Karlsbach/Freyung. 17 Tage lang zu zweit mit dem Rucksack auf dem Rücken durch Südwest-Europa – nicht mit dem Auto oder dem Wohnmobil, sondern mit dem Zug. Klingt irgendwie aufregend? Ist es auch! Michele Bauer aus Karlsbach und Sarah de Smidt aus Freyung (beide 20) haben sich ins „Abenteuer Interrail“ gestürzt – und sind diesen Sommer mit dem vor allem bei jungen Leuten recht beliebten Zugticket durch Frankreich, Spanien und Portugal getingelt. „Wir wollten möglichst viel für wenig Geld unternehmen – und einfach reisen, nette Leute treffen und uns andere Länder und Kulturen anschauen.“ Was sie auf ihrer Tour alles erlebt haben, darüber berichten Michele und Sarah in unserer dreiteiligen Hog’n-Serie.

Zunächst: Was man als Interrail-Reisender unbedingt beachten sollte

Unser Interrail-Ticket umfasst sieben Reisetage innerhalb von 30 Tagen – und das für 246 Euro. Das heißt: Es ist 30 Tage lang gültig – und man kann innerhalb Europas an sieben Tagen jeden Zug damit benutzen. Eine tolle Reisemöglichkeit – doch ganz so unkompliziert, wie es klingt, ist’s dann doch nicht…

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Backpackers delight: Sarah de Smidt (links) und Michele Bauer haben diesen Sommer das Abenteuer Interrail gewagt…

Es gibt nämlich ein paar Bedingungen, an die man sich halten muss: So sind beispielsweise die meisten größeren und vor allem schnelleren Züge (so wie der TGV in Frankreich oder der ICE in Deutschland) reservierungspflichtig. Da wir eine reine Städtereise planen und derlei Züge hauptsächlich zwischen größeren Städten verkehren, gilt diese Reservierungspflicht demnach für alle Bahnen, die wir benutzen wollen. Der Nachteil: Das kostet zusätzlich – und zwar zwischen fünf und 35 Euro pro Zug.

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So zahlen wir also zu den 246 Euro Ticketpreis nochmals rund 150 Euro extra für die Reservierungen oben drauf, womit wir am Ende unserer Tour  insgesamt bei etwa 400 Euro pro Person landen. Anfangs schockt uns dieser Umstand, da von Reservierungskosten auf der Interrail-Homepage keine Rede ist (zumindest haben wir nichts auf Anhieb gefunden) und wir diesen Zusatzbetrag nicht in unser Gesamt-Budget (ca. 1.000 Euro) eingerechnet haben. Im Endeffekt spart man sich mit diesem Tarif dennoch große Summen im Vergleich zu normalen Zugreisen – weshalb wir schnell wieder besänftigt sind.

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… und sind mit dem Zugticket durch Frankreich, Spanien und Portugal gereist.

Zu diesen Kosten gesellt sich ein weiteres Problem: Viele Züge, so zumindest unser Eindruck, kann man nur vor Ort reservieren lassen, sprich: von den Bahnhöfen in den jeweiligen Ländern aus, in denen sie auch tatsächlich unterwegs sind (doch die Züge sind meist schon voll besetzt). So hatten wir das Gefühl, dass man beispielsweise an einem Bahnhof in Spanien keinen Zug reservieren kann, der von Paris nach Stuttgart fährt. Wir hatten rückblickend oftmals viel Glück und konnten unsere Reise trotzdem so fortführen, wie wir’s geplant hatten – aber auch nur aus dem Grund, weil wir zu zweit und genau noch zwei Plätze im nächsten Zug frei waren. Wie und ob man diese Reservierungen überhaupt von Deutschland aus durchführen kann, bleibt für uns bis heute ein kleines Mysterium. Aber alles ist möglich, wie unsere Reise im Nachhinein gezeigt hat.

(weiterführende Links und Antworten zum Thema Reservierungen am Ende des Textes)

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*** Tag 0: Der Tag vor der Abreise ***

Leise Panik macht sich breit. Alles, was wir bisher bei uns haben bzw. wissen: Das Zugticket und den Zeitraum, in dem wir unterwegs sein wollen. 17 Tage nur für uns – 17 Tage, die wir nutzen wollen. Die alles entscheidende Frage lautet: Wohin geht die Reise? Zügig steht unser Ziel fest: Westeuropa. Spanien und Portugal wären schön – Frankreich, Luxemburg, England und Irland aber auch. Könnte man doch schaffen, oder? Oder nicht?

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Um einen Backpack zu füllen, braucht man nicht viel…

Immer wieder informieren wir uns auf der Bahn-Homepage darüber, welche Zugstrecken wir innerhalb eines Tages zurücklegen können. Schnell wird klar: Sieben Reisetage reichen nicht aus, um sowohl nach Dublin als auch nach Lissabon zu fahren – zumindest dann nicht, wenn wir weitere Zwischenstopps in anderen Städten einlegen und dort mehr als ein paar Stunden verbringen möchten. Außerdem ist der „Eurostar“ (so heißt der Zug, der durch den Euro-Tunnel zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland verkehrt) nicht im Ticket inbegriffen – und somit viel zu teuer für uns. Dublin fällt also als schon mal flach.

Wir einigen uns schließlich auf folgenden Reiseplan: Zuerst soll es nach Nîmes, einer Stadt im Süden Frankreichs, gehen; danach weiter ins spanische Benijófar. Dabei handelt es sich um einen Ort in Südost-Spanien, nahe der Großstadt Alicante. Hier besuchen wir Sarahs Tante und gönnen uns ein paar Tage Entspannung. Als nächstes soll unser Weg nach Valencia führen, auf den Bildern im Internet sieht die Stadt traumhaft aus, davon wollen wir uns selbst überzeugen. Madrid, Lissabon, Granada und Barcelona sollen – in dieser Reihenfolge – die weiteren Stationen bilden, bevor es wieder nach Hause geht. Wir denken: So könnte unsere Reise funktionieren.

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Erstes tatsächliches Ziel der Reise: Nîmes.

Nach dem Aufstellen des Plans ist Packen angesagt – der erste Zug geht um 0.30 Uhr am nächsten Tag. Rund sieben Stunden haben wir also noch Zeit. Mehr als genug, denn um einen Backpack zu füllen, braucht man nicht viel: Zwei oder drei Oberteile, dazu noch ein paar passende Hosen und ein kuscheliges Outfit für die Zugfahrten. Ein Kissen für unterwegs und die Kamera dürfen natürlich auch nicht fehlen. Neben ein paar Kleinigkeiten (Handtuch, Bikini und Zahnbürste) war’s das auch schon. Kaum ist das Packen geschafft, kommt leichte Nervosität auf – und Fragen wie: Wo werden wir schlafen? Erwischen wir die Züge, die wir uns im Internet rausgesucht haben, um den ersten Stopp in Nîmes zu erreichen? Ob wir auch wirklich nichts vergessen haben?

 

*** Tag 1: Ungeplanter Aufenthalt in Paris ***

Und dann ist es irgendwann 0.30 Uhr – und wir steigen pünktlich in den ersten Zug,der uns von Passau nach Frankfurt bringt, von wo aus die Reise dann nach Paris weitergeht. Dass viele Züge reservierungspflichtig sind und man ohne Reservierung ar nicht erst einsteigen darf, wird uns erst jetzt so richtig klar. Bereits in Frankfurt bricht deshalb erste Panik aus: Wir wollen mit dem ICE nach Paris, haben aber keine Reservierung. Der Schalter hat um 6 Uhr morgens zum Glück schon geöffnet. Trotzdem: zehn Minuten warten. Eigentlich ist das nicht viel – wenn man aber nur 20 Minuten zum Umsteigen hat, dann kann das schon mal eine gefühlte Ewigkeit dauern. Alles geht gut – es sind noch Plätze im ICE frei. Wir buchen – und dürfen einsteigen.

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Mit riesigen Rücksäcken unterm noch riesigeren Eiffelturm.

In Paris angekommen, erfahren wir: Erst in fünf Stunden kommt der nächste Zug an, in dem noch ein Platz für uns frei wäre – davor sind alle ausgebucht. Nicht dramatisch, denken wir. Fünf Stunden in Paris sind ja eher zu wenig als zu viel. Also los geht’s mit unseren Backpacks auf dem Rücken einmal quer durch die Stadt der Liebe. Der Plan: zur Notre Dame – und danach noch einen Blick auf den Eiffelturm werfen. Schön ist es allemal, man muss aber anmerken, dass man doch viele bedenkliche Blicke von den Einwohnern und Touristen zugeworfen bekommt, wenn man sich mit riesigen Rucksäcken unterm Eiffelturm aufhält.

