Karlsbach/Freyung. Michele Bauer aus Karlsbach und Sarah de Smidt aus Freyung haben sich im Sommer 2016 auf eine ganz besondere Reise begeben – mit dem Interrail-Ticket durch Südwest-Europa. Auf dem Tour-Plan der beiden 20-Jährigen: Frankreich, Spanien und Portugal. 17 Tage Abenteuer, 17 Tage Kultur pur. Nachdem die beiden Abiturientinnen aus dem Bayerwald im ersten Teil ihrer Reise in Nîmes und Benijófar Halt machten, führt sie ihr Weg nun nach Valencia und Madrid, wo sie zunächst als Couchsurfer in der Wohnung eines jungen, ihnen unbekannten Spaniers übernachten und vor ihrer Weiterfahrt nach Lissabon in einem Hostel einchecken. Aber lest selbst…

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„Ich kann mich hier kaum satt sehen und könnte noch ewig bleiben.“ Die Innenstadt von Valencia begeistert Michele und Sarah mit ihrer architektonischen Vielfalt.

*** Tag 7: Auf nach Valencia ***

Die Vorfreude steigt wieder einmal. Es ist jetzt 6 Uhr morgens und wir brechen auf. Sarahs Tante bringt uns von Benijófar aus zum Bahnhof in Alicante. Nach einem herzlichen Abschied müssen wir noch durch die Gepäckkontrollen (die in Spanien an jedem Bahnhof üblich sind) – und können dann in den Zug nach Valencia steigen, wo wir unseren Tag verbringen wollen. Abends werden wir uns dann auf den Weg nach Madrid machen.

arena-innenWie können wir aber jetzt unseren Aufenthalt in Valencia so gestalten, dass wir innerhalb weniger Stunden so viel wie möglich von der Stadt sehen? Fahrräder mieten lautet die Lösung. Zuerst entdecken wir aber direkt neben unserem Ankunftsbahnhof eine Stierkampfarena, die wir uns anschauen wollen. Nur zwei Euro kostet der Eintritt, für Studenten sogar nur einen Euro. Wir besuchen zunächst das dazugehörige Museum, sehen uns einen Film über Stierkämpfe an und können im Anschluss in der Arena den Nachwuchstalenten beim Training zusehen. Ohne echten Stier, dafür mit „Fake-Hörnern“ und rotem Tuch. Was ich von dieser Tradition halten soll? Naja, so richtig gut finde ich sie nicht. Dazu werden die lieben Tiere zu sehr gequält…

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Wir verlassen die Arena und begeben uns mit mulmigem Gefühl zum Fahrradverleih. Mit den Dingern ist man um einiges schneller unterwegs als zu Fuß, eine willkommene Abwechslung. Unser Trip führt uns durch die bezaubernde Altstadt sowie zu einem noch viel spannenderen Teil von Valencia: durch den Stadtpark „Jardin del Turia„. Er ist stolze elf Kilometer lang. Was ihn so besonders macht, ist aber nicht nur seine Größe, sondern auch der Grund dafür: denn eigentlich ist der Park das Flussbett des Turia.

Wegen ständigen Überschwemmungen wurde der Teil des Flusses, der durch Valencia verlief, trockengelegt. Der Turia wurde einfach an der Stadt vorbei geleitet und sein ehemaliges Flussbett zu einem kleinen Paradies mitten in der Großstadt umgewandelt. Der Park liegt tiefer als die Straßen und Häuser, die ihn umgeben, sodass man schnell vergessen kann, was etwas „weiter oben“ für ein Trubel herrscht. Zahlreiche Brücken, teils mit Blumen geschmückt, spenden „hier unten“ zusätzlich zu den vielen Bäumen ordentlich Schatten.

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Mit dem Fahrrad durch den Jardin del Turia. Im Hintergrund: Das Opernhaus von Valencia „Palau de les Arts Reina Sofia“.

Da die Anlage sehr flach ist, fällt auch das Radfahren recht leicht und wir erreichen deshalb bald unser nächstes Ziel: „Ciudad de las Artes y de las Ciencias„, was auf Deutsch so viel heißt wie: „Stadt der Künste und der Wissenschaften“. Dieser Ort modernster Architektur befindet sich ebenso wie der Jardin del Turia im ehemaligen Flussbett. Besonders beeindrucken mich der „L’Umbracle„, also der botanische Garten mit seinem Sonnendach, und das Opernhaus, genannt „Palau de les Arts Reina Sofia“ – ein atemberaubendes Gebäude, strahlend weiß im Sonnenlicht, gebogen und gekrümmt und einfach riesig. Alle Formen sind leicht geschwungen, was sehr anmutig aussieht. Dieses Gebäude zu beschreiben, dürfte sogar selbst seinem valencianischen Architekten Santiago Calatrava schwer fallen.

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Als Fan alter Brücken muss ich übrigens anmerken, dass es mir „El Pont de l’Assut de l’Or“ ziemlich angetan hat, obwohl es sich dabei um eine überaus moderne Schrägseilbrücke handelt. Klar, sie steht ja auch in diesem Neubautenkomplex, da hat was Altes nichts zu suchen. Was auch irgendwie gut ist, denn gerade dieser krasse Kontrast zwischen der „normalen Alltagswelt“ in Valencia und dem futuristischen Viertel hier ist das, was vielen Menschen so imponiert.

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El Pont de l’Assut de l’Or, eine überaus moderne Schrägseilbrücke.

Ich kann mich hier kaum satt sehen und könnte noch ewig bleiben. Leider müssen wir zurückradeln, um unseren Anschlusszug nach Madrid noch rechtzeitig zu erreichen. Wieder im Kern der Stadt angelangt, geben wir unsere Fahrräder ab und holen unsere Rucksäcke von der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof. Eine angenehme Zugfahrt später kommen wir gegen halb zwölf Uhr nachts in Madrid an. Dort erwartet sogleich eine böse Überraschung: Die U-Bahn wird derzeit renoviert und ist deshalb gesperrt. Bis wir jemanden finden, der uns sagt, welchen Bus wir nehmen müssen, ist es schon weit nach Mitternacht. Heißt: Die Busfahrer gehen in den wohlverdienten Feierabend – und wir stehen hilflos an der endlich richtigen Haltestelle. Zu spät.

 

*** Tag 8: Couchsurfing ist angesagt ***

Nach der verzweifelten Bus-Suche bei 30 (!) Grad plus mitten in der Nacht steigen wir letztendlich in ein Taxi – und lassen uns für preiswerte 16 Euro durch die halbe Stadt an unser Ziel kutschieren. Wir wollen nämlich „couchsurfen“ und besuchen deshalb einen gewissen Dawinson, den wir über die Couchsurfing-App ausfindig gemacht haben. Er ist sehr nett und nimmt uns für ein paar Tage bei sich auf – trotz Beruf und Studium. Was Couchsurfen überhaupt ist? Weltweit gibt es offene Menschen, die reisefreudige Touristen (meist völlig kostenlos) in ihrer Wohnung aufnehmen und mit ihnen, wenn es die Zeit erlaubt, etwas unternehmen und ihre Heimat zeigen. Fast selbstverständlich bietet man ihnen im Gegenzug eine Übernachtungsmöglichkeit, wenn sie denn auch einmal in die Heimat ihrer Gäste reisen möchten. In Kontakt gelangt man mit den Couchsurfing-Hosts zum Beispiel über die oben genannte App – dort kann man sich auch per Chat austauschen. Für mich ist es der erste Couchsurfing-Versuch – offensichtlich ein tolles Prinzip mit Gewinnern auf beiden Seiten.

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Wunderschön ist es hier. Die Häuser strahlen allesamt, riesig und hell sind sie

Doch als wir das mehrstöckige Haus erreichen, in dem unser Gastgeber wohnt, kommen erste Anflüge von Zweifeln auf. Zwei Mädchen, nachts alleine in einer fremden Großstadt, unterwegs zu einem Unbekannten. Hört sich an wie ein schlechter Anfang eines Krimis. Wir gehen ins Gebäude, zum Aufzug, fahren in das uns per Chat mitgeteilte Stockwerk. Wir befinden uns schließlich in einem dunklen, gruseligen Gang –  nicht wissend, wo wir genau sind und wohin wir denn flüchten könnten, wenn ein „Psychopath“ uns gleich die Tür öffnet. Mutig klingeln wir, warten leicht nervös bis die Wohnungstür auffgeht – und uns dann ein strahlender junger Mann mit blond gefärbten Haaren ein fröhliches „Hello“ entgegenruft. Erleichtertes Ausatmen. Schnell fühlen wir uns willkommen und gut aufgehoben. Er beherbergt noch zwei weitere Gäste, Holländer auf der Durchreise, die bereits mit Musik auf uns warten. So werden wir gleich in eine gemütliche Runde mitaufgenommen, erfahren, was wir uns am nächsten Tag in der Stadt unbedingt anschauen sollen.

Irgendwann ist es dann fast drei Uhr morgens – und unser Tag war lang. Hatte der Morgen noch in Benijófar begonnen, sind wir nach einer Erkundungstour durch Valencia aufgeregt in Madrid angekommen. Deshalb machen wir uns nach dem mitternächtlichen Kennenlernen jetzt endlich bettfertig – und fallen schnell in einen tiefen Schlaf. Sogar ein eigenes Zimmer mit großem Bett haben wir für uns beide zur Verfügung gestellt bekommen. Echt super, vor allem wenn man nur mit einer Couch gerechnet hat…

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Die Almudena-Kathedrale – sie sieht groß, aber unscheinbar aus.

Ausgeschlafen geht’s mittags los in die Stadt. Wunderschön ist es hier. Die Häuser strahlen allesamt, riesig und hell sind sie. Das Wetter passt: Sonne pur und 40 Grad. Gegen Abend treffen wir uns wieder mit Dawinson und seinen weiteren Gästen und machen es uns mit einer Picknickdecke in einer Grünanlage nahe seiner Wohnung gemütlich. Als es dann tatsächlich zum ersten Mal seit unserer Abreise nach Regen aussieht, wandert unser kleines Grüppchen in den nächsten Pub. Eine gute Erfahrung, denn in Spanien ist es Brauch, zu jedem Getränk Tapas zu servieren, also kleine Snacks. Für nur fünf Euro bekommen wir einen großen Krug Weinschorle eingeschenkt – dazu gibt’s ein ganzes Teller mit belegten Brötchen. Zum Bierkrug, den wir im Anschluss bestellen, gibt es kostenlose Kartoffeln mit verschiedenen Dips. Jetzt wundert mich nicht mehr, warum eine Freundin von Dawinson erzählt, dass sie gerne in Madrid einen Trinken geht, wenn sie mal keine Lust zum Kochen hat.

Später machen wir uns nochmals auf in die Stadt: In eine Salsa Bar, wir wollen tanzen. Die Stimmung hier steckt an, kaum ein Bein das stillhält, der gesamte Club ist quasi eine reine Tanzfläche. Nach Hause geht es stilecht mit dem Taxi, die Metro hat um diese Zeit längst geschlossen, Busse fahren sowieso nicht mehr. Das wissen wir ja schon…

 

*** Tag 9: Über den Dächern Madrids ***

Neuer Tag, neues Glück. Heute ist Power-Sightseeing angesagt. Zuerst wechseln wir aber noch in ein Hostel, denn unser Couchsurfing-Gastgeber erwartet Besuch von seiner Familie – und hat deshalb keinen Platz mehr für uns. Kurz nach dem Einchecken geht es auch schon los, ein langer Fußmarsch steht an. Schließlich wollen wir viel von der Stadt sehen. Im Hostel haben wir einen Stadtplan erhalten, darauf sieht man, dass sich der Puerta del Sol nahe unserer Unterkunft befindet – weshalb wir gleich dort mit unserer Tour beginnen.

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Das pompöse Rathaus von Madrid.

Von dort aus geht es dann weiter in die Almudena-Kathedrale – sie sieht groß, aber unscheinbar aus. Innen begeistert sie uns jedoch regelrecht mit ihren bunten Farben an den vielen Fenstern und der Gewölbedecke. Gegenüber der Kathedrale befindet sich der Palacio Real, die offizielle Residenz des spanischen Königshauses (auch wenn die Adelsfamilie hier nicht lebt). Auf dem Platz zwischen Kathedrale und Palast suchen wir uns ein schattiges Plätzchen und machen Brotzeit. Unsere Neugierde ist geweckt – und wir überlegen kurz, ob wir nicht doch den Palast besichtigen wollen, immerhin ist er bald zwei Stunden umsonst zugänglich. Ein interessantes System in Madrid: Viele Sehenswürdigkeiten, die normalerweise Eintritt kosten, sind an manchen Tagen für einige Stunden gratis zugänglich. Dementsprechend sind aber dann auch die Warteschlangen vor den Attraktionen recht lang – wir entschließen uns in diesem Fall gegen einen Besuch.

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In den Palastgärten Jardines de Sabatini gibt es Pfaue zu bestaunen…

Wir peilen die Palastgärten Jardines de Sabatini an. Ein paar große Grünflächen laden Kinder ein, sich hier auszutoben. Sie rennen hinter irgendwelchen Tieren her, die sich bei genauerem Hinsehen als Pfaue entpuppen. Richtig schön, dass die hier einfach frei umherlaufen können – und touristenscheu sind sie anscheinend auch nicht. Für Fotos sind sie nämlich zu haben, nur streicheln lassen sie sich nicht.

Allmählich wird es Abend und auf unserem Tagesplan sind schon fast alle Stationen abgehakt. Nur etwas zu Essen fehlt noch sowie der Tempel von Debod. Dabei handelt es sich um einen ägyptischen Tempel auf einem Berg nahe des Palacio Real. Als wir endlich oben ankommen, sind wir enttäuscht. Die Tempelanlage ist „aufgrund eines Defekts“ geschlossen. Unser Trost: die Aussicht hier oben ist herrlich! Irgendwann knurren unsere Mägen aber dann doch so laut, dass wir uns auf den Weg zurück zum Hostel machen.

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… die hier frei umherlaufen.

Der Tagesplan ist erledigt, doch es gibt noch einen für die Nacht. Dieser beinhaltet zwar nur einen Punkt, doch auf den freuen wir uns dafür aber umso mehr: die Rooftop-Bar. Auf der Gran Via, einer schicken Einkaufsstraße mit berühmter Spielbank und Theatern, gibt es nämlich eine Bar, die sich quasi über den Dächern von Madrid befindet. Diesen Tipp haben wir von Dawinson erhalten – und natürlich will man sich den Anblick der Stadt von oben nicht entgehen lassen. Erst recht nicht nachts. Deshalb suchen wir trotz Müdigkeit das Lokal auf und fahren dort mit dem Aufzug hinauf bis zum Dach des Gebäudes. Der Ausblick hier ist traumhaft- und mit einem Mojito, meinem absoluten Lieblingscocktail, lässt er sich gleich noch viel besser genießen. Als wir nach der Heimkehr wieder auf unserem Zimmer ankommen, schlafen wir sofort ein.

 

*** Tag 10: Blasen an den Fußsohlen ***

RRRrrrrrr… RRRrrrrrr… mein Wecker vibriert, ich wache auf und fühle mich fit und ausgeschlafen. Sobald ich aber versuche aufzustehen, verschwindet mein innerer Friede plötzlich wieder. Unsanft werde ich in die Realität zurückgeholt. Munter und topmotiviert loszumarschieren fällt wohl doch flach heute, denn meine Füße tun höllisch weh, sobald sie den Boden berühren. Blasen an den Fußsohlen sind wirklich nicht gerade angenehm.

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Der Kristallpalast ist ja doch nur ein schöneres Gewächshaus.

Trotzdem rapple ich mich irgendwann aus dem Bett und beginne tapfer meinen Tag. Natürlich erst, nachdem ich meine Füße mit dicken Heftpflastern ausgepolstert habe. Zum Glück steht heute kein so langer Marsch mehr an. Zum Retiro-Park wollen wir noch, den Palacio de Cristal anschauen und ein bisschen im Grünen liegen.

Der Kristallpalast sieht innen eigentlich genauso aus wie außen. Nur eine kleine Ausstellung befindet sich darin, ansonsten ist der große Raum leer. Was gut ist, denn so können die gemusterten Glasfassaden ihre funkelnde Wirkung entfalten. Lange halten wir es trotzdem nicht im Inneren aus, immerhin ist so ein Glaspalast ja doch nur ein schöneres Gewächshaus und dementsprechend heiß. Etwas später befinden wir uns vorm Museo del Prado. Hier stehen wir eine Stunde an, um dann den Gratiseintritt nutzen zu können. Manche finden Museen vielleicht eher langweilig, Sarah und ich sind aber von den Kunstwerken hier angetan. Leider können wir nicht so lange bleiben, denn unsere Backpacks warten im Hostel auf ihre Abholung.

Heute geht es nämlich noch mit dem Hotelzug (es gibt Sitzplätze und auch Zimmer mit Betten; diese sind aber leider schon ausgebucht gewesen) nach Lissabon. Also verabschieden wir uns von den Bildern an der Wand und machen uns auf den Weg zu unserem Gepäck und dann zum Bahnhof. Kurz nachdem unser Zug um 21.50 Uhr Madrid verlässt, fallen wir schon in einen angenehmen Sitzschlaf. Lange wird das aber nicht so bleiben…

Michele Bauer

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