Karlsbach/Freyung. Wenn zwei Mädls eine Reise tun – dann gibt’s im Anschluss daran viel zu erzählen. Die beiden Schulfreundinnen Michele Bauer und Sarah de Smidt aus dem Landkreis Freyung-Grafenau sind diesen Sommer mit dem Interrail-Ticket durch Südwest-Europa getourt – und haben allerhand erlebt. Nach Teil eins und Teil zwei ihrer Reise machen sich die beiden 20-Jährigen in diesem Teil der Hog’n-Interrail-Serie nun dazu auf, mit Portugal den westlichsten und Andalusien den südlichsten Zipfel Europas zu erkunden. Unvergessene Momente, sowohl in abenteuerlicher als auch in kultureller Hinsicht, wie Autorin Michele im Folgenden schildert.

*** Tag 11: Im Zug nach Lissabon ***
Wir befinden uns im Nachtzug von Madrid nach Lissabon und schlafen friedlich vor uns hin. 1.55 Uhr morgens: Ich wache auf, denn ein Schaffner eilt durch den Mittelgang unseres Waggons und sagt mit dringlicher Stimme irgendetwas auf Spanisch. Ein paar Sekunden später ist er wieder verschwunden. Wird schon nichts Wichtiges sein, denke ich mir – und schlafe wieder ein. Zumindest versuche ich es, denn: Kurz darauf bricht eine merkwürdige Betriebsamkeit im Abteil aus. Schlaftrunken machen sich die Insassen daran, ihr Gepäck an sich zu nehmen und sich mehr oder weniger verwirrt zu den Ausgängen zu begeben. Irgendwie komisch. Dann fällt mir noch etwas auf: der Zug steht ja! Obwohl er nicht stehen dürfte – immerhin kommen wir laut Plan erst gegen 8 Uhr morgens in Lissabon an…

Auch Sarah ist mittlerweile alarmiert und sieht mich fragend an. In Bewegung setzen wir uns erst, als uns jemand auf Englisch entgegen schreit, warum wir denn nicht aufstehen – die Zugfahrt ende hier für uns. Schnell holen wir unsere Rucksäcke, schnappen uns Decke und Kissen und eilen den anderen hinterher auf den Bahnsteig. Wir befinden uns an irgendeinem Bahnhof in Portugal, soviel steht schnell fest.
Nach einigem Herumfragen finden wir jemanden, der Englisch spricht und weiß, was hier los ist. Er erklärt uns, dass unser Zug hier wenden werde und zurück nach Madrid fahre, da die Strecke nach Lissabon aufgrund von Waldbränden nicht befahrbar sei. Deshalb müssten alle Insassen den Zug räumen und hier auf Busse warten, die das gefährdete Gebiet umfahren. Man würde uns zu einem Bahnhof bringen, an dem ein Sonderzug nach Lissabon bereitstehe.
Ganz so funktioniert das allerdings dann doch nicht. Sarah und ich steigen in einen der letzten Busse ein – auf panische Drängelei haben wir keine Lust. Als wir dann am besagten Bahnhof ankommen, steht zu unserer Überraschung kein einziger Zug auf den Gleisen. Stattdessen sehen wir viele wartende Menschen. Wieder einmal fragen wir dutzende Leute, bis uns jemand erklären kann, was hier vor sich geht: Der Sonderzug hat nicht auf die letzten drei Busse gewartet, sondern ist einfach losgefahren, als die Mehrzahl der Leute drinnen saß.

Deshalb stehen wir nun hier und warten auf einen Linienzug. Eigentlich dürften wir diesen mit unserem Interrail-Ticket ja gar nicht benutzen – so ganz ohne Reservierung. Aufgrund der Ausnahmesituation machen die Schaffner in diesem Zug jedoch kein großes Tamtam, lassen alle einsteigen – auch wenn die Waggons deshalb total überfüllt sind.
Irgendwann vormittags kommen wir dann endlich in Lissabon an. Die Zeitumstellung verwirrt uns etwas, denn statt 10 Uhr ist es plötzlich erst 9. Indirekt sind wir also trotz Zugproblemen pünktlich angekommen, da wir mit dieser Extra-Stunde nicht gerechnet haben. Wir nehmen die U-Bahn zu unserer Zielstation – nach einigem Suchen kommen wir dann auch endlich in unserem Hostel an.
Wir sitzen im Aufenthaltsraum und finden es wirklich gemütlich hier. Wir ruhen uns zuerst etwas aus, die Nacht war doch ziemlich anstrengend. Doch schon bald sind wir wieder fit und vor allem neugierig genug, um die Stadt zu erkunden – zuerst einmal zu Fuß.

