Hutthurm. Diese Kombination ist wohl einmalig. Direkt hinter der Raiffeisenbank in Hutthurm befindet sich die ortsansässige Brauerei. Es handelt sich dabei nicht nur um eine einfache und zufällige Nachbarschaft, nein. Seit mehr als 140 Jahren ist die Brauerei Hutthurm ein Betrieb des ortsansässigen Geldinstituts. Gerstensaft und Tilgungsdarlehen, Sudhaus und Tresor, Brauer und Banker – im nördlichen Landkreis Passau gehört das unmittelbar zusammen. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht Brauerei-Marketingchef Jochen Haas über diese „bierisch-finanzige“ Zweierbeziehung. Außerdem blickt der 52-jährige gebürtige Stuttgarter auf die generelle Entwicklung seiner Branche und auf die neue Marketing-Idee seiner Brauerei. Made in da Heimat …
Das große Pfund der Brauerei Hutthurm: Der Heimdienst
Herr Haas, beschreiben Sie bitte kurz den Betrieb der Brauerei Hutthurm.
Besonders auffällig: Unser größter Absatzmarkt ist der Heimdienst – mit einem Verbreitungsgebiet von Amberg bis Iffeldorf, aber auch Richtung Rosenheim und Berchtesgaden. Insgesamt haben wir 13 Depots, von wo aus unsere Kunden beliefert werden. Nach und nach ist dieses Netz so gewachsen, was uns natürlich sehr freut. Jährlich haben wir einen Ausstoß von rund 140.000 Hektolitern – die Hälfte davon alkoholfreie Getränke. Insgesamt haben wir 122 Mitarbeiter in Deutschland und fünf in Österreich.
Werfen Sie bitte einen Blick auf die Historie der Brauerei.
Seit 1577 wird in Hutthurm gebraut. Der Betrieb ist im Bayerischen Wald sehr verwurzelt. So haben wir zum Beispiel in der Umgebung eigene Quellen, von denen wir unser Wasser beziehen. Nachdem wir lange Zeit eine Genossenschaftsbrauerei waren, sind wir seit mittlerweile rund 140 Jahren ein Teil der Raiffeisenbank.
Eine eher ungewöhnliche Kombination.
Absolut – fast schon besser als eine kirchliche Brauerei (lacht). Wir sind ein Betrieb der Raiffeisenbank im Landkreis Passau Nord. Unser Chef ist Franz Kerschbaum, der auch Vorstandsvorsitzender der Bank ist.
Wie wär’s mit einem Hutthurmer Bier in Neapel?
Wie haben sich die Ausstoß-Zahlen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Bier ist früher definitiv mehr getrunken worden. 1999 hatten wir in Bayern einen Pro-Kopf-Verbrauch von 140 Litern, jetzt sind wir bei nur noch knapp über 100 Litern. Im Gegenzug werden mehr alkoholfreie Getränke verkauft. Früher hat es zum Beispiel keine Energy-Drinks gegeben, die heute bei Rechnungen an Diskos den größten Teil ausmachen. Durch den Export wurde in Bayern im vergangenen Jahr aber insgesamt wieder mehr Bier verkauft.
Apropos Export: Wie sieht da die Entwicklung aus?
Puh, das ist kein leichter Markt. Da gibt es sehr viele Vermittler, die schlichtweg Betrüger sind. Findet man die richtigen Partner, ist es aber definitiv ein guter Absatzmarkt. Hauptsächlich sind wir in Italien und Österreich aktiv. Beispielsweise kann man sich in Restaurants in Neapel ein Hutthurmer Bier bestellen.
Wie schafft man es, dort Abnehmer zu finden?
Das machen die Händler vor Ort. In diesem Fall suchen sich italienische Getränkelieferanten deutsche Brauereien als Partner. Bayerisches Bier ist nach wie vor der Renner, ein Qualitätsmerkmal.
Aldersbachs Brauereichef Freiherr von Aretin stellte im Hog’n-Interview fest, dass Bier immer mehr zum Luxusprodukt wird. Stimmen Sie seiner Aussage zu?
