Freyung. Ein leises Motorgeräusch aus der Ferne. Dann zwei Pfiffe: „Die Ilztalbahn kommt!“ Ein sonniger Samstagmorgen am Freyunger Bahnhof: Einige Ausflügler warten schon neugierig am Bahnsteig auf den Zug. Langsam fährt der grün-gelbe Triebwagen in den Bahnhof ein. Andrea Goerth, Miriam Blüml, Christoph Fleissner, Reinhard Fildhuth, Friedrich Papke und viele weitere ehrenamtliche Helfer stehen bzw. sitzen auf ihren Positionen. Sie wissen Bescheid, was nun zu tun ist. Wie an vielen Tagen im Jahr leisten die ITB-Mitarbeiter wertvolle Dienste – unentgeltlich und schlichtweg aus dem Grund, weil sie Spaß an der Bahn und dem gesamten Drumherum haben. Die Ilztalbahn ist Leidenschaft, ist Hobby und Hingabe. Das Onlinemagazin da Hog’n hat die Aufgabenbereiche der Ehrenamtler einmal genauer unter die Lupe genommen.
„Die beste Aussicht in der Ilztalbahn…“
Im Führerstand sitzt die 29-jährige Lokführerin Andrea Goerth. Für sie begann der Tag bereits früh am Morgen: „Bevor unsere Fahrgäste am Samstagvormittag in den ersten Zug steigen können, gibt es für uns Lokführer so einiges zu tun. Die Fahrzeuge sind gemietet und müssen jeden Freitag in Plattling abgeholt und am Sonntagabend wieder dorthin zurückgebracht werden. Samstags fängt der Dienst dann um halb sieben Uhr morgens an – alle Sicherheitseinrichtungen des Zugs, Bremsen, Türen, etc. werden vor jedem Einsatz ausführlich geprüft.“
Dabei ist es kaum ein Jahr her, dass Andrea Goerth als Triebfahrzeugführerin der Ilztalbahn die Gäste sicher von A nach B bringt: „Im Sommer 2014 hat mich ein alter Freund und Lokführer zu einer unglaublich schönen Mitfahrt eingeladen. Nicht nur die schöne Strecke, auch die auffallend positive Stimmung im Zug war einfach ansteckend. Gleich nach diesem Wochenende habe ich mich gemeldet – und durfte bis Saisonende als Zugbegleiterin arbeiten. Dass ich dann schnell vom Fahrgastraum in den Führerstand wechseln würde, hätte ich damals nicht geahnt. Doch wir hatten einfach zu wenige Lokführer – und so wurde aus einer Gedankenspielerei eine Anmeldung für den Theoriekurs.
Das ganze Ausbildungsjahr – von den Praxisschichten bis zur Prüfungsvorbereitung – war begleitet von vielen guten Geistern und netten Menschen, die ihrem Hobby mit viel Herzblut nachgehen.“
„Wann fährt der nächste Zug nach Passau?“
Mit viel Herzblut gehen auch stets die Zugbegleiter ihren Aufgaben nach. Auf dem Bahnsteig stehen die beiden ITB’ler Miriam Blüml und Christoph Fleissner. Sie kümmern sich neben dem Fahrkartenverkauf unter anderem um die verschiedenen Fragen der mitreisenden Fahrgäste. „Unser Job ist es, den Bahnnutzern den Aufenthalt so unkompliziert und angenehm wie möglich zu gestalten. Es geht dabei nicht nur ums Verkaufen der Fahrkarten, sondern darum, den Gästen die schönsten Seiten der Region während der Fahrt näher zu bringen.“
Die 21-jährige Miriam Blüml aus Passau, die von Bekannten auf die Ilztalbahn aufmerksam gemacht wurde, ist seit der Saison 2016 neu im Ilztalbahn-Team mit dabei. „Als ich zum ersten Mal mitgefahren bein, hat mich sowohl das freundliche Personal als auch das Konzept der ITB positiv überrascht – daraufhin habe ich mich genauer mit der Geschichte und Bedeutung der Ilztalbahn beschäftigt. Ein Jahr später sind mein Partner und ich selbst bei diesem Projekt aktiv geworden.“