Die Häuser sind hier nicht so hoch wie in Madrid – und viel bunter. Was vor allem an den gemusterten Fliesen, die zahlreiche Gebäude zieren, liegt. Außerdem geht es hier immer wieder steil bergauf und bergab, was einem oft eine traumhafte Aussicht beschert. Die Straßen sehen irgendwie schnuckelig aus – so wie Lissabon generell. Die alten elektrischen Straßenbahnen verleihen dem Ort einen weiteren, besonderen Flair. Viele kennen diese nur, weil sie typisch für San Francisco sind – ursprünglich stammen sie aber aus Lissabon und sind deshalb auch hier eine Touristenattraktion. Vor allem die „Eléctrico 28“ ist berühmt. Da lassen auch wir uns eine Fahrt nicht entgehen – sind aber dann etwas enttäuscht, da sie für unseren Geschmack viel zu überfüllt ist.

Während unseres Spaziergangs können wir auch die berühmte Jesusstatue („Cristo Rei“) sowie die Brücke „Ponte 25 de Abril“ sehen, welche auch wieder an eine Attraktion in San Francisco erinnert: die Golden Gate Bridge. Die rote Brücke gefällt uns zwar, doch einzelne, besonders schön geflieste Häuser, beeindrucken uns mehr. Auch die vielen Korkgegenstände, die es hier zu kaufen gibt, faszinieren uns. Ich wusste gar nicht, was man nicht alles aus diesem typisch-portugiesischen Material machen kann. Das Repertoire der Händler geht von Geldbeuteln über Schmuck bis hin zu Schuhen und Taschen.
Unser Weg führt außerdem an einer weiteren Sehenswürdigkeit vorbei, dem Elevador de Santa Justa. Dabei handelt es sich um einen großen Personenaufzug, der die Unter- mit der Oberstadt verbindet. Nach einem Blumeneis – ja richtig gehört, ein Eis in Blumenform – setzen wir uns ein Weilchen an das Ufer des Tejo (so heißt der Fluss, an dem Lissabon liegt). Dort beobachten wir die Sterne, bevor wir in unsere Betten fallen.
*** Tag 12: Zu Besuch im „Lego-Schloss“ bei Sintra ***

Heute geht es auf nach Sintra. Das ist eine Stadt in der Nähe von Lissabon, die berühmt ist für ihr traumhaftes Märchenschloss Palácio Nacional da Pena. Es ist kunterbunt – und natürlich wollen wir uns etwas derart außergewöhnlich Schönes nicht entgehen lassen. Enttäuscht werden wir nicht. Als wir nach einer halben Stunde Zugfahrt und anschließender Busfahrt am Ziel ankommen, ist die Begeisterung groß. Das Schloss sieht absolut cool aus – besser kann man es wohl nicht beschreiben. Obwohl: „Märchenhaft“ trifft es auch ganz gut. Das Zutrittsticket haben wir uns am Tag zuvor online besorgt, deshalb kommen wir jetzt ohne Probleme durch die Eingangskontrolle und beginnen sogleich mit dem Aufstieg durch den steilen Schlosspark.
Oben angekommen, staunen wir noch mehr: Egal, wo man hinsieht, irgendwie ist alles gelb, blau oder rot – und vor allem irgendwie bunt. Irgendwie erscheint uns dieses Bauwerk unwirklich. Irgendwie „legohaft“ – aber es ist doch real. Wir besichtigen es von innen und von außen und sind rundum begeistert. Sogar der schmale Burgmauerweg ist für Touristen zugänglich. Satt sehen kann man sich hier nicht – gegen Abend müssen wir aber trotzdem zurück zur portugiesischen Hauptstadt, denn unser Zug nach Madrid fährt bereits gegen 21.30 Uhr ab – und wir wollen davor noch einen Happen essen.

Dieser Happen wird uns nur leider fast zum Verhängnis: Wir sind zu spät dran und kommen nur zwei Minuten vor Abfahrt des Hotelzugs am Bahnhof an. Dann heißt es: In zwei Minuten mit Backpack und diversen Taschen drei Stockwerke zum entsprechenden Gleis hochsprinten und hoffen, dass wir auch richtig stehen. Nach diesem Horror-Lauf kommen wir schließlich total fertig, aber zum Glück noch rechtzeitig am Zug an, werden „zur Strafe“ aber noch von sämtlichen Schaffnern von einem zum anderen gehetzt, da sie nicht wissen, wo sich unsere Schlafkabine befindet. Irgendwann sind wir aber doch richtig dran – und mehr als glücklich. Wir haben ein Zimmer für uns alleine. Betten im Zug, die genialste Erfindung, keine Frage. So gut habe ich selten in einer Bahn geschlafen… Um genau zu sein: noch nie!
*** Tag 13: Eine Dusche und Paella vor dem Schlafen gehen***
Nach unserer Ankunft in Madrid, geht es nach wenigen Stunden Aufenthalt weiter ins andalusische Granada. An unserem Hostel angekommen, machen wir nicht mehr allzu viel: Kurz noch eine Dusche im schönen, modernen Bad nehmen – und dann ein hübsches Restaurant aufsuchen. Heute wollen wir nicht in der Unterkunft kochen, so wie wir es sonst oft handhaben. Wir bestellen uns gemeinsam eine Paella, ein typisch spanisches Gericht. Hauptbestandteil ist Reis, der meist mit Hähnchenfleisch und Gemüse zubereitet und in einer Pfanne serviert wird. In unserem Fall handelt es sich um eine Paella aus Reis mit Fleisch und Meeresfrüchten. Zurück im Hostel sind wir erschöpft von dem langen Reisetag und zusätzlich schön satt. Außerdem sind unsere Betten sehr bequem – da schlummern wir erst recht schnell ein.
*** Tag 14: Ein Traum wird wahr – Alhambra ***
Der für mich wahrscheinlich schönste Tag der Reise beginnt. Nach einer Gratis-Stadtführung am Mittag, während derer wir viele Sehenswürdigkeiten Granadas (wie etwa das Viertel Albaicín) gezeigt und erklärt bekommen, erfülle ich mir nachmittags meinen größten Wunsch: endlich die Alhambra sehen. Schon einige Male habe ich ein Buch über diese Stadtburg gelesen – doch sie einmal im echten Leben besichtigen zu können, ist einfach ein Traum. Obwohl erst morgen mein Geburtstag ist, gibt es mein Geschenk quasi schon heute.

Nur 16 Euro kostet der Eintritt, die Tickets muss man vorher online bestellen, um in die Palastgebäude zu gelangen. Sarah begleitet mich dabei nicht, sie war schon einmal während der Schul-Abschlussfahrt hier – und will sich deshalb in der Zwischenzeit in den Geschäften der Stadt umsehen und nur die frei zugänglichen Bereiche der Alhambra nochmals anschauen. Also mache ich mich alleine auf den Weg in die Nasridenpaläste – eigentlich ganz praktisch, bei diesem Anblick hätte ich sowieso jeden vergessen, der mit mir mitgekommen wäre (sorry Sarah :D)
Von außen sieht die Burg für manche vielleicht recht unscheinbar aus, umso beeindruckender ist es aber, den maurischen Stil der islamischen Kunst im Inneren zu erblicken. Egal, wo man hinblickt – überall befinden sich Muster an den Wänden und Decken, die man zuvor noch nie gesehen hat – zumindest nicht in unserem Kulturraum. Manche Bereiche sind mit bunten Fliesen versehen und auch die Böden sind oftmals ein Hingucker. Hier zu leben, das muss der Traum einer jeden Frau zur damaligen Herrschaftszeit gewesen sein.

Highlight der Nasridenpaläste: der Löwenhof (Innenhof des Löwenpalastes) mit angrenzenden prunkvollen Räumen, die unendlich viele Zierelemente aufweisen. Doch auch der Thronsaal, entworfen von Yusuf I, ist schlichtweg beeindruckend. Neben traumhaft verzierten Seitenwänden lässt gerade die Decke einen nach Luft vor Staunen schnappen. Sie erinnert sehr an ein Firmament, dessen Sterne einem schier entgegenleuchten.
Nach den verschiedenen Palästen ist es aber noch nicht getan mit der Herrlichkeit – auch die Gärten der Alhambra und die Sommerresidenz „Generalife“ sind ebenso atemberaubend. Mein Glück: Heute wird die Sonne oft von Wolken bedeckt – zwar unpraktisch für Fotos, aber vorteilhaft für jeden, der sich unter freiem Himmel aufhält.
Der ehemalige Militärbereich Alcazaba bietet heute zahlreichen Touristen einen schönen Aussichtspunkt, denn vom großen Wachturm aus kann man die ganze Stadt überblicken. Auch wenn ich niemals gerne von hier weggehen würde, wird es irgendwann trotzdem Zeit. Etwas wehmütig und zeitgleich überglücklich, weil ich endlich hier war, verlasse ich die Alhambra.

Ich treffe mich mit Sarah auf dem Rückweg zum Stadtkern und gemeinsam gehen wir zum Hostel. Dort heißt es kurz frisch machen und dann beeilen wir uns, den Bus zum nächsten Höhepunkt des Tages zu erwischen: eine Flamenco-Show. Die ist irgendwie auch ganz anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Das rhytmische Klatschen der Musiker auf der kleinen Bühne, das Stampfen ihrer Füße und die enorme Ausdruckskraft der Tänzer(innen) zieht einen schnell in ihren Bann.
Ich genieße den Abend sehr – und verlasse elektrisiert das alte Steinhaus. Mit einem Taxi geht es zurück zum Stadtkern. Als wir einsteigen, bin ich erst mal total verblüfft, als Sarah mich plötzlich in den Arm nimmt und mir „Alles Gute zum Geburtstag“ entgegenruft.
Im letzten Teil unseres Interrail-Abenteurs werde ich Euch von unserem Abschied aus Granada, unserem Aufenthalt in Barcelona und unserer Heimfahrt zurück in den Bayerwoid berichten.
Michele Bauer