Ja. Zum Glück wird die Wertschätzung wieder höher. Lange Zeit hat sie darunter gelitten, dass Brauereien wie zum Beispiel Oettinger, sehr, sehr billig sind. Das kann es aber nicht sein. Bis dass das Bier in der Flasche ist, vergeht viel Zeit – außerdem steckt viel Know-how dahinter. Und deshalb ist es schade, dass solche Billig-Brauereien der Wertschätzung für Bier geschadet haben. Mittlerweile gibt es auch die Craft-Beer-Bewegung, die das handgefertigte Bier in den Vordergrund stellt – als Gegenpol zu den maschinellen Groß-Brauereien. Es gibt auch immer mehr Spezial-Biere. Und für solche sind die Abnehmer auch bereit, einiges zu zahlen.
Wie schafft man es als Brauerei in Bayern ein Alleinstellungsmerkmal zu haben?
Es gibt sicher ein paar Dinge, auf die sich alle Brauereien berufen – Qualität, die Region, die Zutaten. Unser Alleinstellungsmerkmal ist vor allem der Heimdienst – immerhin zwei Drittel unseres Umsatzes. Außerdem basteln wir zurzeit an einer Identität, die uns von den Mitbewerbern abhebt. Was das genau ist, möchte ich aber noch nicht sagen.
„Die großen Brauerei verlieren ein bisschen an Image“
Vollenden Sie den Satz: Ich kaufe mir ein Hutthurmer Bier, weil …
… es von der Qualität her perfekt ist und einen tollen Geschmack hat.
Das würde wohl jede Brauerei sagen.
Das stimmt schon, ja. Ich hoffe, dass jeder Braumeister weiß, was er tut (lacht). Wir geben ein Qualitätsversprechen ab. Kürzlich haben wir unsere Produkte bei der DLG eingereicht und sind ausgezeichnet worden. Das hat uns darin bestätigt, dass wir einen guten Standard haben. Klar, Geschmacksunterschiede zwischen den Bieren gibt es immer. Das ist aber auch gut so…
Wie schafft man es im Konkurrenzkampf gegen Großbrauereien wie Becks und Heineken zu bestehen?
Da ist – zum Glück – ein Umdenken im Kopf der Verbraucher da. Die großen Brauereien verlieren gerade ein bisschen an Image – vor allem, weil sie nur über die Masse kommen und immer weniger Wert auf Qualität legen. Die Abnehmer sind wieder mehr stolz auf Produkte aus der Region – und das ist gut so.
Die Brauerei Lang in Freyung wurde kürzlich in eine Genossenschaft umgewidmet. Ihre Meinung dazu?
Es war wohl die letzte Chance, die Brauerei zu retten. Ganz einfach. Ob es die Ideallösung ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Klar ist aber auch: Eine eigenständige, gesunde Brauerei ist das Beste.
„In Maßen genossen, ist Bier sogar gesund“
Heikles Thema: Alkoholsucht. Wie geht man als Brauerei mit diesem Thema um?
Die frühere Suchtbeauftragte im Bundestag hat uns ja mal als ‚Drogendealer‘ bezeichnet. Ich denke, das Ganze wird heißer gekocht als gegessen. Bier ist bei uns in Bayern ein Grundnahrungsmittel. Ich finde aber, es ist nicht so schlimm wie ein Schnaps-Mix-Getränk, bei dem man nicht schmeckt, dass es Alkohol beinhaltet. Und: In Maßen genossen, ist Bier sogar gesund.
Abschließende Frage: Wie wird sich die Brauerei Hutthurm in der Zukunft entwickeln?
Wir werden weiterhin auf den Heimdienst setzen und versuchen, ihn weiter auszubauen. Außerdem werden wir unsere neueste Errungenschaft, nämlich „Your branded beer“, auf dem Markt bekannt machen. Der Kunde kann auf dieser Seite Hutthurmer Bier mit seinem selbstgestalteten Etikett bestellen. Schau ma mal, wie sich das entwickelt …
Vielen Dank für das Interview. Alles Gute für die Zukunft
Interview: Helmut Weigerstorfer