Karlsbach/Freyung. Jede Reise hat einmal ein Ende – so auch die Interrail-Tour von Michele Bauer und Sarah de Smidt aus dem Landkreis Freyung-Grafenau, die sich diesen Sommer über mit dem Interrail-Ticket nach Südwest-Europa aufgemacht haben, um Frankreich, Spanien und Portugal per Bahn zu durchqueren. Im vierten und letzten Teil unserer Hog’n-Serie führt der Trip der beiden 20-Jährigen zunächst nach Barcelona, von wo aus sie sich dann via Paris wieder Richtung Heimat aufmachen. Was sie in der Hauptstadt Kataloniens erlebt haben, warum sich ihre Heimreise wahrlich sehr abenteuerlich gestaltet hat und wie es ist, nach knapp drei Wochen wieder „dahoam“ anzukommen, gibt’s im Folgenden zu lesen.
Außerdem: Unsere beiden Mädels haben’s im Nachgang ihrer Tour und aufgrund unserer kleinen Interrail-Hog’n-Serie in die spanischen Medien geschafft: Die „Costa Blanca Nachrichten„, eine deutschsprachige Tageszeitung in Spanien, hat über Micheles und Sarahs Reise durch das Verbreitungsgebiet der CBN berichtet (bei Klick geht’s zum Artikel).
*** Tag 15: Barcelona, here we come! ***
Es ist genau 0 Uhr, heute ist also mein zwanzigster Geburtstag. Wir suchen noch eine Bar in Granada auf – und stoßen mit einem Cocktail an. Schon in ein paar Stunden steht wieder eine lange Reise an: Es geht nach Barcelona.
Vor der Abfahrt gönnen wir uns noch eine kleine spanische Spezialität: Churros. Dabei handelt es sich um längliche, krapfenartige Gebäckstangen, die wir in heiße Schokolade getaucht genüßlich verspeisen. Gestärkt treten wir also unsere Fahrt nach Barcelona an, in dem wohl luxuriösesten Zug, den wir während unserer gesamten Reise bisher benutzt haben. Die Stühle sind schön gepolstert, man hat unendlich viel Beinfreiheit. Unser Abteil sieht so aus, wie man sich im Allgemeinen die erste Klasse vorstellt – laut Beschilderung handelt es sich jedoch eindeutig um die zweite. Wir kommen erst nachts in Barcelona an und suchen sogleich unser Hostel auf, was sich dieses Mal als bemerkenswert einfach herausstellt. Nachdem wir dem kleinen 24h-Supermarkt direkt neben unserer Unterkunft einen Besuch abgestattet haben, wird noch eine Kleinigkeit gekocht, im Anschluss mit anderen Gästen gequatscht – und gegen Mitternacht schlafen gegangen.
*** Tag 16: Kultur, Sommer, Sonne, Strand und Meer ***
Guten Morgen, Barca! Der letzte Sightseeing-Tag unserer Interrail-Tour steht bevor. Wir freuen uns riesig und sind frühzeitig auf den Beinen, um so viel Eindrücke wie möglich zu gewinnen. Beim Frühstück auf der Dachterrasse lernen wir einen Engländer kennen, der auf seine Kumpels wartet und sich deshalb noch alleine in der Stadt aufhält. Er möchte uns gerne den Markt „La Boqueria“ zeigen, der am berühmtesten Boulevard Barcelonas liegt, „La Rambla“ genannt.
Wir nehmen das Angebot an und folgen ihm. Der Markt ist bemerkenswert – es gibt dort so einiges zu sehen. Unter anderem auch Innereien von Tieren, die ich – offen gestanden – nie wirklich sehen wollte. Aber auch eine Vielzahl verschiedener Süßigkeiten gibt es hier zu bestaunen – und freilich auch zu kaufen. Auf was man hier unserem Begleiter zufolge unbedingt achten sollte: Taschendiebe. In Barcelona sollen davon angeblich noch mehr als in den anderen Großstädten unterwegs sein. Zugegeben: Bei dem Getümmel hier haben es Diebe wahrlich leicht – gerade bei unachtsameren Passanten. Uns selbst aber wird während unserer gesamten Reise nichts geklaut – zum Glück.
