Schöfweg. Braucht jemand Hilfe, ist Martin Geier meist sofort zur Stelle – und das gleich in doppelter Hinsicht. Als ehrenamtlicher Bürgermeister ist der 49-Jährige erster Ansprechpartner, wenn es um gemeindeinterne Probleme in Schöfweg geht. Als Rettungsassistent – früher in seinem Heimatdorf eingesetzt, heute in Grafenau und Freyung – ist der BRK-Mitarbeiter Ersthelfer, wenn es um Leben und Tod geht. Eine im Landkreis Freyung-Grafenau wohl einmalige Kombination, die abwechslungsreich, aber auch sehr fordernd ist, wie der gelernte Kfz-Mechaniker im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n zugibt. Der Kommunalpolitiker (FW/SPD) spricht dabei außerdem über das seiner Meinung nach ungerechte Verteilungssystem in Sachen Fördermittel – und die Folgen der „Randlage“ seiner Gemeinde.
Herr Geier, provokativ gefragt: Würde die Gemeinde Schöfweg überhaupt jemand kennen, wenn nicht der örtliche Sportverein wäre, der nach dem Aufstieg in die Bezirksliga zu den Aushängeschildern des Landkreises Freyung-Grafenau zählt?
Gute Frage (lacht). Wir sind natürlich sehr stolz auf unsere Fußballer. Der Aufstieg ist ein einzigartiger Erfolg, der freilich unsere Gemeinde etwas interessanter und bekannter gemacht hat. Durch unsere Nähe zum Brotjacklriegel – neben dem Lusen und dem Rachel einer der bekanntesten Berge in der Umgebung – hat unser Ort aber ohnehin einen hohen Bekanntheitsgrad. Aufgrund unserer Lage sind wir generell eher eine touristisch geprägte Kommune.
„Unsere Bevölkerung tendiert Richtung Deggendorf“
Was denken Sie: Fristet Schöfweg als westlichste Gemeinde im Landkreis Freyung ein Mauerblümchen-Dasein?
Man muss schon auf sich aufmerksam machen – wie jede andere Kommune auch. Dass es alles andere als ideal ist, an der Landkreisgrenze positioniert zu sein, steht außer Frage. Ähnlich ergeht es übrigens auch unseren Nachbarn auf der Deggendorfer Seite, der Gemeinde Grattersdorf. Wir sind nicht nur die westlichste Kommune im Landkreis Freyung-Grafenau, sondern auch relativ weit von den drei Städten Freyung, Grafenau und Waldkirchen entfernt. Logisch, dass unsere Bevölkerung da eher in Richtung Deggendorf tendiert.
Fühlen sich die Schöfweger überhaupt dem Landkreis Freyung-Grafenau zugehörig?
Ja. Durch die Verwaltungs-Gemeinschaft mit Schönberg, zu der auch Eppenschlag und Innernzell gehören, rücken wir ja näher an den Kern des Landkreises. Wir identifizieren uns mit Freyung-Grafenau – auch wenn Zeiten hinter uns liegen, in denen das nicht so war. Im Rahmen der Gebietsreform gab es nämlich durchaus den Gedanken, ob man sich nicht besser dem Landkreis Deggendorf anschließt.
Ist dies auch heute noch der Fall? Zumindest manchmal?
Nein. Ich sehe auch keine Veranlassung, diesen Gedanken wieder aufzugreifen. Würden wir wechseln, wären wir nicht mehr die westlichste Kommune von Freyung-Grafenau, sondern die östlichste im Kreis Deggendorf. Egal, wie wir es drehen und wenden, wir würden immer am Rand liegen – das ist unser Schicksal (lacht).
„Die Haushaltskonsolidierung müssen wir umsetzen. Punkt. Aus“
Ist Freyung auch im geistigen Sinne weit weg – oder ist der Draht zum Landratsamt trotz der weiten Entfernung relativ kurz?