Im Gegensatz dazu zählt ihr Kollege Christoph Fleissner, ein gebürtiger Freyunger, mit seinen 19 Jahren schon als alter Hase: „Vor mehr als fünf Jahren war ich erstmals bei der Ilztalbahn im Einsatz. Seitdem habe ich viele tolle Menschen kennengelernt und zahlreiche Erfahrungen im Bahnbetrieb gesammelt. Es macht einfach riesigen Spaß, Ausflügler auf ihrer Reise zu begleiten oder Touristen von meiner Heimat, dem Bayerischen Wald, zu erzählen. Dabei erlebt man immer wieder tolle Momente, etwa wenn eine Reisegruppe aus Mexiko voller Freude ihren Zielort in Freyung mit unserer Bahn erreicht.“
„Wie gestalten wir den neuen Flyer?“
Etwas weiter hinter den Kulissen arbeitet Friedrich Papke, der bei der ITB für das gesamte Marketing verantwortlich zeichnet: „Mit einem kleinen Team versuchen wir, die Ilztalbahn bekannt zu machen. Wir kümmern uns um Fahrpläne, Flyer, Plakate und die Vernetzung mit Partnern in der Region. Eine Arbeit, die oft am Computer bzw. Telefon stattfindet. Umso schöner ist es dann, wenn man den frisch-gedruckten Flyer in der Hand hält oder einfach wieder im Zug mitfährt.“
Zuerst war der 28-Jährige Verkehrsingenieur aus Passau jedoch als Zugbegleiter im Einsatz: „Nach dem plötzlichen Tod eines Kollegen, der sich anfangs um das Marketing gekümmert hatte, mussten seine Aufgaben neu verteilt werden. Obwohl ich noch wenig Erfahrung im Marketing vorweisen konnte, habe ich mich gemeldet und musste schnell lernen, wie man Flyer und Plakate gestaltet. Seit 2013 habe ich damit gewissermaßen die Verantwortung für das äußere Auftreten der Ilztalbahn übernommen.“
„Gleise, Bahnsteige, Grünpflege…“
Damit überhaupt Züge auf der 50 Kilometer langen Strecke zwischen Passau und Freyung verkehren können, müssen die Gleise, Bahnübergänge und Sicherungsanlagen überprüft und instand gehalten werden. Darum kümmert sich unter anderem Reinhard Fildhuth.
Er koordiniert als örtlicher Betriebsleiter die Infrastrukturabteilung vom Bahnhof Waldkirchen aus. „Das erste Mal bin ich 1975 in die Region gekommen. Damals habe ich für die Deutsche Bundesbahn im Bahnbus Urlauber von Göttingen in den Bayerischen Wald transportiert. Dort hat mir es so gut gefallen, dass ich schließlich 2005 von Darmstadt nach Grainet gezogen bin. Sofort wurde ich auf den Förderverein Ilztalbahn aufmerksam, bei dem ich mich seit meiner Pensionierung als Bahnhofsdienst und Schrankenwärter engagiere.
Später kam ich dann in den Genuss, die Mitglieder der Infrastrukturabteilung zu unterstützen. Es sind schließlich 100 Kilometer links und rechts der Gleise, die in Ordnung gehalten werden müssen. Während der Saison müssen die Gleisanlagen auch unter der Woche kontrolliert werden, damit samstags und sonntags die Züge fahren können. Dazu gehört beispielsweise das Instandhalten der Signale, Bahnübergänge oder Durchlässe.“
„Zwischen Büro und Führerstand…“
Zurück bei Lokführerin Andrea Goerth: „Wenn ich fahre, steht die Führerstandstür immer offen für neugierige Gäste, die mir über die Schulter blicken möchten. Eine Frage, die ich dabei besonders oft zu hören bekomme, lautet: Und das machen Sie alles ehrenamtlich? Worauhin ich antworte: Ja. Und das unglaublich gerne.
