Neureut/Aigenstadl. Nein – in Neureut vermutet man wahrlich kein weltweit agierendes Unternehmen. Zum beschaulichen Dörfchen in der Nähe von Freyung passen wohl eher – ohne den Bewohnern zu nahe treten zu wollen – Kühe, Bulldogs sowie im besten Fall kleinere Handwerksbetriebe. Doch wie so oft ist man vor Klischees nicht gefeit – und die Realität belehrt einen eines Besseren, denn: Global-Player wie Siemens, Daimler oder Disney haben regelmäßig mit Neureut zu tun. Verantwortlich dafür ist die Tauscher Transformatorenfabrik GmbH, die diese Weltkonzerne mit Transformatoren und induktiven Bauteilen beliefert. Was genau man darunter versteht, erklärt Geschäftsführer Heinz-Herbert Berger im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n. Der 59-Jährige spricht außerdem über die Charaktereigenschaften seiner insgesamt 80 Mitarbeiter, die in den drei Werken in Neureut, Aigenstadl sowie im tschechischen Blatna beschäftigt sind. Made in da Heimat!
Herr Berger, beschreiben Sie bitte kurz Ihren Betrieb.
Wir bauen seit 1977 Transformatoren und induktive Bauteile. Firmengründer war mein Schwiegervater, der vor 40 Jahren mit dem Betrieb in Grafenau begann. Später hat Leo Tauscher von der Stadt Freyung das ehemalige Schulgebäude in Aigenstadl gekauft und den Firmensitz dorthin verlegt. 1991 wurden meine Frau und ich zu den Geschäftsführern ernannt. Ein Meilenstein war der Kauf des früheren Möbelhauses in Neureut im Jahr 2007 und der anschließende Umbau der Halle. Mit unserer Niederlassung in Tschechien besitzen wir seitdem drei Standorte.
Wie ist es dazu gekommen, dass Ihr Unternehmen Transformatoren produziert?
Das war eher Zufall. Mein Schwiegervater hat bereits bei seiner vorherigen Tätigkeit Kontakt zu künftigen Kunden knüpfen können. Zunächst hatte er dann bei sich zu Hause in Grafenau damit angefangen, als Zulieferer Transformatoren herzustellen. Wie man heute sehen kann, war seine Arbeit von Erfolg gekrönt. Unser Betrieb hat sich blendend entwickelt.
„Sind auf dem Weltmarkt bekannt, spezielle Produkte zu fertigen“
Neben Transformatoren werden in Neureut auch sog. induktive Bauteile hergestellt. Was genau ist darunter zu verstehen?
Eine gute Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist (lacht). Bei induktiven Bauteilen handelt es sich um elektromagnetische Teile, die Strom und Spannung verändern oder das Verhältnis von Strom und Spannung in ein rechtes Verhältnis bringen. Verbaut sind solche Systeme in vielen elektrischen Konsumgütern, sogenannter weißer Ware. In diesem Bereich sind wir aber nicht aktiv – hier ist die Stückzahl zu hoch und der Verdienst zu gering. Unser Fokus liegt eher auf industriellen Anlagen und der Energieübertragung. Wir liefern beispielsweise Bauteile für Ladesäulen von E-Fahrzeugen – hier sorgen unsere Produkte dafür, dass die Energie aus dem Netz auf das Niveau gewandelt wird, das benötigt wird.
Welche bekannteren Kunden beliefern sie?
Airbus, Bundeswehr, Continental, Disney, Daimler, Siemens – um nur einige zu nennen.
Wie werden solche Global Player auf die kleine Firma im kleinen Neureut aufmerksam?
Wir haben uns über die vergangenen Jahre einen guten Ruf erarbeitet. Die reibungslose Abwicklung schwieriger Aufträge ist die beste Werbung. Wir sind auf dem Weltmarkt dafür bekannt, spezielle Produkte zu fertigen. Wir haben unsere Nische gefunden, in der wir keine sonderliche Konkurrenz haben. Gewissermaßen ist Neureut eine kleine Insel was Transformatoren betrifft.
Ist der beschauliche Bayerische Wald ein Standortvor- oder nachteil?
Es ist natürlich nicht sonderlich umweltfreundlich, dass wir schweres Material wie Kupfer, aus dem die Transformatoren bestehen, aus aller Welt nach Neureut transportieren lassen müssen. Auch nach der Veredelung in unserem Werk nehmen die Produkte erneut einen weiten Weg auf sich. Das wäre aber auch bei einem Standort in der Nähe von München oder Nürnberg so – insofern ist der Bayerische Wald kein Standortnachteil.
Die zweifelsohne wenig ausgebauten Straßen – wie die B12 direkt vor unserer Haustüre – stellen kein Problem dar. Die Speditionen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind fit. Denen ist es egal, ob sie Ware nach Neureut oder München liefern. Binnen eines Tages ist für diese Logistiker ein Versand innerhalb Europas Alltag – egal, ob Schweden, Belgien oder Serbien. Oftmals ist der Kunde auch bereit, teure und aufwendige Luftfracht zu bezahlen – nur, um möglichst schnell beliefert zu werden.
„Nicht selten arbeiten mehrere Familiengenerationen bei uns“
Also überwiegen die Vorteile eines Firmensitzes im Landkreis Freyung-Grafenau?
