn Prozent zur Strecke beitragen würde“, sagt Thomas Schempf.
Der Grund für die ablehnende Haltung des Landkreises Passau liege laut Schempf wohl darin, dass viele Angst hätten, der regelmäßige Zugverkehr könnte das bestehende Buskonzept gefährden bzw. durcheinander bringen. Beispielsweise gebe es zahlreiche Gerüchte, in welchen Orten die Schüler wohl kilometerweit zum Zug laufen müssten anstatt an der nächsten Bushaltestelle Richtung Schule zu starten. „Da wurden Emotionen geschürt, wurde Angst gemacht“, ist sich Schempf sicher – obwohl an diesem Leidg’schmatz überhaupt nichts dran sei.
Auch auf tschechischer Seite gibt es Probleme
Also keine Potenzialanalyse für einen Regelbetrieb auf der Bahnstrecke Freyung-Waldkirchen-Passau. Und damit in absehbarer Zeit auch keine Chance, regelmäßigen Bahnverkehr auf dieser Strecke einzuführen. So lange nicht einmal auf der noch mit Gleisen ausgestatteten Strecke Regelverkehr herrscht, ist es utopisch, davon zu träumen, dass auch von Waldkirchen bis nach Haidmühle wieder Gleise verlegt werden.
Schwierigkeiten auf deutscher Seite in Sachen Zugverkehr – und alles wunderbar in Tschechien? Leider auch nicht. Es gibt auf tschechischer Seite einen ziemlich offensichtlichen und ziemlich ernüchternden Grund für die Zugverbindung nach Prag, berichtet Michael Paul. Er ist bei der Ilztalbahn für die grenzüberschreitenden Kontakte zuständig und im Nachbarland bestens vernetzt. „Ab Mitte Dezember wird ein neuer Betreiber den Regionalverkehr ab Nové Údolí übernehmen“, weiß er. Für die Züge Richtung Krumau und Budweis ist dann also nicht mehr die tschechische Bahn CD zuständig, sondern ein privater Anbieter. Dieser habe die Strecke mit einem so niedrigen Angebot gewonnen, dass niemals so viele Züge eingesetzt werden könnten, wie momentan dort verkehren, ist Paul überzeugt.
So positiv sich die Zugverbindung von und nach Nové Údolí mit dem Expresszug nach Prag auch entwickelt hat, so negativ könnten sich die Regionalverbindungen nach Krumau, zum Moldaustausee und nach Budweis ab Ende dieses Jahres verändern…
Sabine Simon