Passau. Die Einbindung von Menschen mit geistiger, körperlicher oder psychischer Behinderung in unsere Gesellschaft hat an Bedeutung stark zugenommen. Das war nicht immer so. In diesem Bereich hat ein Wandel stattgefunden, ein „Paradigmenwechsel“, wie Claudia Kufner, stellv. Schulleiterin der Fachschulen für Heilerziehungspflege und -pflegehilfe gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n deutlich macht. Im Gespräch berichtet die 48-Jährige über die Ausbildung an ihrer Einrichtung, die unter dem Dach der bfz Passau stattfindet. Sie erklärt zudem, was ein Heilerziehungspfleger genau machen muss – und welche Eigenschaften er mitbringen soll. I mog wos wean!
Erklären Sie uns die Fachschulen Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe genauer. Was wird dort wie lange gelehrt?
Heilerziehungspfleger unterstützen, fördern, erziehen und pflegen Menschen mit besonderem Hilfebedarf. Sie arbeiten mit körperlich, geistig oder psychisch beeinträchtigten Menschen aller Altersgruppen. Heilerziehungspflegehelfer unterstützen die Heilerziehungspfleger in ihrer täglichen Arbeit. Die Ausbildungsdauer für den Heilerziehungspfleger dauert zwei Jahre in Vollzeit, für die Heilerziehungspflegehilfe dauert sie ein Jahr in Teilzeit. Zu den Unterrichtsschwerpunkten gehören folgende Bereiche: Pädagogik, Heilpädagogik und Psychologie, Medizin und Psychiatrie, Praxis der Heilerziehungspflege, Pflege im Allgemeinen sowie Lebenszeit- und Lebensraumgestaltung, sprich: Hauswirtschaft, Musik, Bewegung und Spiel.
Welche Voraussetzungen sind nötig, um die Schule besuchen zu dürfen?
Jeder, der sich für die Ausbildung zur Heilerziehungspflegehilfe interessiert, muss mindestens einen Mittelschulabschluss vorweisen können. Bei der Heilerziehungspflege ist mindestens ein mittlerer Schulabschluss, das heißt: Realschule, M 10, Wirtschaftsschule, Quabi oder Ähnliches, erforderlich.
„Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden“
In beiden Fällen wird zudem eine abgeschlossene, mindestens zweijährige einschlägige Berufsausbildung, etwa zum Sozialbetreuer oder Kinderpfleger, verlangt – oder eine mindestens zweijährige einschlägige Berufstätigkeit, z. B. zwei Jahre Vorpraktikum, Freiwilliges soziales Jahr oder Bundesfreiwilligendienst. Auch eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anderen staatlich-anerkannten Ausbildungsberuf sowie die Fachhoch- bzw. Hochschulreife in Kombination mit einer einjährigen Berufstätigkeit können zum Schulbesuch berechtigen. Ebenso eine mindestens vier Jahre dauernde Führung eines Mehrpersonenhaushalts.
Wie hat sich der Bereich der Heilerziehungspflege in den vergangenen Jahren entwickelt?
In den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren fand ein Paradigmenwechsel statt. In der Betreuung steht nicht mehr die Versorgung und Fürsorge in großen Einrichtungen im Vordergrund, sondern der einzelne Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen. Die Betreuung erfolgt z. B. in kleinen Einheiten, die modernen Wohngemeinschaften ähneln. Den Menschen mit Behinderung soll größtmögliche Selbstbestimmung ermöglicht werden. Das ist das Ziel jeder Unterstützung. Eine gute, personelle Ausstattung mit einer ausreichenden Anzahl an Fachkräften macht dies möglich.
Welche Fähigkeiten sollten potenzielle Heilerziehungspfleger mitbringen?
Neben den fachlichen Kompetenzen sind besonders persönliche Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein und Empathievermögen gefragt. Auch soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit sind von Bedeutung. Eine ganzheitliche Sicht auf die uns anvertrauten Personen ist dabei unabdingbar. Es geht darum, Beziehungen zu ihnen aufzubauen und sie bei ihren Lebensübergängen zu begleiten.
„Heilerziehungspflege: ein Beruf mit Zukunft – auch in der Region“
Wie wird sich dieser Beruf in den kommenden Jahren entwickeln?
Die Heilerziehungspflege ist ein Beruf mit Zukunft – auch in der Region. Fachkräfte in der Behindertenhilfe werden gesucht. Aufgrund ihrer breitgefächerten Ausbildung mit den beiden Schwerpunkten im sozialpädagogisch-erzieherischen Bereich und in der Pflege sind sie bestens ausgebildet, um den vielschichtigen Anforderungen, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie ältere Menschen mit Handicaps stellen, gerecht zu werden.
Mit dem Ausbau der Inklusion an Schulen und in Kindertagesstätten stieg und steigt der Bedarf an geeigneten Fachkräften. Arbeitsassistenz ist ein weiterer Bereich, der im Zuge der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt eine immer größere Rolle spielen wird. Auch eine zunehmende Zahl von psychisch beeinträchtigten Menschen bedarf der Unterstützung, um den persönlichen Alltag zu bewältigen. Nicht zuletzt bedarf es auch aufgrund steigender Zahlen von Menschen mit alters- oder suchtbedingter Demenz entsprechender Fachkräfte für deren Betreuung.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin alles Gute.
Interview: da Hog’n