Die Angst vor Anschlägen schwingt in Paris deutlich mit – immer wieder drehen sich Leute ängstlich um, so scheint es. Wir zwei gehen eigentlich recht beruhigt durch die Stadt – dank vieler Kontrollen an Bahnhöfen und Eingängen erscheint sie uns sicher. Für die meisten sehen wir hier sicherlich am gefährlichsten aus…

Bald brechen wir jedoch nach Nîmes auf, unser erstes tatsächliches Ziel. Die Vorfreude steigt. Und wir werden nicht enttäuscht! Bei Sonnenuntergang erreichen wir die Stadt. Direkt vorm Bahnhof: ein Brunnen, dahinter eine Allee, gesäumt von schönen Häusern – und das alles in gedämpftes Licht getaucht. Am Ende der Allee befindet sich ein weiterer Brunnen, gleich dahinter eine altrömische Arena. Gefühlte 200 Meter weiter: ein alter Tempel; direkt gegenüber ein Hotel, von dem wir im Internet erfahren haben, dass die Übernachtungskosten derzeit sehr günstig sind. Na klar: Die Baustelle davor senkt die Preise, unser Glück – wir checken ein für die nächsten zwei Nächte.

 

*** Tag 2: Bummeln, baden, Bus fahren ***

Vormittags erkunden wir den großen Park der Stadt mit seinen zwei Ruinen. Was uns daran begeistert: Nichts ist abgesperrt, jeder kann alles anfassen – ohne gestraft zu werden. Der bereits erwähnte Tempel dient als Pokémon-Go-Treff, die Ruine im Park wird zum Klettern genutzt.

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Die Tempelanlage von Nîmes dient als Pokémon-Go-Treff.

Am Nachmittag machen wir einen Ausflug mit dem Bus zum nahegelegenen Pont du Gard, einem altrömischen Aquädukt. Zahlreiche Olivenbäume säumen unseren Weg dorthin, der Fluss unter dem alten Bauwerk lädt zum Baden ein. Diese Gelegenheit lassen sich die vielen Touristen hier nicht entgehen.

Um den Tag ausklingen zu lassen, besuchen wir abends nochmals den Park, wo wir an der alten Ruine mit Einheimischen ins Gespräch kommen. Schon praktisch, denken wir, wenn man in der Schule mal Französisch hatte. Was am Ende des Tages nicht unerwähnt bleiben darf: die Hitze. Diese macht mir doch mehr zu schaffen, als ich anfangs gedacht habe. Mit durchgehend mindestens 35°C ist Sightseeing doch etwas anstrengender als in heimischeren Gefilden. Und ich weiß: Es wird noch heißer werden, wenn wir erst in Spanien sind.

 

*** Tag 3: Abreise nach Benijófar, Spanien ***

Heute verlassen wir früh morgens das Hotel, holen uns ein paar Snacks im Supermarkt – und steigen in den Zug nach Barcelona, von wo aus wir nach Alicante weiterfahren wollen. Vom dortigen Bahnhof holt uns Sarahs Tante ab. Denn es geht noch weiter nach Benijófar, wo wir im Haus eines Verwandten einige Tage verbringen werden. Um Mitternacht kommen wir an – ein wunderbares Gefühl, vor allem wenn man direkt noch eine Runde im Pool schwimmen kann. Zu kalt ist es dafür in Spanien jedenfalls nie.

 

*** Tag 4: Ein bisschen Meer, ein bisschen Sonne ***

An diesem Tag steht erst mal nicht allzu viel an, außer: am Pool relaxen, den Urlaub und die Sonne richtig genießen. Ein kleiner Ausflug zum Meer muss natürlich auch drin sein. Die Küste liegt nur zehn Minuten Autofahrt entfernt – das kann man sich ja nicht entgehen lassen. Abends kann man hier dann ab und zu Feuerwerke sehen und hören – in Spanien ist das nämlich nicht nur an Silvester erlaubt. Schön für uns!