Ja. Hier sind die Grundstücks- und Lebenshaltungskosten geringer. Außerdem ist es noch so, dass sich die Mitarbeiter mit dem Betrieb identifizieren. Wir haben mehrere Angestellte, die bereits seit vielen Jahren bei uns beschäftigt sind. Durch ihre Erfahrung und ihr Engagement haben sie es geschafft, der Firma ihren persönlichen Stempel aufzudrücken. Im Gegensatz zu Unternehmen in Ballungszentren haben wir keine hohe Personalfluktuation, was ein enormer Vorteil ist. Unsere Mitarbeiter sind eingearbeitet, auf sie kann man sich verlassen.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es – wenn man den aktuellen Arbeitsmarkt beobachtet – praktisch unmöglich ist, neue Mitarbeiter und Auszubildende zu bekommen. Oder wie sehen Sie das?
Das ist eine Entwicklung, die mir in dert Tat Sorgen bereitet. Für dieses Problem gibt es so gut wie keine Lösung. Wir bilden in fünf Berufen aus und hatten diese auch ausgeschrieben, haben jedoch keine passenden Bewerbungen erhalten. Freilich versuchen wir, über Inserate Bewerber zu akquirieren oder auch in Schulen zu gehen, um uns vorzustellen. Neues Personal bekommen wir jedoch größtenteils über persönliche Empfehlungen unserer Belegschaft. Nicht selten ist es auch so, dass mehrere Familiengenerationen bei uns beschäftigt sind.
Durch unser breites Produkteprogramm für viele Bereiche der Industrie haben wir auch immer eine große Zahl unterschiedlicher Aufträge. Geht es einer Branche mal schlecht, gleichen dies Kundenaufträge in anderen Bereichen wieder aus. Bei Auftragsspitzen arbeiten unsere Teilzeitkräfte in Vollzeit. Eine weitere Möglichkeit ist ein Ausgleich durch unsere tschechische Niederlassung. Wir sind flexibel – ein unschätzbarer Vorteil.
Apropos Tschechien: Seit 1992 ist Tauscher auch im Nachbarland vertreten. Wie würden Sie unsere östlichen Nachbarn charakterisieren?
Der Grund, warum wir uns überhaupt dazu entschlossen hatten, in Tschechien ein Werk zu eröffnen, war die Wettbewerbssituation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Damals hat es in Deutschland noch Großserien gegeben, die wir produziert haben. Gleichbedeutend damit war jedoch ein enormer wirtschaftlicher Druck. Deshalb haben wir in Tschechien investiert, weil dort ein niedrigeres Preisniveau für Personal herrscht. So konnten wir billiger produzieren und somit im Wettbewerb bestehen. Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Inzwischen müssen wir, da unser Arbeitsmarkt nicht mehr viel hergibt, nach Osten schauen und dort Personal akquirieren.
„Man spürt noch die Nachwehen des Sozialismus“
Mit der Leistungsfähigkeit der tschechischen Arbeiter bin ich sehr zufrieden – fleißige Leute, die sehr bemüht sind. (überlegt) Sie sind aber auch sehr improvisationsfreudig. Mit einfachsten Mitteln können sie technische Probleme lösen – allerdings nicht den Sicherheitsstandards in Deutschland entsprechend (schmunzelt). Tschechien war für uns kein Projekt, um nach der Wende vielleicht Fördergelder abzuschöpfen. Wir sehen unser Engagement dort als nachhaltigen Schritt.
Sie sind also ein Experte was das deutsch-tschechische Miteinander betrifft. Wie hat sich dieses Verhältnis in den vergangenen Jahren entwickelt?
Für uns im Speziellen war es ein Glücksfall, dass wir auf die richtigen Leute getroffen sind. Von der Mentalität her passen beide Nationen hervorragend zusammen. Die Tschechen sind noch etwas behördengläubiger als wir Deutschen – auch wenn das nur schwer vorstellbar ist. In gewissen Bereichen spürt man noch die Nachwehen des Sozialismus. Insgesamt hat sich aber das Verhältnis sehr positiv entwickelt, was mich freut.
Rentiert es sich für ein Unternehmen wie Tauscher, die insgesamt 80 Mitarbeiter auf drei Standorte zu verteilen?
Gute Frage. Großer Vorteil bei drei Niederlassungen ist die Flexibilität. In Aigenstadl ist das Gebäude, die ehemalige Schule, fast unverkäuflich, weil es genau für unsere Zwecke umgebaut worden ist. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, einen Teil der Fertigung – auch nach unserem Umzug nach Neureut – dort zu belassen. Das hat auch mit einem gewissen Traditionsbewusstsein zu tun. Wir gönnen uns das – und können es uns auch leisten.
„Unser Geschäftsbereich boomt wegen innovativer Produkte“
Sie wirken durchaus zufrieden mit der Entwicklung Ihres Betriebs. Läuft es wirklich so gut?
Ohne überheblich wirken zu wollen, aber: Ja. Die Geschäfte laufen hervorragend. Wir haben unseren Platz auf dem Markt gefunden. Unsere Produkte haben Zukunft, es wurden in der Vergangenheit die richtigen Weichen gestellt. Ein wichtiger Schritt dabei: Wir haben uns von der industriellen Massenfertigung losgesagt und mehr hin zum Präzisionshandwerk für Sonderanfertigungen entwickelt. Ein großer Verdienst unserer Mitarbeiter, die super Arbeit geleistet haben. Wir sind auch in der glücklichen Lage, nicht von einem großen Abnehmer abhängig zu sein. Vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten ein unschätzbarer Vorteil.
Es geht also ohne Sorgen in die Zukunft?
Der Transformator ist immer wieder totgesagt worden. Doch genau das Gegenteil ist eingetreten. Dieser Geschäftsbereich boomt, weil innovative Produkte wie eben die E-Fahrzeuge auf den Markt gekommen sind. Auch viele Hochschulen nutzen im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten Teile aus unserem Haus. Kurz und knapp: Wir sind gut aufgestellt für die Zukunft.
Vielen Dank für das Interview. Alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer