Eine kleine Ewigkeit haben wir darauf gewartet, dass ich endlich schwanger werde. Und als es dann so weit ist, kann ich es nicht glauben. Hat sich da tatsächlich ein winzig kleines Lebewesen in mir „eingenistet“? Wann und wie wir uns diese Frage gestellt haben, erfahrt Ihr im Folgenden:
Edith darf im entscheidenden Moment nicht dabei sein
Ein paar Wochen nach der Hormonbehandlung bin ich wieder in der Kinderwunschpraxis. Diesmal zum sogenannten Transfer. Vor vier Tagen haben die Experten hier im Labor vier meiner acht befruchteten Eizellen aus ihrem eiskalten Tiefschlaf geholt. Die beiden, die sich am besten entwickelt haben, sollen heute zurück in meine Gebärmutter kommen.

Im fünften Teil der Hog’n-Serie „MamaMamaKind“ berichtet die 34-Jährige unter anderem über die Prozedur der künstlichen Befruchtung, das erneute Warten auf ein (positives) Ergebnis und die Erkenntnis, endlich schwanger zu sein. Foto: privat
Während die Inseminationen immer in einer sehr angenehmen, privaten Atmosphäre stattgefunden haben, ist bei der künstlichen Befruchtung tatsächlich alles „künstlicher“. Ich muss alleine hinein in den Behandlungsraum, meine Partnerin Edith darf im entscheidenden Moment nicht dabei sein. Weil drinnen alles steril sein muss. Das ist der Moment, wo uns die Atmosphäre in der Praxis am unpersönlichsten erscheint. Dass wir auch vorher oft nur eine „Patientennummer“ in den Augen der Mitarbeiter waren – das Gefühl hatten wir zumindest – war noch okay. Schließlich helfen die Ärzte hier sehr sehr vielen Paaren, ihr Wunschkind zu bekommen. Aber dass Edith im entscheidenden Moment nur im Wartezimmer sitzen darf, ist schade. In anderen Praxen kann der Partner zumindest durch eine Glasscheibe hindurch zugucken.
Was ich ohne sie erlebe: Der Arzt erklärt mir, dass eine der befruchteten Eizellen sich gut entwickelt hat und bereits im frühen Blastozysten-Stadium ist. Die andere ist noch nicht ganz so weit, noch eine sogenannte Morula-Zelle. Aber auch hier ist es möglich, dass sie sich gut weiter entwickelt – nur eben in einem etwas langsameren Tempo.
Krankenschwester: „Jetzt sind sie ein bisschen schwanger“
Die „Prozedur“ an sich, also der Transfer der Eizellen aus dem Nährmedium in die Gebärmutter, geht rasch: Ich kann auf einem Bildschirm mitverfolgen, wie der Arzt die beiden Embryos mit einer Pipette aus einem beschrifteten Behälter holt. Darauf steht mein Name und mein Geburtsdatum. Überhaupt muss ich bei jedem Schritt, der hier gemacht wird, meinen Namen noch mal wiederholen oder irgendwo ablesen und bestätigen. Die nette Krankenschwester, die mit dabei ist, meint amüsiert: „Ab heute vergessen Sie Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum garantiert nicht mehr!“ Das alles dient dazu, dass mir auch definitiv meine Embryos transferiert werden und es garantiert zu keiner Verwechslung kommt.
Am Ende verabschiedet mich die Krankenschwester mit den Worten: „Jetzt sind sie ein bisschen schwanger.“ Aber wie lange werden die beiden Embryos in mir drin überleben?
Einen Tag nach der Behandlung erstmal eine sehr positive Nachricht: Auch die anderen beiden befruchteten Eizellen, die zwar aufgetaut, aber nicht transferiert wurden, haben sich so gut entwickelt, dass der Arzt sie wieder eingefroren hat. Sollte es also jetzt noch nicht klappen, versuchen wir es beim nächsten Mal mit den beiden anderen. Dass sich vier von vier befruchteten Eizellen so gut weiter entwickeln, ist selten der Fall. Ein gutes Zeichen?
Eine ganze Woche müssen wir nun – mal wieder – abwarten. Dann wird mir – mal wieder – Blut abgenommen. Doch diesmal bestimmt das Labor nur eines: Den sogenannten HCG-Wert in meinem Blut.
HCG – humanes Chloriongonadotropin
- HCG steht für „humanes Chloriongonadotropin„, das „Schwangerschaftshormon“
- Sobald die Blastozyste (Keimblase) sich in der Gebärmutter einnistet, produziert sie dieses Hormon und signalisiert damit dem Körper der Mutter: „Hallo, ich bin da!“
- Acht Tage nach der Empfängnis kann ein Bluttest das HCG nachweisen. Ein Wert über 20 IE/I bedeutet: Schwanger! Im Urin ist das HCG erst ein paar Tage später nachweisbar.
- Das Hormon sorgt dafür, dass der Körper die Schwangerschaft aufrechterhält. Nur wenn genügend HCG vorhanden ist, produziert der Körper der Mutter auch genügend Progesteron, das wiederum die Gebärmutterschleimhaut stabilisiert.
- Ab dem 4. Schwangerschaftsmonat produziert die Plazenta Progesteron, der HCG-Wert nimmt ab (und auch die Schwangerschaftsbeschwerden).
Auch ein handelsüblicher Schwangerschaftstest misst den HCG-Wert – nur sind die Messwerte des Labors noch genauer und wir erfahren schon zu diesem frühen Zeitpunkt, wie gut oder schlecht es aussieht. Morgens bin ich also in der Praxis – und mittags ruft mich eine Sprechstundenhilfe an und teilt mir das Ergebnis mit: Es ist leider sehr eindeutig. HCG-Wert null. Ich muss zwar in drei Tagen noch mal hin, weil erst dann ein ganz hundertprozentig sicheres Ergebnis erreicht werden kann, aber ich weiß schon jetzt: Die beiden transferierten Embryos haben sich nicht eingenistet – was uns der Arzt dann auch drei Tage später bestätigt.
Erstmal ein ziemlicher Schlag ins Gesicht: War der ganze Aufwand umsonst? Der Arzt beruhigt uns aber. Er ist sehr zuversichtlich, dass wir uns nicht mehr lange gedulden müssen – und die Chancen beim nächsten Transfer sehr gut sind. Denn die beiden anderen Eizellen haben sich zu lupenreinen Blastozysten weiterentwickelt.
Beim nächsten Versuch kenne ich den Ablauf schon – und bin deshalb ziemlich ruhig und entspannt. Zwei andere Frauen, die zeitgleich mit mir auf die Behandlung warten, sind um einiges nervöser. Ich bin generell gut darin, einfach alles auf mich zukommen zu lassen – viel beeinflussen kann ich sowieso nicht. Das Schicksal, die Natur entscheidet. Bei etwa 35 bis 38 Prozent liegt statistisch gesehen die Chance, dass ich jetzt endlich schwanger werde. Und es ist seltsam: Irgendwie glaube ich noch immer fest daran. Ich weiß, dass es noch weit schwierigere Fälle als mich gibt und bin mir sicher, dass es sich lohnen wird, dass wir so unendlich viel Geduld beweisen.
Sieht tatsächlich danach aus: Ich bin schwanger
Sieben Tage nach dem zweiten Transfer zittere ich wieder am ganzen Körper, als ich in der Kinderwunschpraxis anrufe, um das Ergebnis meines Bluttests zu erfragen. Und dann sagt die Dame am Telefon zu mir: „HCG ist bei 47, es sieht gut aus.“
Ich hab all die Monate gedacht, ich flippe aus bei so einem Ergebnis. Und jetzt bin ich seltsam ruhig. Aber natürlich trotzdem überglücklich. Sieht tatsächlich danach aus: Ich bin schwanger. Natürlich rufe ich sofort Edith an und realisiere es allmählich, als sie sich genauso freut wie ich. Trotzdem sitzen wir die nächsten zwei Tage immer noch auf Kohlen – bis der zweite Bluttest einen noch höheren HCG-Wert bestätigt und die Praxis mir sagt: „Es ist eine Schwangerschaft eingetreten.“ Wow!
Fast zwei Jahre sind vergangen, seit Edith und ich darüber gesprochen haben, dass wir gerne gemeinsam ein Kind hätten. 17 Monate sind vergangen seit dem ersten Versuch, durch Insemination schwanger zu werden. Eine schier unglaublich lange Zeit. Im Nachhinein sind es natürlich „nur“ eineinhalb Jahre – aber als wir sie durchlebt haben, wirkten sie wie zehn. Ich habe großen Respekt vor jedem Paar, das noch länger auf ein Kind warten muss. Oder sogar nie die erlösende Nachricht von einer Schwangerschaft erhält. Oder Fehlgeburten erleben muss.
Dass dem Leben in mir drin etwas zustoßen könnte, davor habe ich in den ersten Wochen der Schwangerschaft ziemliche Angst. Eine Woche nach dem Bluttest in der Praxis kaufe ich mir deshalb noch mal einen Schwangerschaftstest in der Drogerie. Ich will einfach noch einmal „schwarz auf weiß“ sehen, dass ich nach wie vor schwanger bin. Bin ich auch.
Wir fiebern gemeinsam von Untersuchung zu Untersuchung
Als Edith und ich dann gemeinsam beim ersten Ultraschall ganz klar den Herzschlag des Babys hören, fällt mir ein extrem großer Stein vom Herzen. Erst jetzt lasse ich den Gedanken voll und ganz zu: Ich bin schwanger! In der vierten Woche.
Noch erzählen wir es aber kaum jemandem. Wir fiebern gemeinsam von Untersuchung zu Untersuchung. Ich versuche, mich bei der Arbeit so wenig wie möglich zu stressen und anzustrengen. Irgendwann verbiete ich mir selbst, in Internet-Foren nachzulesen, was in den ersten Wochen alles gefährlich sein könnte für das ungeborene Kind. Denn es macht einen einfach verrückt, was die Leute da so alles schreiben, von welchen Komplikationen sie berichten …
Mein Körper sagt mir eigentlich ganz genau, was gut ist für mich und was nicht. Abends um zehn bin ich hundemüde und schlafe auf der Couch ein. Auch tagsüber bin ich längst nicht mehr das gewohnte Energiebündel, mir ist ständig schwindelig und übel… Die Angst aber bleibt: Wir haben jetzt so lange für die Schwangerschaft gekämpft – nicht vorstellbar, was wäre, wenn ich irgendetwas falsch mache und das kleine Leben in mir drin dadurch gefährde. Deshalb halte ich mich an all die Empfehlungen, die einer Schwangeren um die Ohren schwirren: Nicht schwer heben, dies und das nicht essen, aufpassen sich mit dem und dem nicht anzustecken. Normalerweise pack ich immer mit an, wenn das Kamerateam, mit dem ich in meinem Job als Fernsehjournalistin unterwegs bin, viel Equipment schleppen muss. Jetzt halte ich mich vornehm zurück. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich auch im dritten Monat noch so skeptisch sein würde, dass tatsächlich alles gut geht.
Bis zum Ende des dritten Monats unterstützt man bei einer künstlichen Befruchtung den Körper weiter mit Hormonen. Ab dann produziert der Embryo selbst genug Hormone. Als ich die Tabletten absetze und weiterhin alles gut ist, bin ich mir endlich sicher: Wir haben es geschafft!
Wie wir den Rest der Schwangerschaft und die Geburt erlebt haben, wie Familie, Freunde – und Fremde – auf uns zwei Mamas reagiert haben und wie das Leben als Familie begonnen hat, erzähle ich Euch im nächsten Teil.
da Hog’n