Prag. „Dieser Film wurde sowohl aus historischer Perspektive als auch aus heutiger Sicht entwickelt“, berichtet Regisseurin Lenka Ovčáčková von ihrem neuesten Machwerk, das sich – wie schon ihr Vorgängerprojekt „Tiefe Kontraste“ – mit dem Thema „Grenze“ auseinandersetzt. Titel des 88-minütigen, deutsch-tschechisch-österreichischen Dokumentarfilms: „Im Einen Alles, im All nur Eines“. Die 39-Jährige Tschechin aus Bojkovice war dabei für Regie, Drehbuch, Kamera, Ton und Schnitt selbstverantwortlich. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n erzählt sie von der Motivation, diesen Film zu produzieren sowie dessen Inhalt. Sie gibt zudem eine Antwort auf die Frage, wer ihn sehen sollte und was sie durch ihn bewegen möchte.
„Im Einen Alles, im All nur Eines“ – worum geht es in Ihrem neuen Dokumentarfilm?
Der Name des Films, der auf einem Zitat aus einem Buch von Georg Franz August Buquoy beruht, soll sowohl dessen ganzheitliche Herangehensweise an das Leben spiegeln als auch meine Tendenz, die Natur und Kultur in ihren Manifestationen als Einheit, als Ganzes, als ineinander verwobene Vielfalt wahrzunehmen. Ebenso soll er mein Empfinden zeigen, diese Region vielschichtig in Bezug auf die geschichtlichen Ereignisse und auch in Bezug auf die Gegenwart zu betrachten.
„Meine ewige Tendenz, mich mit der Grenze zu beschäftigen“
Wie aufwendig war Ihr Film? Und: Was war die eigentliche Motivation, diesen Film zu machen?
An meinem neuen Film habe ich etwas mehr als eineinhalb Jahre gearbeitet – oft an Abenden und Wochenenden, weil ich gleichzeitig im Rahmen eines deutsch-tschechischen Projektes an der Karls-Universität Prag tätig war. Die Inspiration durch das Gedankengut von Georg Franz August Buquoy, der in Gratzen (Nové Hrady) gelebt hatte, geht jedoch noch weiter zurück: Nämlich bis zu der Zeit, als ich meine Dissertation über die naturwissenschaftlich-monistische Religion von Ernst Haeckel geschrieben habe und ich in einer wissenschaftlichen Publikation auf Buquoys Ideen gestoßen bin. Damals habe ich mir gesagt, es wäre schön, seine ganzheitlichen Gedanken in einem Film zu spiegeln. Hinzu kam die Faszination durch die Landschaft des Gratzener Berglandes, die einfach einzigartig und sehr beeindruckend ist, sowie meine ewige Tendenz, mich mit dem Thema der Grenze aus einer ganzheitlichen Sicht zu beschäftigen, um die grenzüberschreitenden Verbindungen suchen und finden zu können.
Trailer zum Dokumentarfilm „Im einen Alles, im All nur Eines“:
Wer sollte Ihren Film unbedingt sehen? Warum?
Mein Film ist eigentlich für alle geeignet. Das heißt: Nicht nur für Menschen, die im Gratzener Bergland oder in einem anderen Grenzgebiet leben. Im Film werden vielschichtige Lebenserfahrungen aufgezeigt, die für ein breites Publikum – sowohl junge als auch alte Menschen – interessant und lehrreich sind.
Gibt es auch Leute, die Ihren Film nicht anschauen sollten?
Ich denke, dass das Interesse an einer ganzheitlichen Wahrnehmung der grenzüberschreitenden Welten vielen Menschen eigen ist, weswegen ich keine Hindernisse für das Anschauen und Reflektieren meines Films sehe. Die philosophisch-poetische Note, die durch die Zitate von Georg Franz August Buquoy im Kontext mit den Filminhalten gegeben wird, kann diese Wahrnehmungen nur hervorheben.
„Über die verschiedenen Eigenschaften von Grenzen diskutieren“
Sie sagen, dass sich Ihr Film „auf die Spiegelung von erzählten Erinnerungen in Raum und Zeit in den Grenzlandschaften des Gratzener Berglandes bezieht“. Das klingt etwas kryptisch. Was heißt das denn genau?
Der Begriff ‚erzählte Erinnerung‘ bezieht sich auf die Erfahrungen der Menschen, mit denen ich Interviews gemacht habe. Diese Erinnerungen beziehen sich auf unterschiedliche Orte und Gegenden – Räume – im Gratzener Bergland und auf unterschiedliche Zeitabschnitte der Erinnerung und der Reflexion von Wahrnehmungen. Diese Erinnerungen beziehen sich nicht nur auf die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die Spiegelung der Zeitspanne während und unmittelbar nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus diesem Gebiet, sondern auch auf die Zeit des Kommunismus und vor allem auf die verschiedenen Aufbruchsstimmungen nach 1989 und deren Übergang in die aktuellen spannenden Initiativen, die wieder vielfältiges Leben in die Grenzregion bringen.
Was möchten Sie mit Ihrem Film bewegen?
Ich würde mich freuen, wenn viele engagierte junge und alte Menschen zu den Filmvorführungen kommen und mit mir über die verschiedenen Eigenschaften von Grenzen diskutieren.
Interview: Stephan Hörhammer
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Regisseurin Dr. Lenka Ovčáčková, geboren 1977, wuchs in Bojkovice (Weiße Karpaten) auf. Sie lebt in Wien und Prag. Fasziniert von Grenzlandschaften, drehte sie einfühlsame und poetische Filme u.a. über das sächsich-böhmich-polnische Grenzgebiet (Die verlorenen und wiedergefundene Landschaft, 2012) und über den Böhmerwald (Tiefe Kontraste, 2015). Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Philosophie und Geschichte der Naturwissenschaften der Kalrsluniversität Prag.
„Im Einen Alles – im All nur Eines“ feiert am Mittwoch, 19. April, Premiere im „Haus der nationalen Minderheiten“ in Prag. Weitere Aufführungen finden unter anderem in Budweis, Regensburg, Passau und Bayerisch Eisenstein statt. (–> Terminübersicht)
Der Trailer macht echt Lust auf mehr! Bitte gebt Bescheid, wenn er irgendwo gebracht wird!
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