Passau. Mit deutlichen Worten hatte sich Wolfgang Grebenhof am vergangenen Wochenende an PNP-Verlegerin Simone Tucci-Diekmann gewandt. Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV) führte den Protestzug von 120 redaktionellen Mitarbeitern der Mediengruppe „Passauer Neue Presse“ durch einen Teil der Füßgängerzone an, wie der bayerische Landesverband auf seiner Homepage berichtet. Die Demonstranten brachten dabei unmittelbar vor der Stadtgalerie lautstark und öffentlichkeitswirksam ihren Unmut über zehn Jahre Tarifflucht, Lohndumping sowie die Weigerung der Verlegerin, mit den Gewerkschaften BJV und ver.di über einen Haustarif zu verhandeln, zum Ausdruck.
„Sie kennen doch sicher Ebenezer Scrooge, die Titelfigur aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens? Den fiesen, grantigen Geizhals, dem es ein Gräuel ist, auch nur einen Cent von seinem Reichtum abzugeben? So einen Geizhals gibt es in Passau auch. Es ist eine Frau: Simone Scrooge-Diekmann“, rief der stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) Wolfgang Grebenhof den demonstrierenden PNP-lern zu. Und weiter: „Seit einem Jahrzehnt werden die Mitarbeiter der PNP nach Strich und Faden verarscht. Und dass die Verlegerin Simone Tucci-Diekmann noch nicht einmal mit den Gewerkschaften BJV und ver.di über einen Haustarif reden will, zeigt die maßlose Arroganz der Geschäftsführung.“
„Wenn’s im eigenen Laden passiert, ist das plötzlich okay“
Für zusätzliche Wut sorgte die Nachricht, dass die Unternehmerin zwar im eigenen Haus an jedem Cent spare, auf der anderen Seite aber mit dem Ingolstädter Donaukurier gerade eine neue Zeitung erworben hat.
Seit 2004 arbeiten rund 150 Journalisten in den Redaktionen der PNP-Mediengruppe – mit unterschiedlichen Verträgen. Während für die Erfahreneren noch die Nachwirkung des Tarifvertrags gelte, regle für die Jüngeren – und somit für etwa jeden zweiten – ein Eckpunktepapier das Arbeitsverhältnis. Dies sehe fünf Tage weniger Urlaub im Jahr, 1.000 Euro weniger Lohn pro Monat sowie keine tariflichen Gehaltssteigerungen vor. Andere Mitarbeiter haben noch schlechtere Verträge, so der BJV.
„Eine Zeitung hat die Aufgabe, Missstände in Unternehmen anzuprangern. Wenn wir als Journalisten mitbekommen, dass die Mitarbeiter über Jahre um eine anständige Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen betrogen werden, dann würden wir darüber selbstverständlich berichten. Aber wenn das im eigenen Laden passiert, dann ist das plötzlich okay. Dann soll das niemand mitbekommen“, kritisierte Grebenhof das Schweigen der Verlagsleitung auf die mehrfachen Gesprächsangebote der Gewerkschaften.
Grebenhof: „Weihnachtsgeld ist der Gipfel der Frechheit“
„Wir brauchen diese Verhandlungen, damit wir endlich Frieden im Betrieb bekommen“, forderte Reinhard Wilhelm, Betriebsrat bei der Donau-Wald-Presse GmbH. Offen werde das nicht in den Redaktionen ausgetragen, doch es herrsche Neid und Missgunst. Wilhelm sehe viele junge Kollegen, „die einen tollen Job machen, die unserem Haus wirklich gut tun, gerade was die neuen Medien angeht. Sie müssen endlich auch eine Zukunftsperspektive in der PNP haben und ordentlich bezahlt werden.“
Für unterschiedliche Reaktionen habe die jüngste Ankündigung von Tucci-Diekmann gesorgt, jedem Mitarbeiter 500 Euro auszuzahlen, da es in den vergangenen Jahren keinen Inflationsausgleich gegeben hatte. Diese vermeintliche Großzügigkeit sei von manchem als Zahlung eines „Schweigegeldes“ oder Versuch gewertet worden, die Mitarbeiter ruhig zu stellen – was offensichtlich die PNP-Mitarbeiter nicht davon abgehalten hatte, für ihre Sache auf die Straße zu gehen.
Sehr verärgert reagierte Grebenhof auf das „Weihnachtsgeld“: „Das ist der Gipfel der Frechheit, dass die Verlegerin zuhause stolz ihren neuen Einkauf des Donaukuriers präsentiert, dann ihren Geldbeutel öffnet und generös ein paar Groschen vom übrigen Wechselgeld an ihre Belegschaft verteilen will.“ 500 Euro – und dies nicht einmal für jeden – als Kompensation für zehn Jahre Lohnverzicht seien „ein Schlag ins Gesicht jedes PNP-Mitarbeiters.“ Dieses Angebot sei „überheblich und schäbig“, es zeuge von einer unfassbaren Geringschätzung der Leistung, die alle Beschäftigten für ihre Zeitung erbrächten.
Bleibt eine Reaktion aus, wollen sie wieder auf die Straße
„Ist Ihnen eigentlich klar, wem sie es verdanken, dass Sie die Kohle haben, um eine Zeitung nach der anderen zu kaufen“, richtete Grebenhof die Frage an Verlegerin Tucci-Diekmann und verlangte: „Begegnen Sie Ihrer Belegschaft endlich mit Respekt und Wertschätzung und sprechen Sie mit den Gewerkschaften über faire, angemessene Arbeitsbedingungen.“
Die von BJV und ver.di gemeinsam initiierte Kundgebung in der Passauer Fußgängerzone endete mit einem symbolischen Akt: 100 weiße Luftballons stiegen dem Himmel empor, an Kordeln baumelten bedruckte Postkarten mit entsprechenden Botschaften. Wer diese finde, solle sie an die PNP-Verlegerin zurückschicken. Die Teilnehmer der Protestaktion warten nun auf eine Reaktion der Verlagsleitung. Bleibe diese aus, wollen sie erneut auf die Straße gehen.
Maria Goblirsch/da Hog’n