Passau. In Zeiten, in denen fast ausschließlich nur noch deshalb zur lokalen Tageszeitung gegriffen wird, um zu prüfen, wer im Nachbardorf gestorben ist, sollten Blattmacher mehr denn je gefordert sein, „Kreativität“ zu beweisen und mit „anregenden Themen“ zu versuchen, die Leser bei der Stange zu halten. Die einen, die ihrem Job mit Herzblut und Leidenschaft nachgehen, sind gewillt, dieses Ziel mit interessanten, qualitativ-hochwertigen Reportagen, informativen Hintergrundberichten oder kritischen Artikeln umzusetzen. Die anderen, vielleicht etwas bequemeren und weniger ambitionierten, greifen hingegen zu plumpen, boulevardesken Themen à la „Dschungelcamp“, „Der Bachelor“, „Germany’s Next Topmodel“ oder „Schwiegertochter gesucht“: Trash-TV hält Einzug in die Holzmedien-Landschaft – auch und gerade bei der hiesigen „Heimatzeitung“.
Wo ist der Respekt geblieben? Wo die Pietät?
„Ich finde, die PNP wird schön langsam ein Klatschblatt !!!“ schreibt da ein User auf der Facebook-Seite der Passauer Neuen Presse unter der Nachricht: „Schwiegertochter gesucht: Sorge vor Ansturm bei Irenes Beerdigung“. Eingeleitet wurde der Artikel mit den Worten: „Der Medienrummel ist so groß, dass jetzt ein Ansturm bei der Trauerfeier droht – doch gerade das fürchtet die trauernde Familie.“ Ein Medienrummel, für den die PNP zynischerweise mit ihrer Berichterstattung maßgeblich sowie ursprünglich verantwortlich zeichnet.
Denn nachdem die Zeitung vom Tod der aus Vorderfreundorf stammenden Irene Fischer als erste berichtet hatte, sprangen sogleich sämtliche Boulevard-Medien – an vorderster Stelle die BILD – auf und begaben sich auf „ziemlich eklige Klick- und Abonnentenjagd“, wie der medienkritische BILDblog es auf seiner Facebook-Seite bezeichnete. Die Passauer Neue Presse beweihräucherte sich daraufhin nicht zu knapp damit, „nach dem Tod von Kult-Mama Irene Fischer als erster mit den Angehörigen gesprochen zu haben“ (siehe Ausgabe F vom Freitag, 13. Januar, Seite 27) – man rühmte sich damit, dass sogar ein Kamerateam des Kölner RTL-Privatsenders eigens angereist war, um den Volontär, der für die Geschichte abgestellt wurde, zu interviewen.
Von Pietät und Respekt der Verstorbenen sowie den Angehörigen gegenüber scheint man meilenweit entfernt zu sein. Ausgeschlachtet muss es werden, dieses hausgemachte, mediale Großereignis – und zwar bis zum buchstäblich letzten Atemzug. „Reitet die Sau solange durchs Dorf, bis es keinen mehr interessiert“, scheint das vorgegebene Motto zu lauten. Was den Medienmachern in die Hand spielt, ist freilich die Gaff-Gier des Publikums, das sich bereits all die Jahre vor dem Fernseher voyeuristisch die chipsverschmierten Finger geleckt hatte, wenn RTL die Teilnehmer der Schwiegertochter-Gesucht-Reihe einmal mehr vorführte und der Lächerlichkeit preisgab. Ein symbiotisches, kalkülgesteuertes Verhältnis, das auf der einen Seite die Sensationsgeilheit der Zuschauer und deren „Anteilnahme“ am Schicksal der Zur-Schau-Gestellten befriedigt, und auf der anderen Seite für ordentlich Quote und Klicks sorgt, die sich letztlich auch in Sachen Umsatz bemerkbar machen dürfte.
Vom RTL-Team vor der eigenen Haustüre überrascht…
Wie empfindet eigentlich der Seelsorger der Gemeinde Grainet, zu der Vorderfreundorf gehört, dieses ganze Medienspektakel? „Ich schaue wenig fern – die Sendung hab ich nicht gekannt“, teilt Pfarrer Dr. Michael Gnan, der die Beerdigung in Grainet abhalten wird, auf Nachfrage mit – und ergänzt: „Ich habe nicht im entferntesten daran gedacht, dass der Medienrummel so groß sein wird.“ Er legt Wert darauf, dass aus der Beerdigung, die nach Wunsch der Angehörigen im kleinen Kreise stattfinden soll, „keine mediengerechte Show-Veranstaltung“ gemacht wird. Er wolle eine nüchterne Predigt halten, so Gnan, die den Hinterbliebenen ein wunschgemäß ruhiges Abschiednehmen ermögliche. Im Anschluss daran finde die Urnenbestattung statt.
„Ich freue mich über jeden Medienvertreter – bitte jedoch darum, die Würde des Hauses zu achten“, informiert Gnan weiter, der kurz nach dem Tod von Irene Fischer von einem RTL-Kamera-Team vor der eigenen Haustüre überrascht wurde („Da war ich erstaunt“). Das Telefon klingelte in einer Tour, auch sein E-Mail-Postfach sei in Windeseile „überlastet“ gewesen. Den Medienrummel empfinde er zwar (noch) nicht als lästig, er betrachtet diesen vielmehr als „Zeichen der Unbeholfenheit mit der Situation des Sterbens fertig zu werden“. Den Medienleuten den Zutritt zur Kirche verweigern, wolle er nicht – dies sei ohnehin nicht möglich, da es sich um eine öffentliche Kirche handle, so Gnan, in der die Beerdigung stattfinde. „Die Angehörigen hätten alternativ auch eine Privat-Kapelle wählen können, zum Beispiel diejenige in Obergrainet, wo man die Öffentlichkeit hätte ausschließen können.“
Freunde, Bekannte und Fans der Verstorbenen dürften „im Rahmen der persönlichen Spiritualität“ Fotos in der Kirche machen. „Wenn Medienvertreter fotografieren oder filmen möchten, müssen sie das mit den Angehörigen vereinbaren“, sagt Gnan und fügt sogleich hinzu: „Wenn Familie Fischer in der Kirche nicht gefilmt werden will, werden wir das achten.“ Gnan selbst habe nichts dagegen, während der Messe gefilmt zu werden. Eine Polizei-Eskorte sei angefordert, die dem Pfarrer zufolge für Ruhe und Sicherheit rund um die Beerdigung sorgen solle.
Beerdigungsjournalismus – ein wahrhaftes Trauerspiel…
Medienkritik: Stephan Hörhammer
Die zunehmende Geschwindigkeit mit der das Niveau der PNP abnimmt ist erschreckend. Gib’s da keinen Verantwortlichen der dem Einhalt gebietet???
wer sich mit RTL (das vorzeigen der oberen weiblichen Geschlechtsteile in den 90igern war ihre Kernkompetenz das hat sie bekannt gemacht, siehe tutti frutti) einlässt, der kann wissen das er oder sie nicht mit Respekt oder Pietät zu rechnen hat, das einzigste was zählt ist Einschaltquote und Werbeeinnahmen.