München. Was ist nur los mit dieser CSU? Mit dieser sogenannten christlich-sozialen Union, die sich von den beiden Adjektiven in ihrem Parteinamen in jüngster Vergangenheit immer weiter entfernt – und gerade beim Thema Flüchtlingspolitik immer häufiger diejenigen dumpfen Parolen nachzuplappern scheint, die die Rechtspopulisten von der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) hinausposaunen. Der jüngste Geistescoup in ihrem angstgeprägten, ja fast schon panikartigen Kampf um Wählerstimmen: Die CSU will – neben Obergrenze, Burka-Verbot und einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft – christliche Zuwanderer künftig bevorzugt behandeln. Eine Forderung, die bei der Vorstandsklausur vor wenigen Tagen beschlossen wurde.
„In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis“, heißt es in dem Papier wörtlich. Beifall erhält sie dafür von ganz Rechts – eben von jener AfD, von der sich die CSU nur noch in kaum erkennbaren Nuancen unterscheidet.
Jesus Christus würde Seehofer & Co. die Leviten lesen
Die Kritiker-Stimmen an den Vorstellungen der Seehofers, Söders, Scheuers & Co. ließen da freilich nicht lange auf sich warten. Grünen-Vorsitzende Simone Peter, so war zu lesen, bezeichnete die Christsozialen als „bayerische Schwester der AfD“. SPD-Chef Gabriel empfand die Vorschläge der Schwarzen „schlicht im Niveau peinlich“. Selbst hochrangige Vertreter der Kirche erachten den Inhalt als Instrument, um die Gesellschaft weiter zu spalten und die Klaviatur der Rechtspopulisten von der AfD zu bemühen. Kurz: Die Beschlussvorlagen seien „unchristlich„.
Und ja: Wenn Jesus Christus wüsste (und aus Sicht der Kirchenlehre ist’s gewiss, dass er’s mitbekommt), was da in seinem Namen von der christlich-sozialen Union so alles zu Papier gebracht wird – er würde sich sicherlich dreimal im Grab umdrehen. Oder gleich viermal, oder fünfmal. Oder er käme gar nicht mehr aus dem Rotieren heraus. Er, der gerade auf die Armen und die Schwachen, die Benachteiligten und die Verfolgten, die Kranken und die Notleidenden Zeit seines Lebens zugegangen ist – sich ihnen gegenüber m-e-n-s-c-h-l-i-c-h gezeigt hat. „Nächstenliebe“ in Reinstform praktiziert hat, um im christlichen Sprachjargon zu bleiben. Er würde, wenn er denn könnte, vom Himmel herabsteigen und dem Seehofer, dem Söder und dem Scheuer freiweg die Leviten lesen – und seine Namensrechte zurückfordern. SU würde dann übrigbleiben. Soziale Union. Wobei das „sozial“ auch schon längst vergangenen Tagen angehört. Und das Wörtchen „Union“ wird vermutlich auch nicht mehr allzu lange überlebensfähig bleiben, wenn sich Seehofer mit Merkel weiterhin derart meinungsverschieden gibt. Es stellt sich die Frage: Ist diese Partei nach einer derartigen Selbstverleumdung überhaupt noch überlebensfähig? Ist die totale Identitätskrise noch aufzuhalten?
„In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis“, steht da wortwörtlich geschrieben im CSU-Papier. Was heißt das genau? Heißt das, dass an den EU-Außengrenzen bzw. an den bayerisch-deutschen Grenzen künftig neben den Ausweispapieren auch noch gleich die Konfessionstauglichkeit von den Beamten überprüft wird? Müssen die „Zuwanderer“ dann sogleich ihr Know-How in Sachen christlich-abendländischer Kulturkreiszugehörigkeit unter Beweis stellen, indem sie das Vaterunser oder den Rosenkranz vorbeten, eine geweihte Hostie verspeisen oder die Beichte ablegen? Bekommen die Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis nach bestandener Sichtung/Aufnahmeprüfung dann ein Kreuz auf den Ärmel oder den Rockzipfel genäht, dass man sie dann – trotz anderer Hautfarbe und Sprache – auch ja als „kulturverwandt“ erkennen kann?
Die Guten ins Ländchen, die Schlechten ans Rändchen
Heißt das, dass die „Zuwanderer“ – sprich: die Menschen, die zu uns nach Deutschland/in die EU kommen wollen -, wenn es nach dem Willen der CSU geht, künftig nach dem Schema „christlich/nicht-christlich“ selektiert werden sollen? Feststeht: Man will sich die „Zuwanderer“ genau aussuchen. Sie prüfen, sie durchleuchten, ihnen auf die Finger schauen. Sie, wenn man so will, zunächst ein bisschen entwürdigen, bevor man gottgleich und in römischer Feldherren-Manier den Daumen über ihnen hebt oder senkt. Motto: Die Guten ins Ländchen, die Schlechten ans Rändchen (der globalen Gesellschaft). Nietzsches von den Nazis missbrauchtes Modell vom Übermenschen lässt grüßen. Das alles erinnert doch an etwas, das schon mal da war – in „Dunkel-Deutschland“, in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Menschen ebenfalls aussortiert wurden…
Und überhaupt: Wie ist eigentlich der Begriff „Zuwanderer“ zu deuten? Sind da jetzt alle Menschen christlich-abendländischen Ursprungs mitinbegriffen, die ins „gelobte Land“ wollen, um ihre Zukunftschancen zu erhöhen? Oder sind damit nur diejenigen gemeint, die neben fachlicher Expertise auch ordentlich Kohle mit in die BRD bringen? Denn die, die dieser Gesellschaft keinen Nutzen bringen, können freilich gleich daheim bleiben – oder wieder ausreisen… Oder wie?
„Wir sind dagegen, dass sich unser weltoffenes Land durch Zuwanderung oder Flüchtlingsströme verändert“, heißt es weiter von Seiten der „Christsozialen“ (Anführungsstriche hier unbedingt von Nöten). Geht’s denn noch paradoxer? Wenn’s nicht so traurig wäre, wär’s fast schon komisch, mag der ein oder andere da denken. Da wird von Weltoffenheit und Abwehr von Zuwanderern in einem Atemzug gesprochen. Wer diesen Satz verfasst hat, muss entweder unter akuter Schizophrenie leiden – oder die Leute, die das lesen, für extrem dumm verkaufen wollen. Anders sind derartig geistige Auswüchse mit menschlichem Verstand nicht zu hintersteigen.
Phrasen und Muskelspiele haben derzeit Hochkonjunktur
„Wer auf Burka und Niqab nicht verzichten möchte, sollte sich ein anderes Land aussuchen“ – ein weiterer Satz aus dem CSU-Pamphlet. Heißt auf gut bayerisch: „Ihr zieht Euch entweder so an, wie wir Euch das sagen (am besten Dirndl und Lederhose) – oder ihr könnt gleich zu Hause bleiben!“ Dass die beiden Kleidungsstücke im Sinne ihrer Träger Teil einer Religionsrichtung namens Islam sind und – genauso wie eine gewisse Kopfbedeckung bei Nonnen, Mönchen, Bischöfen oder Pfarrern – aus glaubenstechnischen Gründen zu dieser dazu gehören, interessiert dabei die Herren Seehofer, Söder und Scheuer offensichtlich kein bisschen. Religionsfreiheit? Wer braucht das schon! … Ach so! im Grundgesetz bzw. in der bayerischen Verfassung wäre das nachzulesen – egal! Unabhängig davon: Jeder soll das tragen, was er tragen möchte. Was wäre, wenn man dem Seehofer seinen Sommer-Stoiber qua Gesetz verbieten würde?
Um zu einem Ende zu kommen: Diese CSU spricht von einer „Leitkultur“, von christlich-abendländischen Werten – und hat diese dabei selbst schon längst über Bord geworfen. Nächstenliebe, Menschlichkeit, vorurteilsfreies Miteinander, Humanität, das Handeln im christlichen Sinne sind bei den Schwarzen offensichtlich längst nur noch leere Worthülsen, die einst schön anzuschauen waren und sich gut in irgendwelchen Wahl-Flyern machten. Stattdessen setzt man jetzt sogar schon ganz offiziell auf Abschottung, Abwehr, Ablehnung und Zurückweisung. „Jetzt ist Schluss mit Blabla“, hat das scheuer’sche Sprachrohr der Christsozialen jüngst vollmundig angekündigt. Dabei geht das Blabla auf Seiten der CSU erst so richtig los, wie’s scheint – und der Generalsekretär höchstpersönlich sorgt für die höchste verbale Eskalationsstufe, die den CSU-Gründervätern wohl die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte: „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier – als Wirtschaftsflüchtling – den kriegen wir nie wieder los“, hat der CSU-Agitator im Regensburger Presseclub am vergangenen Donnerstag ohne Umschweife verkündet, was wiederum aufs Schärfste von Seiten der Kirche verurteilt wurde.
Zündelnde Phrasen, das Schüren von Ressentiments gegenüber Migranten, unsachliche Muskelspiele, gepaart mit populistischen Scheinlösungen à la Petry, Höcke und Co. sind derzeit (wieder) besonders angesagt bei der bayerischen Alleinherrscher-Partei, deren Umfragewerte derzeit nicht gerade in Richtung absoluter Mehrheit tendieren. Dabei immer Nacken: die Angst vor dem politischen Absturz zugunsten der sogenannten Alternative für Deutschland, auf dessen Trittbrett man verzweifelt Halt zu bekommen sucht. Eine berechenbare Posse, deren Fortgang hoffentlich nicht in einem politischen Desaster endet – nur weil eine Handvoll Politiker aus Bayern glaubt, die berühmten Zeichen der Zeit erkannt zu haben – und um ihres Selbsterhalts willen der vermeintlichen Mehrheit der Bürger nach dem Maul sprechen zu müssen. Um die Wiederwahl geht’s – und um Machterhalt um jeden Preis. Sonst nichts. Hoffentlich durchschaut „das Volk“ dieses Spielchen noch rechtzeitig. Hoffentlich lässt die Gesellschaft sich durch die Propaganda der christlich-soziale Union nicht noch mehr spalten, als diese ohnehin schon der Fall ist…
Kommentar: Stephan Hörhammer
CSU bedeutet ja auch eigentlich „Chronisch Schizophrene Partei“.
do wird’s hint hea wia vara
Ja, das mit dem „C“ und dem „S“ wäre schon lange zu hinterfragen. Beim Thema Asyl und Menschenrechte wird es sehr deutlich wie weit es da bei der CSU her ist.
Aber auch auf anderen Politikfeldern wird man fündig. Seien es die Rüstungsexporte, der überzogene Landschaftsverbrauch mit immer neuen Straßen und Gewerbegebieten, die Handelspolitik bei der die Südländer das Nachsehen haben oder auch bei der Energiepolitik…
Nur schade, dass nicht noch mehr Christinnen und Christen die Konsequenzen daraus ziehen und ihr Kreuz wo anders machen?!
Diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden und diejenigen, die entscheiden, werden nicht gewählt. (Horst Seehofer)
Kennt jemand das Grundgesetz, die Bayerische Verfassung oder die Verfassung des Landkreises Regen, der die höchste Suizidrate aufweist ?