Fast jedes Wochenende bin ich mit der Ilztalbahn unterwegs, ob nur für eine Runde oder zwei ganze Tage. Während der Woche hingegen habe ich beruflich gesehen mit der Eisenbahn nicht viel zu tun. Nach dem Ingenieursstudium in Öko-Energietechnik und in Nachhaltigen Energiesystemen bin ich in der Nähe von Linz sesshaft geworden – und arbeite dort in einem Haustechnik-Planungsbüro als Energieconsultant. Das heißt, ich darf Kunden aus dem Industrie- und Gesundheitsbereich beraten, wo sie sinnvoll Energie einsparen können und wie sich erneuerbare Energiesysteme integrieren lassen.“
„Nicht nur ein Hobby“
„Das Hobby zum Beruf machen“ – dieses Ziel verfolgt hingegen Zugbegleiter Christoph Fleissner: „Nach dem Abitur habe ich mich dazu entschlossen, an der Technischen Hochschule Mittelhessen Bahningenieurwesen zu studieren. Die Ilztalbahn ist dabei nicht ganz unschuldig.
Schließlich habe ich durch die Zugbegleitertätigkeit viele Einblicke in die Arbeit bei der Eisenbahn bekommen. Dabei geht es aber nicht nur um mein persönliches Interesse. Ich sehe die Eisenbahn auch als wichtigen Bestandteil eines nachhaltigen Verkehrssystems der Zukunft.
Umweltschutz ist im Verkehrswesen immer noch ein großes Problem, das nur durch eine effiziente Kombination aller Verkehrsträger zu lösen ist. Das Potenzial der Eisenbahn ist dabei bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Mit dem Bahningenieur-Studium als Grundlage möchte ich später durch meine Arbeit einen Beitrag zur Umsetzung dieser Vision leisten. Dazu zählt auch mein Engagement bei der Ilztalbahn.“
„Vom Bayerischen Wald bis Berlin…“
Friedrich Papke aus der ITB-Marketingabteilung ist bereits in der Bahnbranche tätig: „Nach meinem Studium des Verkehrsingenieurwesens an der TU Dresden hat es mich nach Berlin verschlagen. Ich arbeite dort in der Technikabteilung der U-Bahn, einem Betrieb, der gegensätzlicher nicht sein könnte: Die Fahrgäste, die die Ilztalbahn im Jahr befördert, befördert die U-Bahn in etwa 30 Minuten. Dafür ist die Ilztalbahn aber ein paar Jahre älter als die Berliner U-Bahn. Die weite Entfernung zwischen Berlin und Passau bringt es mit sich, dass ich für ein Wochenende im Ilztal auch noch viele Stunden im ICE verbringe.“
„Arbeit mit Menschen…“
„Zugbegleiter-Neuling“ Miriam Blüml hingegen muss für eine Ilztalbahn-Schicht nicht ganz so weit anreisen: „Nach meinem Abitur und meinem freiwilligen sozialen Jahr verschlug es mich aus dem Oberpfälzer Wald in die schöne Stadt Passau, um dort Grundschullehramt zu studieren. Mit Menschen ins Gespräch zu kommen bereitet mir viel Freude und ich habe mich schon als Jugendliche in der Kinder- und Jugendarbeit sowie in der Jugendabteilung einer politischen Partei engagiert.“
„Mitmachen bei der Ilztalbahn“
Freiwillige Betätigungsfelder gibt es bei der Iztalbahn viele – ohne die zahlreichen Ehrenamtlichen würde es die landschaftlich wunderschöne Strecke zwischen Passau und dem Bayerischen Wald vermutlich nicht mehr geben. Doch: Eine 50 Kilometer lange Bahnstrecke auf ehrenamtlicher Basis zu betreiben, ist wahrlich eine Mammutaufgabe und in dieser Größenordnung bundesweit wohl einzigartig. Jede helfende Hand wird gebraucht. Neue Mitarbeiter sind in der Ilztalbahn-Familie stets willkommen. Durch die vielseitigen Aufgaben im Bahnbetrieb kann man sich in den verschiedensten Bereichen – etwa von handwerklichen Arbeiten im bzw. am Gleis bis hin zum Marketingmanagement – gemeinsam im ITB-Team für ein großes Projekt engagieren (Kontakt: mitmachen@ilztalbahn.eu).
–> weitere Infos unter: Mitmachen bei der Ilztalbahn (einfach klicken).
Das wünschen sich die Ilztalbahner für die Zukunft
Reinhard Fildhuth: „Ich wünsche mir, dass das Projekt Ilztalbahn weiterhin ein Erfolg bleibt und die nachfolgenden Generationen wieder die Möglichkeit haben, umweltfreundlich, sicher und bequem in Passau in den ICE umzusteigen, den Flughafen zu erreichen – oder ganz einfach ohne Auto nach München oder Regensburg zu kommen. Deshalb werde ich, solange es mir möglich ist, bei der Ilztalbahn mithelfen.“
Andrea Goerth: „Die Ilztalbahn als bequemes, umweltfreundliches öffentliches Verkehrsmittel passt perfekt in meine Vorstellung einer nachhaltigen Zukunft. Mobilität bedeutet Lebensqualität. Ich wünsche mir, dass unsere Vision einer Zugverbindung zwischen der Stadt Passau und dem Bayerischen Wald für alle Pendler, Schüler und natürlich Touristen Wirklichkeit wird. Mit kürzerer Reisezeit, sinnvoll vernetzt mit Bussen im Hinterland sowie Fernverkehr im Passauer Hauptbahnhof, wird die Ilztalbahn zum Gewinn für alle. Und die Welt ein kleines bisschen besser.“
Christoph Fleissner: „Mobilität ist mehr als nur Auto fahren. Mobilität ist eine effiziente Kombination von allen Verkehrsträgern, die so vernetzt werden müssen, dass ein sozial und ökologisch hochwertiges Verkehrssystem entsteht. Unter diesem Aspekt betreibe ich seit zwei Jahren einen Internet-Blog, der sich mit Verkehrspolitik und speziell mit Reaktivierungen von Bahnstrecken befasst. Dabei habe ich viele Bahnprojekte in Deutschland kennengelernt, die zeigen, dass auch in ländlichen Gebieten die Eisenbahn erfolgreich betrieben werden kann. Daher wünsche ich mir, dass auch meine Heimatstadt Freyung zukünftig wieder täglich per Bahn erreichbar wird.“
Miriam Blüml: „Ich wünsche mir, dass die Ilztalbahn sich weiter in der Gegend etabliert und die Fahrgastzahlen sowie die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter weiter wächst. Ich hoffe sehr, dass uns in Zukunft politische Türen geöffnet werden, um unsere Fahrzeiten – vielleicht auch bis hin zu einem Regelbetrieb – ausweiten zu können. Dabei wollen wir aber nicht unsere Familien- und Touristenfreundlichkeit verlieren und uns weiterhin durch unser engagiertes Team auszeichnen.“
Friedrich Papke: „Die Ilztalbahn ist das wohl ambitionierteste SPNV-Reaktivierungsprojekt, das ausschließlich auf private Initiative zurückgeht. Wir haben viel erreicht und kommen dem Ziel des Regelbetriebs immer näher. Dennoch ist noch viel zu tun – wir müssen unser Netzwerk verbessern, müssen vor allem im Tourismus aktiver werden und die Bekanntheit unseres einmaligen Freizeitverkehrsnetzes zwischen Donau und Moldau noch steigern. Umso mehr würde ich mich daher über Nachwuchs, also mehr aktive Unterstützer, freuen – sei es im Zug, an der Strecke oder im Hintergrund. Die Ilztalbahn macht Spaß – und ehrenamtliche Arbeit lohnt sich!“
da Hog’n
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Ein wunderschöner Artikel, der Lust auf diese tolle Bahn macht! Weiter so!
Sehr schön beschreibt ihr, wie ihr arbeitet und was ihr alles ehrenamtlich auf die Beine gestellt habt und weiterhin vorhabt!
Alles Gute, liebe Ilztalbahn, auf dem Weg zum regelmäßigen Personen- und Güterverkehr!