Wir haben ein gutes Auskommen mit dem Landratsamt, man kennt und schätzt sich. Deshalb sind wir geistig gar nicht so weit entfernt von Freyung. Seitdem ich Mitglied des Kreistags bin, hat sich die Zusammenarbeit noch weiter intensiviert. Ich beschäftige mich noch mehr mit kreispolitischen Angelegenheiten, habe das Große und Ganze noch besser im Blick. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass Landrat Gruber die Kommunen ernst nimmt – auch die am Rand.
Wie nimmt man dann in Schöfweg Entscheidungen wie die Schließung des Krankenhauses Waldkirchen wahr? Man ist ja nicht direkt betroffen.
Die Schöfweger sind natürlich mit Waldkirchen nicht sehr verbunden – das dürfte allein schon aufgrund der weiten Entfernung klar sein. Wäre ich nicht Kreisrat, würde es auch mich nicht sonderlich beschäftigen. (überlegt) Es ist bitter, wenn man bestehende Strukturen aufgeben muss. Aber die finanzielle Lage des Landkreises macht diese Schließung alternativlos. Die vergangenen Kreistagssitzungen haben zudem gezeigt, dass neben den Krankenhäusern noch weitere Einrichtungen auf dem Prüfstand stehen. Wir haben die Haushaltskonsolidierung einmütig beschlossen – und müssen diese jetzt umsetzen. Punkt. Aus.
Inwiefern ist die Gemeinde Schöfweg von den Sparmaßnahmen betroffen?
Landkreis-Einrichtungen befinden sich ja hauptsächlich in den drei Städten. Was Gebäulichkeiten betrifft, sind wir deshalb nicht betroffen – zumal wir uns auch krankenhaustechnisch eher in Richtung Deggendorf orientieren.
„Es gibt freiwillige Leistungen, auf die wir nicht verzichten wollen“
Sinkende Schlüsselzuweisungen, steigende Kreisumlage – die Nachrichten, die Schöfweg zuletzt aus Freyung erhalten hat, waren alles andere als positiv.
Das war absehbar. Die angestrebten Konsolidierungsmaßnahmen greifen nicht umgehend. Die steigende Kreisumlage zeigt, dass es sehr wichtig ist, zu sparen. Die jetzigen schmerzhaften Einschnitte wie die Schließung des Waldkirchener Krankenhauses werden sich positiv auf die Finanzlage aller Kommunen im Landkreis Freyung-Grafenau auswirken.
Die sinkenden Schlüsselzuweisungen sind ein Indikator für eine gute wirtschaftliche Lage in der Gemeinde, richtig?
Ja und Nein. Wir haben derzeit eine Pro-Kopf-Verschuldung von zirka 1.250 Euro. Diese Zahl macht deutlich, dass es uns nicht so gut geht. In dieser Hinsicht muss man den Freistaat Bayern kritisieren: Es kann nicht sein, dass Großstädte, die bereits nicht unbedingt kleine Gewerbesteuer-Einnahmen haben, noch mit hohen Schlüsselzuweisungen bedacht werden. Das ist nicht in Ordnung. Es gibt viele Kommunen – dazu zähle ich auch Schöfweg -, die nur von diesen Mitteln leben. Und dann wird’s problematisch, wenn unsere Schlüsselzuweisungen der Durchlaufposten für die Kreisumlage sind.
Ist es angedacht, Stabilisierungshilfen zu beantragen?
Nein, derzeit nicht. Solche finanziellen Unterstützungen gehen einher mit einem Konsolidierungsprogramm, das sich die Gemeinde selber auferlegen muss – mit allen Konsequenzen. Es gibt jedoch freiwillige Leistungen, auf die wir nicht verzichten können und wollen. Dieses Geld ist bestens angelegt. Gute Vereinsarbeit muss zum Beispiel belohnt werden.
„Wenn man so will, ein Traumzustand“
Kanalsanierungen, Breitbandausbau, Straßennetz – die meisten Gemeinden sind mit diesen Pflichtaufgaben voll ausgelastet. Wie schaut’s da in Schöfweg aus?