 

*** Tag 5: Hitzeschock ***

Heute ist ein weiterer Tag zum Nichtstun – diesmal aber gezwungenermaßen, nicht zum Spaß. Aufgrund der extremen Hitze macht mein Bauch mal eben Zicken – und so verkrümele ich mich den ganzen Tag im Bett, bis es gegen Abend bei mir endlich wieder besser – und draußen etwas kühler wird. Zum Glück! Immerhin habe ich irgendwann Hunger – und am nächsten Tag haben wir ja noch viel vor….

 

*** Tag 6: Ausflug zum Markt und Strand ***

Guten Morgen! Diesmal stehen wir etwas früher auf als gewöhnlich. Zu dritt (Sarah, ihre Tante und ich) machen wir uns auf den Weg zum Markt. Zu Fuß? Nö! Im Auto mit Klima.

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Die Vielfalt nimmt kein Ende…

Wir bemerken bald, dass wir nicht die einzigen sind, die auf diese Idee gekommen sind: Viele Urlauber und Einheimische tummeln sich bereits in den schmalen Gängen zwischen den Ständen, als wir dort ankommen. Für Sarah und mich erscheint dieser Basar wie ein großes Labyrinth: Überall gibt es viel zu bestaunen, bunte Kleider, tausende Armbänder, Spielsachen, Obst und Gemüse, Schuhe,… die Vielfalt nimmt kein Ende. Da wundert es mich nicht, dass wir bald die Orientierung verlieren – doch die liebe Tante führt uns zielsicher wieder aus dem Stände-Dickicht heraus.

Nach diesem spannenden Trip und den damit verbundenen Souvenireinkäufen wollen wir sogleich noch die nächste „Topattraktion“ besuchen: Sarahs Tante schwärmt uns nämlich seit unserer Ankunft davon vor, wie schön ein Schlammbad im Salzmeer sei. Für uns steht fest: Das wollen wir auch testen.

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Über einen Holzsteg erreichen wir das Mar Menor.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt kommen wir in Murcia an. An der dortigen Küste befindet sich eine sehr salzhaltige Lagune (genannt „Mar Menor“), wo man den berüchtigten Heilschlamm finden kann. Er soll gegen Rheuma und Gicht helfen und zusätzlich das Hautbild verschönern. Sogar die Römer schworen schon auf die Wirkung dieses Schlamms. Also nichts wie los. Über einen Holzsteg erreichen wir das Gewässer. Richtig baden werden wir aber erst später – davor müssen wir noch den Schlamm vom Boden in zwei mitgebrachte Kübel schöpfen. Dann geht’s wieder zurück ans Ufer und wir reiben uns gegenseitig am ganzen Körper mit der dunkelgrauen Masse ein. Was wirklich lustig aussieht! Nur noch Augen und Mund, Haare und Bikini leuchten hell – ansonsten sind wir komplett „verdunkelt“.

Nach ein paar Grimassen, Tänzen und Fotosessions ist der Schlamm dann auch endlich getrocknet – und wir dürfen ins Wasser hüpfen und ihn wieder abwaschen. Die Haut fühlt sich danach tatsächlich superweich an. Was mich aber noch viel mehr begeistert ist das Wasser selbst. Mit seinem hohen Salzgehalt kann man sich einfach auf die Wasseroberfläche legen und treiben lassen. Dieses Gefühl, ohne Anstrengung oben zu treiben und nicht unterzugehen, ist unbeschreiblich. Bis zu diesem Tag wusste ich nicht, dass dies fernab vom Toten Meer auch woanders möglich ist. Nach diesem kleinen Bad geht es an Flamingos vorbei wieder nach Hause. Die kann man hier einfach in freier Wildbahn sehen.

Nach so entspannenden und doch sehr ereignisreichen Tagen in Benijófar will keiner so recht an den Abschied denken, obwohl wir es gleichzeitig kaum erwarten können, unser nächstes Ziel zu erreichen. Schön war es hier – und es wird noch schöner werden. Mehr dazu im nächsten Teil unseres Interrail-Abenteuers…

Michele Bauer

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Hilfen für Interrail-Reisende zum Thema Reservierungen:


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