Regen. Nachdem sich die einwöchige Auszeit von seiner Kur im Schwarzwald nun wieder dem Ende zuneigt, wollte er den am Donnerstagnachmittag versammelten regionalen Pressevertretern noch ein „Lebenszeichen“ mit auf den Weg geben, um dies entsprechend medial zu verbreiten. Treffpunkt: das Nebenzimmer im Brauereigasthof Falter. In einer Umgebung also, in der genau das Produkt tagtäglich in rauen Mengen konsumiert und hergestellt wird, dem Landrat Michael Adam nach eigenen Aussagen künftig entsagen möchte: dem Alkohol. Ein Vorhaben, ein Ziel, das ihm während seines Kuraufenthalts, den er ursprünglich ja aufgrund seiner im Frühjahr festgestellten Diabetes-Erkrankung angetreten hatte, bewusst geworden ist. „Insbesondere die Tatsache, dass ich phasenweise zu viel Alkohol konsumiert habe, möchte ich nun öffentlich machen. Denn ich habe festgestellt, wie schmal der Grat zwischen der sogenannten täglichen Akademikerdosis Alkohol am Abend und einer Abhängigkeit ist“, heißt es in der für die Presse vorbereiteten „persönlichen Erklärung“ Adams (siehe weiter unten im Wortlaut).
Ob er sich ganz bewusst für diesen Ort, an dem normalerweise Bier, Radler, Wein und Weizen zu den Protagonisten zählen, entschieden hat, bleibt sein Geheimnis. Die Vermutung liegt jedoch nahe – gerade dann, wenn man sich den Text der Erklärung etwas genauer ansieht: Im ersten Absatz ist die Rede von einer „klinikfreien Belastungserprobung“, als die jene einwöchige Kurauszeit bezeichnet wird. Landrat Adam „übt“ also bereits jetzt – freilich in Absprache mit den Klinikexperten – den Ernstfall, den Härtefall, der ihn nach seiner Kur in der Heimat erwartet. Es geht darum, sich auf (vor allem mentale) Belastungsproben vorzubreiten. Auf den Alltag. Aufs Nein-Sagen. Aufs Stark-Sein. Aufs Nicht-schwach-werden. Darum, nicht wieder in die Mühle zu geraten, in der man Gefahr läuft, sich selbst zu vergessen. Die Mühle der Unachtsamkeit, in der man den Reizen seiner Umwelt meist hilflos ausgesetzt ist. In der man sich im Strudel des kopfgesteuerten, emotionslosen Handelns in mehr und mehr automatisierten Verhaltensmustern verliert, die der Gesundheit (drücken wir’s mal vorsichtig aus) nicht gerade zuträglich sind. Klingt pathologisch – ist es auch!
„Geh, Mich, bleib hoid na a wengal sitz’n – oane geht scha na“
Denn in derartigen Strudeln hat er sich – wie so viele andere Menschen in Führungspositionen, zu denen vor allem auch Vertreter der Politik gehören – in den vergangenen Jahren seiner Amtszeit offenbar allzuoft aufgehalten. Eine nicht mehr steuerbare Spirale, die aus inneren und äußeren Zwängen besteht, die von ihm als hochrangigen Lokalpolitiker befriedigt werden (müssen). Ein terminlicher Overkill, gepaart mit allgegenwärtiger Omnipräsenz. Ein 24/7-Job, in dem man kaum eine Sekunde zum Durchschnaufen bekommt. Das fängt beim Besuch der Jahreshauptversammlung der Feuerwehr Branftlreut an, geht über das 84. Geburtstagsjubiläum von Rosi Hintergstettner aus Oberruselhinterham – und endet beim Sonndwendfeuer des Frauenbunds St. Zachenzelling.
Hier ein Bierchen, da ein Törtchen – hier ein Grillfleisch, dort ein Weinderl. „A geh, oans geht scha, oder?!?!“ dröhnt es einem dann immer wieder mal von Seiten des gastgebenden Vereins gut gemeint entgegen. „Geh, Mich, bleib hoid na a wengal sitz’n!“ heißt es aus der anderen Ecke. Ein Sammelsurium an Versuchungen, an Reizen und Verlockungen, denen ein Landrat wie Michael Adam zu wiederstehen hat – oder denen er sich eben kopf- und herzlos hingibt. Und „Nein“ sagen möchte man dann ja auch nicht immer gleich – könnte ja als unhöflich gewertet werden. Schließlich ist man ja von Wahlvolk umgeben…
Irgendwann läuft das emotionslose, kopfgesteuerte Fass über..
Einige Kilo hat er abgenommen. Und wenn man ihm den Gewichtsverlust auch noch nicht so hundertprozentig ansieht, so ist ihm doch anzumerken, dass er sich gerade in einem nicht nur körperlichen, sondern auch geistigen Entwicklungsprozess befindet. Er ist (bzw. kommt bald) wieder zurück – reich an neuen Erkenntnissen – so soll seine Botschaft an die Presse nach sechswöchigem Aufenthalt in der schwäbischen Heilanstalt lauten. An diejenige Presse, die ob der Geheimniskrämerei im Vorfeld, um was es denn bei dem doch recht kurzfristig anberaumten Termin in der Kreisstadt Regen gehen könnte, schon arg ins Rätseln gekommen war – und bereits mit dem „großen Knall“ seitens Michael Adam à la „I won’t come back again“ gerechnet hatte…
Das Tempo des (politischen) Aufstiegs war zu hoch, die emotionale Komponente ist im Laufe der Jahre immer mehr verkümmert – so lautet eine dieser neuen Erkenntnisse Adams, wie aus seiner Erklärung herauszulesen ist. Eine Erkenntnis, die von einem Problem zeugt, das sich durchaus gesamtgesellschaftlich in der heutigen Zeit beobachten und analysieren lässt. Schneller, höher, weiter – mehr, mehr und nochmals mehr. Leistung hier, Wachstum da. Wer stehen bleibt, gilt als schwach. Und Schwäche ist ein Gefühl, das man sich nicht unbedingt eingestehen will. Also verdängt man diese Emotion. Und irgendwann läuft das emotionslose, kopfgesteuerte Fass eben über. Die Freude an der Politik und am Landrats-Dasein hat er jedenfalls ganz offensichtlich trotz allem nicht verloren. Ihn gar als amtsmüde zu bezeichnen – da täte man dem 31-Jährigen wahrlich unrecht.
„Ich werde in Zukunft überhaupt keinen Alkohol mehr trinken“
Nun lautet das Zauberwort, das für Michael Adam den Schlüssel zur langfristigen Gesundung darstellt: Nachhaltigkeit. Es geht darum, langfristige Strategien zu entwickeln und noch längerfristige Wirkungen zu erzielen. Wenn er in vier, fünf Monaten nach der Kur wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen sollte, war vieles umsonst. Der Erwartungsdruck – sowohl der eigene als auch der seines Umfelds – ist somit nicht unerheblich. Das Gute: Nach einer erfolgreichen Therapie wird dieser Druck nicht mehr als solcher vom (geheilten) Patienten wahrgenommen – Gott sei Dank. Die Leute, die Regener im Besonderen, werden ihrem Landrat nach der Rückkehr trotzdem auf die Finger schauen…
Das Gelingen der „kompletten Umstellung“ seiner Lebensgewohnheiten, wie Adam erklärt, hängt von vielen Faktoren ab. Wie schwer es ist, einen derartigen Vorsatz umzusetzen, kann jeder einschätzen, der schon mal einen ähnlichen gefasst hat. Respekt verdient eine Ansage à la „Ich werde in Zukunft überhaupt keine Alkohol mehr trinken“ allemal – insbesondere in einem sozialen Lebensraum, in dem Alkohol zum „Grundnahrungsmittel“ gehört und in dem man sich dessen Reizen ständig ausgesetzt sieht. Noch mehr Respekt verdient der offene und transparente Umgang Adams mit persönlichen (gesundheitlichen) Problemen. Das kann sicher nicht jeder – und vielleicht geht davon ja auch eine gewisse Signalwirkung auf andere „Leidensgenossen“ aus, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Die erste kleine „Feuerprobe“ im Gasthaus Falter hat Michael Adam jedenfalls schon mal bestanden – mit einer Tasse Kaffee und einem Glas Mineralwasser.
Kommentar: Stephan Hörhammer
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Persönliche Erklärung des Landrats Michael Adam
„In den vergangenen sechs Wochen befand ich mich nicht im Dienst, sonder auf Kur im Schwarzwald. Diese Woche war ich zu einer sogenannten klinikfreien Belastungserprobung zu Hause in Bodenmais. In den kommenden 14 Tagen werde ich dann die Kur im Schwarzwald abschließen. Meine Vertretung im Landratsamt Regen übernehmen meine Stellvertretet Willi Killinger, Erich Muhr und Helmut Plenk. Hierfür danke ich ihnen sehr herzlich!
Als Landrat sind Transparenz und Offenheit in der Amtsführung für mich stets von enormer Wichtigkeit. In Hinblick auf den perönlichen Gesundheitszustand sehe ich zwar einerseits eine gewisse Grenze der Transparenz und der Offenheit erreicht. Denn auch ein Landrat hat hinsichtlich seiner Gesundheit ein gewisses Recht auf Privatsphäre gegenüber der Öffentlichkeit. Andererseits gibt es bezüglich der Hintergründe meines Kurklinikaufenthalts auch nichts zu verheimilichen. Und nachdem dieser länger andauert, als ursprünglich geplant, was in der Bevölkerung zu Fragen führen kann, möchte ich Ihnen gerne die Hintergründe erläutern:
Weg von Alkohol, Nikotin und Medikamenten
Im Frühling dieses Jahres wurde bei mir eine erbliche Neigung zu einer Diabeteserkrankung des Typs 2 festgestellt. Aufgrund eines starken Übergewichts besteht ohne Behandlung in naher Zukunft also die Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Folgerscheinungen. Daher wurde mir ärztlicherseits dringend eine Reduzierung meines Gewichts nahegelegt. Dies erforderte eine komplette Umstellung meiner Lebensgewohnheiten. Völlig neu für mich war zudem, dass psychosoziale Faktoren bei meiner Erkrankung eine erhebliche Bedeutung haben, die in der Kurklinik nachhaltig behandelt werden.
Das Leben als Kommunalpolitiker verlangt dem Körper viel ab: Stress, kaum freie Abende oder Wochenenden, wenig Urlaub, wenig Schlaf. Erschwerend hinzu kamen bei mir in der Vergangenheit schlechte und unregelmäßige Ernährung, Medikamente, Nikotin und Alkohol. Für Ausgleich durch Sport und Entspannungsübungen sorgte ich nicht. Dies alles hatte seine Spuren bei mir hinterlassen. Deshalb habe ich auf der Kur meine Ernährung umgestellt und wieder begonnen, regelmäßig Sport zu treiben. Ich habe diverse Entspannungstechniken gelernt und verinnerlicht. Ferner habe ich mit dem Tabakkonsum aufgehört.
Gefühle und Bedürfnisse verdrängt…
Ein Punkt, der mich persönlich sehr stark überrascht hat, betraf das Thema Alkoholkonsum: Denn es stellten sich in der Klinik, in der Alkoholabstinenz generell für alle Patienten vorgeschrieben ist, bei mir bereits nach wenigen Tagen gewisse Symptome ein, die mir zeigten, wie sehr ich mich psychisch bereits an Alkohol gewöhnt hatte. Nachdem ich zu Hause zuvor zwar täglich Alkohol konsumiert habe, allerdings in einem Maße, das ich für sozialadäquat hielt, hat mich dies durchaus erschreckt. Die Konsequenz daraus ist für mich, dass ich in Zukunft überhaupt keinen Alkohol mehr trinken werde. Ich bitte alle Mitbürgerinnen und Mitbürger dies zu respektieren.
Darüber hinaus habe ich erst während meiner Kur im Schwarzwald so richtig realisiert, wie sehr ich in den letzten Jahren Gefühle und Bedürfnisse verdrängt hatte. Hier wurde mir vor allem bewusst, in welchem unglaublichen Tempo mein Leben in den letzten Jahren verlief: Studium, Wahl zum Bürgermeister mit 23 Jahren, Wahl zum Landrat mit 26 Jahren, Wahl in den Bezirkstag. Ich wollte und musste mich in einem unglaublichen Tempo mental weiterentwickeln. Für eine emotionale Reifung blieb jedoch kaum Raum/Zeit. Dies konnte und wollte ich mir sehr lange Zeit selbst nicht eingestehen.
„Habe eine höhere emotionale Stabilität erreicht“
Der Kuraufenthalt im Schwarzwald war und ist daher vor allem auch eine hervorragende Gelegenheit, um meine Gedanken neu zu ordnen und neue Sichtweisen zu finden. Ich hatte bzw. habe erstmals richtig Zeit, die vielfältigen Erfahrungen der letzten Jahre – Höhen und Tiefen – aufzuarbeiten. Ich konnte dabei Verdängtes ans Licht holen und meine Arbeit und mein Tun der letzten Jahre auch mit etwas Distanz kritisch betrachten. Vor allem aber habe ich für mich eine höhere emotionale Stabilität erreicht.
Insbesondere die Tatsache, dass ich phasenweise zu viel Alkohol konsumiert habe, möchte ich nun öffentlich machen. Denn ich habe festgestellt, wie schmal der Grat zwischen der sogenannten täglichen Akademikerdosis Alkohol am Abend und einer Abhängigkeit ist. Auch habe ich in der Klinik die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Menschen aufgrund hoher beruflicher Leistungserwartungen nicht nur körperlich und psychisch krank werden, sondern oft auch unbemerkt in Abhängigkeiten hineinrutschen.
Rückkehr ins Amt: vorauss. am 4. Oktober
Auch wenn meine Behandlung noch nicht ganz abgeschlossen ist, kann ich bereits jetzt sagen, dass mich der Klinikaufenthalt nicht nur hinsichtlich der Diabetes-Erkrankung, sondern in meiner menschlichen Entwicklung ein großes Stück vorangebracht hat. Ich freue mich bereits jetzt darauf, gestärkt auch künftig mit vollem Einsatz als Landrat für eine positive Entwicklung des Landkreises Regen zu arbeiten. Am 4. Oktober werde ich voraussichtlich den Dienst wieder antreten.“
Michael Adam
Landrat