Wir haben es geschafft. Wir sind Eltern. Mama und Mama. Wir haben uns gemeinsam ein Kind gewünscht, wir haben gemeinsam all die Rückschläge durchgestanden, als es mit dem Schwangerwerden nicht klappen wollte. Wir haben gemeinsam die Schwangerschaft durchlebt – und wir kümmern uns gemeinsam um unser Kind. Auf dem Papier hatte dieses Kind trotzdem ein ganzes Jahr lang nur einen Elternteil.
Wir sehen uns selbst auch nicht als „besonderes Paar“
Nun bin ich also schwanger. Die kritischen ersten drei Monate sind vorbei und ich kann die Schwangerschaft endlich genießen. Es geht mir blendend. Das Baby in mir drin strampeln zu spüren, ist eine wunderschöne Erfahrung. Meine Partnerin Edith kann mit einem Hörrohr seine Herztöne hören – und von außen die kräftigen Tritte sehen und fühlen.
Den Geburtsvorbereitungskurs machen wir gemeinsam. Die Hebamme bemüht sich sichtlich, Edith nicht auszuschließen, wenn sie die Männer in der Runde anspricht: Sie sagt ständig neben „Partner“ auch „Partnerin“. Dabei ist uns das ja völlig egal – wir fühlen uns nicht diskriminiert, wenn sie es mal vergisst. Wichtig ist, dass uns hier keiner das Gefühl gibt, dass wir nicht reinpassen.
Wir sehen uns selbst nämlich auch nicht als „besonderes Paar“. Wir sind nie in Szenevierteln für Homosexuelle unterwegs, abgeschottet unter „Gleichgesinnten“ wollen wir nicht sein. Wir fühlen uns überall akzeptiert. Die allermeisten unserer Freunde sind heterosexuelle Paare mit Kindern, die in uns auch eine ganz normale werdende Familie sehen.
Freuen tut sich jeder mit uns. Kein einziges kritisches oder zweifelndes Wort. Die Unterstützung ist riesig: Kaum wissen Familie und Freunde, dass wir ein Kind erwarten, haben wir auch schon die gesamte Ausstattung zusammen: Babykleidung bekommen wir von meiner Tante, Bett und Wickelkommode von einem Arbeitskollegen, der uns gleich noch einen gebrauchten Kinderwagen anbietet.
Wer nicht davon wusste, dass wir uns ein Kind wünschen, ist meist sichtlich überrascht. Viele fragen nach, wie wir es gemacht haben. Manchen ist die Frage dann gleich wieder peinlich, sobald sie ihnen rausgerutscht ist. Aber ich kann ja verstehen, dass es neugierig macht. Ein Problem habe ich nicht damit, von der Samenspende zu erzählen, weil ich voll und ganz hinter unserer Entscheidung stehe. Und es kommen nur interessierte Fragen – wir sind bis heute niemandem begegnet, der uns zu verstehen gegeben hätte, dass er es falsch findet, was wir gemacht haben.
Ein Baby mit zwei Mamas hatten die Hebammen noch nie
Am Ende der Schwangerschaft lässt sich unser Kind wieder sehr viel Zeit. Nachdem wir lange auf die Schwangerschaft gewartet hatten, warten wir jetzt schon eine gute Woche über den errechneten Termin hinaus, bis es endlich losgeht: Die Fruchtblase platzt. Abends um elf sind wir in der Klinik, Münchner Trubel erwartet uns dort. Leider keine Atmosphäre, in der eine Geburt schnell und unkompliziert ablaufen kann. Ständig werde ich an den Wehenschreiber angehängt, mal kümmert sich die eine Hebamme um mich, dann wieder eine andere… Die Geburt dauert insgesamt 27 Stunden. Edith leidet jede Sekunde mit mir mit und unterstützt mich hervorragend. Und dann sind wir endlich eine kleine Familie – und das ist unfassbar schön!
Auch wenn in der Münchner Klinik jedes Jahr mehr als 2.000 Babys geboren werden: Ein Baby mit zwei Mamas hatten die Hebammen und Schwestern, mit denen wir zu tun haben, noch nie. Jetzt müssten wir uns nur noch entscheiden, wer es stillen will, meint die Stillberaterin. Sie will wohl lustig sein.
Etwas seltsam ist es, als ich dem Standesbeamten gegenüber sitze, der die Geburt offiziell beurkundet. Er trägt in die Geburtsurkunde „Vater unbekannt“ ein. Und mich als Mutter. Edith taucht erstmal nirgends auf. Sie ist vor dem Gesetz nämlich nur „Stiefelternteil“. Das ist der große Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft: Wird ein Kind in eine Ehe hineingeboren, gilt der Ehemann automatisch als rechtlicher Vater – auch wenn er gar nicht der biologische Vater ist. Dann steht er trotzdem als Vater in der Geburtsurkunde – es sei denn, die Mutter gibt einen anderen Vater an. Bei uns als eingetragene Lebenspartner ist es anders: Edith muss den langen Weg der Stiefkindadoption gehen, damit wir beide Eltern unseres Kindes sind. (Von dieser bürokratischen und in unseren Augen so überflüssigen Prozedur erzähle ich im letzten Teil der Serie.)
Auch als Stiefelternteil bekommt Edith zum Glück Elternzeit und Elterngeld. Da macht der Staat wiederum keinen Unterschied zwischen uns und anderen Eltern. Für uns war ganz klar: Nach der Geburt werden wir vier Wochen lang zu zweit für das Baby da sein – Ediths Arbeitgeber machte das auch ohne Probleme möglich. Perfekt.
Wir wollten so schnell wie möglich weg aus der Großstadt
Am dritten Tag nach der Geburt verlassen wir die Klinik – endlich daheim, endlich Ruhe. Nur die Hitze stört. Draußen sind es seit Tagen fast 40 Grad. Ein Traumsommer – außer man verbringt ihn mit einem Neugeborenen in einer engen Großstadtwohnung… Als es in der Wohnung schließlich auch nachts unerträglich heiß wird, packen wir unsere Sachen und fahren in den Bayerischen Wald. Dort warten stolze Großeltern auf uns drei – und ein großes Haus mit großem Garten. Traumsommer!
Nur schade, dass wir nach ein paar Wochen wieder zurück müssen in die Stadt. Edith muss wieder arbeiten. Erst in einem halben Jahr hat sie noch einmal Elternzeit. Wir haben es so geregelt: Ich als Freiberuflerin werde ein Jahr lang zu Hause bleiben und nur für das Kind da sein. Und auch danach will ich nicht sofort wieder Vollzeit arbeiten. Edith wird für das Familieneinkommen sorgen. Traditionelle bayerische Rollenverteilung, würde ich sagen. Die CSU fände das wohl gut.
Viele Münchner Bekannte reagieren eher überrascht, wenn wir erzählen, dass wir es uns nicht vorstellen können, unser Kind mit einem Jahr – oder sogar noch früher – in eine Kita zu geben. In München ist es ganz normal, sich schon sehr frühzeitig um einen Kitaplatz zu kümmern, damit beide Eltern wieder Geld verdienen können. Dass wir planen, mit nur einem vollen Einkommen in München über die Runden zu kommen, ist dagegen für viele unserer Freunde unvorstellbar. Und dass ich nicht auf Gleichberechtigung poche und meinen Job mit Kind erstmal nicht Vollzeit ausüben will, versteht sicher auch nicht jeder.
Insgeheim hatten wir schon in der Schwangerschaft einen Gedanken im Hinterkopf: Wir wollten so schnell wie möglich weg aus der Großstadt, unserem Kind ein Leben auf dem Land ermöglichen. Eine Kindheit, wie wir sie hatten. Klar soll unser Kind Kontakt zu Gleichaltrigen haben – aber nicht von Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr. Ein durchstrukturiertes Kita-Leben wollen wir nicht.
„Kind mit Charakter“: Er weiß genau, was er will und was nicht
Ein knappes Jahr nach der Geburt haben wir München tatsächlich den Rücken gekehrt. Wir wohnen jetzt wieder „dahoam“ im Bayerischen Wald. Hier hat unser Kind jede Menge Platz, einen großen Garten, Natur um sich rum – und eine große Familie, die den Kleinen über alles liebt. Und entgegen aller Vorurteile über die „Hinterwäldler“: Im Bayerischen Wald haben wir es als lesbisches Paar mit Kind nicht schwerer als in München – die Waidler sind ein gelassener Menschenschlag, der jeden so akzeptiert, wie er ist.
Im Rückblick war unser Weg zum gemeinsamen Kind wirklich steinig. Aber der lange Kampf hat sich definitiv gelohnt. Jedes Mal, wenn wir unseren Sohn lachen sehen, wenn wir miterleben, wie schnell er wächst, neue Dinge lernt, die Welt entdeckt, wenn wir miteinander lachen und aneinander gekuschelt einschlafen, dann wissen wir, dass es definitiv richtig war nicht aufzugeben.
Klar gab es auch mal den einen oder anderen Moment, an dem das Leben mit Baby ziemlich anstrengend war. An dem sich dann kurz der Gedanke aufgedrängt hat: Und das haben wir uns so sehr gewünscht? Laut seiner Kinderärztin haben wir ein „weit entwickeltes Kind mit Charakter“. Es begeistert uns, wie schnell aus dem Baby eine kleine Persönlichkeit geworden ist, die so rasant reift. „Kind mit Charakter“ heißt aber auch, dass er nicht immer „pflegeleicht“ ist. Er weiß genau, was er will – und was nicht.
Wir haben die ersten Monate gemeinsam geschafft – auch die Tage, an denen er einfach nicht schlafen wollte, an denen er gebrüllt hat, an denen er Zähne gekriegt hat und deswegen nicht essen wollte… Deswegen bin ich mir sicher, dass wir auch all die kommenden Jahre mit all ihren Herausforderungen gut miteinander meistern werden.
Für Edith war die Situation alles andere als gut…
Und obwohl wir von Anfang an alles gemeinsam gemeistert haben, war ich trotzdem ein Jahr lang allein erziehungsberechtigt – Edith hatte als „Stiefmutter“ nur das kleine Sorgerecht. Für sie war die Situation alles andere als gut: Wenn mir etwas zugestoßen wäre, hätte die Justiz darüber entschieden, was mit unserem Kind passiert – ob es bei Edith bleiben darf. Und das, obwohl sie von Anfang an immer für unser Kind da war, für seinen Unterhalt sorgt, sich kümmert und den Kleinen über alles liebt. Rechtlich war es nicht „ihr Kind“.
Vom langen Weg bis zur Geburtsurkunde, in der wir beide als Eltern stehen, erzähle ich Euch im letzten Teil der Serie!
Sabine Simon