Nach dem Marktbesuch verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zur Sagrada Familia, eine römisch-katholische Basilika, die vom berühmten Architekten Antoni Gaudí entworfen wurde. Fertiggestellt ist sie bis heute nicht – 2026 soll es soweit sein. Eintrittskarten sollte man allerdings schon im Voraus kaufen, wenn man die langen Warteschlangen umgehen möchte. Leider haben wir das nicht getan – deshalb sehen wir sie uns das beeindruckende Bauwerk nur von außen an. Dennoch kann ich nicht genau sagen, ob ich die Basilika jetzt schön oder doch irgendwie zu riesig finden soll. Ich entscheide mich für beides: schön, aber für meinen Geschmack dann doch etwas zu groß.
Nachdem wir uns sattgesehen haben, machen wir uns auf den Weg zum Park Güell, ebenfalls ein Werk Gaudís. Leider muss man auch hier für die berühmtesten Teile des Parks Eintrittskarten erwerben, um sich Zutritt verschaffen zu können. Da wir später noch ans Meer wollen, schlendern wir nur ein bisschen durch die öffentlich zugänglichen Teile der Anlage und genießen den Ausblick. Der Park liegt auf einem Hügel, von dem aus man freie Sicht auf einen Großteil Barcelonas hat.
Danach folgt eine U-Bahn-Fahrt zum traumhaften Hafen, bevor wir unser eigentliches Ziel erreichen: das Meer. Wir kühlen unsere Füße im kalten Wasser und genießen den Abend am Strand. Etwas später geht es zurück zum Hostel, wir stillen noch unseren Hunger und versuchen dann bald zu schlafen, denn morgen müssen wir sehr früh aufstehen, um unseren Zug nach Paris um kurz nach sechs Uhr zu erwischen. Trotz Straßenlärm und einigen Mitbewohnern im Zimmer schlafe ich (dank Ohropax) gut. Fast schon etwas zu gut…
*** Tag 17: Glückliches Herzschlag-Finale in Paris ***
Mist! Verschlafen! Um fünf Uhr morgens wollten wir ursprünglich zum Bahnhof losmarschieren – blöd nur, wenn man erst zehn Minuten vorher wach wird. Was heißt „wach wird“?! „Geweckt wird“ trifft es wohl eher – immerhin hätte ich mich ohne meine Begleiterin Sarah vermutlich noch ein paar mal umgedreht. Im Eiltempo schlüpfen wir also in bequeme Reisekleidung, packen den Rest unserer Sachen zusammen, schmieren Brote und rennen dann auch schon los Richtung U-Bahnstation…
Wir kommen rechtzeitig am Bahnhof an, pünktlich um 6.10 Uhr verlassen wir Barcelona in Richtung Paris. Während der Fahrt erfahren wir, dass unser Zug Verspätung hat – und zwar nicht gerade wenig: Ganze 40 Minuten nach der Zeit werden wir am Gare de Lyon ankommen. Ein großes Problem ist, denn unser Anschlusszug fährt bereits 20 Minuten nach unserer Ankunft in Paris los. Hört sich jetzt nicht so dramatisch an? Ist es aber! Denn der ICE nach Stuttgart fährt nicht vom selben Bahnhof ab, sondern vom Gare du Nord. Was man normalerweise nicht so leicht in 20 Minuten schafft. Oder wenn, dann nur sehr knapp…
Sobald der Zug also hält, sprinten wir los – von Waggon 15 aus. Das heißt: Es geht erst einmal den gesamten Zug entlang, wobei uns natürlich die Menschenmassen, die aussteigen, sehr im Wege stehen. Teils sehr knapp am Abgrund zu den Gleisen laufen wir am Bahnsteig in Richtung U-Bahn-Station. Nach einem laaaangen Tunnel (wirklich sehr lang!) erreichen wir endlich die Métro: Sie fährt uns vor der Nase weg. Bingo! In zwei Minuten kommt die nächste, wir brechen fast zusammen vor Anstrengung. Die Panik,unseren Zug zu verpassen, treibt uns zwar zu Höchstleistungen an – gleichzeitig bringt sie uns aber ans schiere Ende unserer Nerven. Die U-Bahn kommt, wir steigen ein, sie fährt los…
Kurz darauf hält sie am Gare du Nord wieder an. Wir rennen los. Wieder ein langer Tunnel, viel zu viele Leute auf unserem Weg – und endlich in unserem Sichtfeld: Die Rolltreppe hinauf zu den Gleisen. Zwei Minuten haben wir noch. Oben angekommen, folgt eine minimale Orientierungspause. Wir linsen zu den Anzeigetafeln und finden darauf unser Gleis, das sich natürlich am anderen Ende der Bahnhofshalle befindet… Am liebsten würde ich weinen, meine Beine tragen mich nur noch mit Mühe, sie zittern bereits. Leise verfluche ich meinen enorm schweren Rucksack und die zwei Taschen, die ich außerdem dabei habe. Doch: Es hilft sowieso nichts, ich reiße mich zusammen und laufe weiter. Etwas wackelig zwar, aber dann doch schneller als ich gedacht hätte…
Der Zug kommt in Sicht, die Türen stehen noch offen! Sarah springt vor mir direkt in den ersten Waggon, ich renne in einem Bogen an zwei langsameren Reisenden vorbei und springe hinterher. Kurz darauf hören wir schon das Piepsen, das das Schließen der Türen ankündigt. Und dann sind sie zu. Wir können es kaum glauben, dass wir das Unmögliche wirklich geschafft haben: Wir sitzen gerade noch rechtzeitig in unserem Zug Richtung Heimat! Mehr als ein Lächeln und ein kleines „Juhu“ gibt es von uns mangels Atemluft jedoch nicht zu hören…
Wir machen uns völlig verschwitzt auf die Suche nach unseren Plätzen und sind froh, uns endlich hinsetzen zu können. Was uns erst jetzt so richtig bewusst wird: Wir hatten enormstes Glück! Der Hintergrund: An unserem ersten Reisetag waren wir ja bereits ein paar Stunden in Paris unterwegs und haben uns unter anderem noch den Eiffelturm angeschaut. Damals hatten wir zwei Metrotickets zu viel gekauft. Ein kleiner, aber wunderbarer Zufall, denn: Ohne diese zwei Tickets wären wir niemals in diesem Zug gelandet. Der Kauf am Ticketautomaten hätte uns nämlich zu viel Zeit gekostet! Echt beeindruckend, was für Zufälle es im Leben manchmal gibt – und wie sich am Ende alles perfekt zusammenfügt. Überglücklich sitzen wir also nun im ICE nach Stuttgart. Dieser kommt leider ebenfalls etwas verspätet am Zielort an, weshalb wir zu unserem Anschlusszug nach München erneut die Beine in die Hände nehmen.
In Bayerns Hauptstadt angekommen, haben wir eine halbe Stunde Zeit, bevor es nach Passau weitergeht. Hier fühlen wir uns auch direkt gleich wieder heimisch: Der junge Mann am Imbissstand begrüßt uns mit einem fröhlichen „Servus“ – und überreicht uns kurz darauf eine schmackhafte Leberkäs-Semmel. Was will man mehr? Nach dem kleinen Snack steigen wir zufrieden in die Regionalbahn und freuen uns, nach diesem wirklich anstrengenden Tag nach Hause zu kommen. Auch wenn unsere Tour traumhaft war und wir sie gerne niemals beenden würden, ist trotzdem immer noch das beste Gefühl der Welt, die Liebsten daheim wiederzusehen…
Fazit: Es war „da Wahnsinn“
Es war „da Wahnsinn“, wie man so schön auf waidlerisch sagt – und wir freuen uns jetzt schon auf all die Reisen, die noch folgen werden. Auf die netten Menschen, die man dabei kennenlernt, die schönen Orte, die man besuchen kann, die schmerzenden Füße, die zu kurzen Nächte, die vielen Abenteuer und die dazugehörende Entspannung. Wir freuen uns auf diese ganzen kleinen Zufälle und Momente, die jede Reise so einzigartig machen. Und letztendlich freuen wir uns auch auf die stete Heimkehr. „Weil’s dahoam hoid doch am schänst’n is.“
Michele Bauer