In Sachen Internet sind die Aufträge bereits vergeben, eine zweite Ausschreibungswelle ist ebenfalls in Arbeit. Sind diese Prozesse abgeschlossen, sind wir in der Gemeinde in Sachen Internet bestens versorgt. Straßen: In diesem Bereich hätten wir durchaus Bedarf. Wobei die Mängel nicht so eklatant sind wie vielleicht bei anderen Kommunen im Landkreis. Bereits meine Vorgänger haben hier gute Arbeit geleistet. Kanal: Dieses Thema haben wir nach dem Abwasserversorgungskonzept umgesetzt, das heißt: Wir sind fertig damit. Wenn man so will, ein Traumzustand.
Direkt gefragt: Sind Sie als Bürgermeister eher ein Verwalter – oder ein Gestalter?
(überlegt) Verwalter und Gestalter.
Wie viel Spielraum bleibt bei den vorher genannten „Hausaufgaben“ für das Kreative, das Innovative?
Leider sehr, sehr wenig. Finanziell wird vieles auf die Kommunen runtergebrochen. Hätte ich mehr Geld, wären die Gestaltungsfreiräume zahlreicher, klar.
Mit welchen Projekten soll man den Bürgermeister Geier irgendwann einmal in Verbindung bringen?
Endet meine Amtszeit, ist es sicher eines meiner Ziele, auf Projekte zurückblicken zu können, auf die die Einwohner stolz sind. Einige prägende Entscheidungen habe ich bereits fällen dürfen, aber die große Attraktion ist bisher nicht dabei. Ein Beispiel: Seit 1876 war eine 365 Hektar große Fläche am Brotjacklriegel gemeindefrei. Nun ist es uns gelungen, dass dieses Gebiet wieder der Kommune gehört. Ein großer Erfolg, der aber eher im Hintergrund abgelaufen ist.
Viele Aufgaben, ein Fulltime-Job – und das, obwohl Sie „nur“ ehrenamtlicher Bürgermeister. Wie geht das alles zusammen?
Ich bin Rettungsassistent beim Bayerischen Roten Kreuz. Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die mich voll fordert. Diesen Beruf übe ich zu 35 Prozent aus – die restliche Zeit verwende ich für das Bürgermeisteramt. Es kann durchaus mal vorkommen, dass ich nach einer Nachtschicht gleich am Morgen darauf ins Rathaus muss.
„Einen hauptamtlichen Bürgermeister können wir uns nicht leisten“
Macht es Ihre Meinung nach denn überhaupt Sinn, ehrenamtlich Bürgermeister zu sein?
Aus meiner Sicht: nein. Aus Sicht der Gemeinde: ja. Das ist vor allem eine finanzielle Frage. Es ist wohl schwierig für eine Gemeinde der Größenordnung Schöfwegs mit 1.300 Einwohnern sich einen hauptamtlichen Bürgermeister zu leisten. Im Großen und Ganzen habe ich dennoch die gleichen Aufgaben zu erledigen wie ein Kollege einer größeren Kommune. Deshalb wäre es für mich schon einfacher, wenn ich hauptamtlicher Bürgermeister wäre.
Sind Sie als Rettungsassistent auch mal im Bereich Schöfweg im Einsatz?
Nein, leider nicht mehr. Die örtliche Rettungswache wird inzwischen privat betrieben. Meine Dienststellen sind Grafenau und Freyung.
Könnte Bürgermeister Geier nicht dafür sorgen, dass Rettungsassistent Geier wieder in Schöfweg arbeiten kann?
(lacht) Eher nicht. Der Vertrag gilt für die kommenden zehn Jahre.
Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wie darf man sich die Gemeinde Schöfweg im Jahr 2020 – dann endet ihre aktuelle Amtszeit – vorstellen?
Ich hoffe, dass wir bis dahin, was die Wohnungsbausituation betrifft, weitergekommen sind. Aktuell sind keine Bauplätze mehr verfügbar. Auch haben wir kein Gewerbegebiet – wobei wir bereits sehr positive Gespräche führen. Gelingt es uns, einen größeren Betrieb nach Schöfweg zu bringen, wäre das durchaus ein Projekt, das man irgendwann einmal mit mir in Verbindung bringen könnte.
Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer