Finsterau. Ukrainer, Kanadier und sogar ein Team aus der Mongolei – Wintersport-Athleten mit Behinderung aus aller Herren Länder werden Mitte Februar (10. bis 19.) nach Finsterau kommen und den Grenzort in der Gemeinde Mauth in ein Wettkampf-Eldorado verwandeln. Anlass dafür sind die „World Para Nordic Skiing Weltmeisterschaften“ in den Disziplinen Langlauf und Biathlon. Nach den Weltcups 2011 und 2016 bildet die hochkarätige Veranstaltung den vorläufigen Höhepunkt am Fuße des Wistlbergs. Im Vorfeld sprechen Christian Eder, erster Vorsitzender des ausrichtenden SV Finsterau, sowie dessen Stellvertreter MdL Max Gibis im Hog’n-Interview über den aktuellen Stand der Vorbereitungen, die Bedeutung der Wettkämpfe für die Region – und über den Fleiß der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer.
Herr Eder: Sie berichten, dass der Deutsche Behindertensportverband (DBS) Sie und Ihre Truppe als Ausrichter und Organisator der IPC-WM 2017 völlig im Stich gelassen hat. Die Finsterauer mussten sogar eine Vereinbarung unterschreiben, die den DBS komplett aus der Haftung nimmt. Wie bewerten Sie das Vorgehen seitens des Verbands?
Christian Eder: Wir fühlen uns sehr allein gelassen. Die Verbände – sei es der DBS, das IPC oder der IBU – wälzen die komplette Verantwortung auf den Ausrichter ab. Der Deutsche Behindertensportverband beispielsweise unterstützt lediglich einige wenige Veranstaltungen pro Jahr. Leider zählen wir nicht dazu – für uns sind deshalb keine Mittel mehr vorhanden. Das ist sehr schade.
Mit den Vorbereitungen sind 260 Helfer beschäftigt
Herr Gibis, kann man da von Seiten der Politik nicht vermitteln?
Max Gibis: Nur bedingt. Die fehlende Unterstützung ist natürlich alles andere als gut. Man muss aber beachten: Die Verbände sind eigenständige Organisationen, auf die die Politik keinen Einfluss hat. Einziges Mittel wäre, sich in die Vorstandschaft des DBS oder des IPC wählen zu lassen.
Generell bin ich an der Organisation der Weltmeisterschaften eher als Privatmensch beteiligt – und nicht als Politiker. Als langjähriges Mitglied und derzeitiger zweiter Vorsitzender des SV Finsterau helfe ich gerne mit, wenn unmittelbar vor meiner Haustür ein solch großes Sportevent auf die Beine gestellt wird.
Trotz dieses Wehrmutstropfens ist die Vorfreude auf die anstehenden Weltmeisterschaften deutlich zu spüren. Was ist der aktuelle Stand der Dinge?
Christian Eder: Wir waren fleißig. 95 Prozent unserer Aufgaben haben wir bereits erledigt. Lediglich die Baustelle „Fernsehen“ muss noch bearbeitet werden – in Absprache mit der Telekom müssen wir leistungsfähiges Internet zur Verfügung stellen. Ansonsten ist unser Pistenteam natürlich damit beschäftigt, den Loipen den Feinschliff zu verpassen. Aktuell wird bereits ganztags gearbeitet, zudem finden regelmäßig abschließende Besprechungen des OK-Teams statt. Am liebsten wäre es mir, wenn wir morgen starten. Wir sind bereit.
Von wie vielen Organisatoren und Helfen sprechen wir?
Christian Eder: Hier eine endgültige Zahl zu nennen, ist sehr schwer. Aber ich versuche es mal: Das OK-Team besteht aus 40 Leuten, die sich seit April 2016 monatlich treffen. Die Rennchefs wiederum kommen mit ihren Abteilungen 14-tägig zusammen. Hinzu kommen noch die finanziell Verantwortlichen – wie Max oder ich -, die praktisch in Dauerkontakt stehen. Im Gesamten arbeiten 260 ehrenamtliche Helfer vor den Wettkämpfen daran, dass die Weltmeisterschaft ein Erfolg wird. Während der WM kommen dann wohl noch einmal doppelt so viele Freiwillige hinzu.
Jüngste Errungenschaft: eine neugebaute Halle fürs Catering
Ist es schwierig, genügend ehrenamtliches Personal zu akquirieren?
Christian Eder: Erstaunlicherweise nicht, was sehr erfreulich ist. Bereits bei unserer Premiere, dem IPC-Weltcup 2011, konnten wir auf viele Helfer zurückgreifen. Die gute Stimmung unter den Athleten und den Ehrenamtlern hat sich wohl rumgesprochen, sodass wir inzwischen auf einen großen Pool an unentgeltlichem Personal zurückgreifen können.
Ist ein Ereignis dieser Größenordnung überhaupt noch ehrenamtlich stemmbar?
Christian Eder: Es geht gerade noch. Im Schnitt ist der Kern des Organisationsteams seit knapp einem Jahr 10 bis 15 Stunden pro Woche eingespannt. Das schlaucht – keine Frage.
Max Gibis: Wir haben das große Ziel vor Augen – und nehmen deshalb diese Mühen gerne auf uns. In gewissen Dingen können wir zudem auf die Erfahrungen aus 2011 und 2016 zurückgreifen, als in Finsterau IPC-Weltcups ausgetragen worden sind. Zu den Organisationsarbeiten kommen jedoch auch noch Bauarbeiten hinzu.
Welche genau?
Max Gibis: In den vergangenen Jahren ist die Infrastruktur deutlich ausgebaut worden: Wir haben zum Beispiel eine Biathlon-Anlage mit 20 Schießständen sowie eine neue Halle gebaut, wo das Catering untergebracht wird. Außerdem finden im Neubau die Siegerehrungen statt. Natürlich haben wir die großen Gewerke wie Erdbewegungen und Zimmereiarbeiten an Firmen vergeben – kleinere Aufgaben haben wir jedoch selber übernommen. Seit Monaten sind mehrere Trupps an den Wochenende rund um den Sportplatz im Einsatz. Eine unvorstellbare Leistung, gigantisch.
Zuletzt waren Sie bei der CSU-Klausurtagung in Kloster Banz zugegen. Spricht man dort über das anstehende Ereignis in Finsterau?
Max Gibis: Die niederbayerischen Kollegen fragen natürlich immer wieder nach. Den CSU’ler aus Mittelfranken zum Beispiel interessiert die IPC-WM wohl eher nicht – leider wird der Behindertensport nach wie vor nur am Rande wahrgenommen.
Wird die Leistung der Finsterauer also nicht ausreichend gewürdigt?
Max Gibis: Doch, das schon. Diejenigen, die sich mit diesen Wettkämpfen beschäftigen, nehmen durchaus wahr, welch hervorragende Arbeit in Finsterau geleistet wird. Inzwischen sind viele unserer Helfer in ihrem Bereich absolute Profis, haben sich über die Jahre hinweg grandios geschlagen – und können nun auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
„Wir machen alles selber – und sparen dadurch viel Geld“
Christian Eder: Learning by doing hat sich bei uns stets bewährt. Vergleichbare Veranstaltungen vergeben etwa die Zeitmessung an eine Firma, weil das Knowhow fehlt. Wir können das selber machen – und sparen uns dadurch sehr viel Geld.
Max Gibis: Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Gerade eben, weil wir es mit vielen Ehrenamtlern zu tun haben, müssen wir auch eigenverantwortlich arbeiten lassen. Wir als OK-Team haben zwar die Verantwortung, können aber nicht auf das Fachwissen gewisser Abteilungsleiter zurückgreifen. Deshalb ist es besser, wenn wir manche Aufgabenbereiche einfach abtreten.
Wie lässt sich die anstehende IPC-Weltmeisterschaft im Vergleich zu anderen Sportveranstaltungen im Bayerischen Wald einordnen?
Max Gibis: Betrachtet man allein den Sendeplan der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, hat bisher keine Meisterschaft in diesem Größenbereich in der Region stattgefunden. ARD, ZDF und ORF werden über eine Woche hinweg rund 120 Minuten über die IPC-WM berichten – das ist nicht nur eine Imagewerbung für Finsterau, sondern für den gesamten Bayerischen Wald.
Einige Athleten sind ja schon zum zweiten oder dritten mal in Finsterau zu Gast. Wie würden Sie den Umgang mit den Athleten während der Wettkämpfe beschreiben?
Christian Eder: Sehr kumpelhaft, sehr freundschaftlich. Über die Jahre hat man sich kennen und schätzen gelernt. Berührungsängste gibt es nicht – und die Sprachbarriere überwinden wir mit einem Mischmasch aus Deutsch, Englisch sowie irgendwelchen Zeichen und Bewegungen.
Max Gibis: Es sind inzwischen Freundschaften entstanden. Eine große Bestätigung für uns. Immerhin wussten wir im Vorfeld der IPC-Premiere im Jahr 2011 nicht, was uns erwartet. Das Feedback der Teamleiter und Athleten fiel jedoch durchwegs positiv aus. Auch ein Grund dafür, warum wir heuer die Weltmeisterschaften bekommen haben.
„Unser größter Widersacher ist das Wetter“
Wird denn auch ein Team aus Russland an der WM teilnehmen?
Christian Eder: Leider nicht. In Folge der Dopingskandale wurde das russische Team aus dem IPC ausgeschlossen. Schade für die Athleten…
Kleine Probleme, die aber das Große und Ganze nicht gefährden. Gibt es sonstige Schwierigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen haben?
Christian Eder: Unser größter Widersacher ist das Wetter. Deshalb wünschen wir uns heuer viel Schnee und sonnige, aber auch frostige Tage. Natürlich hoffen wir auf faire und spannende Wettkämpfe.
Weltcup 2016, Weltmeisterschaften 2017 – was folgt danach?
Christian Eder: Unser Ziel sind freilich weitere Weltcups. Wir sind auf eine nachhaltige Nutzung unserer Anlagen erpicht. Hochklassiger Wintersport muss ein fester Bestandteil in Finsterau werden.
Vielen Dank für das Interview – wir wünschen Ihnen für die IPC-WM viel Erfolg.
Interview: Helmut Weigerstorfer