Zwiesel. Tobias Heider ist ein Paradebeispiel dafür, dass viele Sportler zwar Großes leisten, aber dennoch nur bei Megaevents wie den Olympischen Spielen wahrgenommen werden – und auch da nur bei den Stockerlplätzen. Im Schatten von „König Fußball“ haben es viele Sportarten schwer, in den medialen Fokus zu rücken. So ist der – zweifelsohne herausragende – Erfolg des 28-jährigen Waidlers nur Insidern bekannt. Der Zwieseler hat sich jüngst den Titel bei den Deutschen Meisterschaften der Sportschützen in der Disziplin „Luftpistole Herren“ sichern können. Auf den Silberrang verwies der Polizist dabei den frisch gekürten Olympiasieger Christian Reitz.
Lediglich ein Zehntel Vorsprung auf den Zweitplatzierten
Es war ein Herzschlagfinale in der Olympiaschießanlage in Garching-Hochbrück. Wie so oft, wenn es um Finalentscheidungen im Sportschießen geht. Da entscheiden regelmäßig nur Nuancen, ob man als Sieger jubelt – oder als Besiegter niedergeschlagen das Feld räumt. „Die Zehn, also die höchstmögliche Punktzahl, hat gerade mal einen Durchmesser von 11,5 Millimeter“, macht Tobias Heider deutlich. „Und es gilt, diese aus zehn Metern Entfernung anzuvisieren – freihändig und stehend.“ In den Vorkämpfen müssen die Teilnehmer mehr als 60 Schuss in maximal 105 Minuten abgeben – zwei Stunden höchste Konzentration und ein ruhiges Händchen sind dabei gefragt.
Im Finale schließlich traf der Zwieseler, der bei der Deutschen Meisterschaft für die Steinbügl-Schützen Neudorf und in der Luftpistole-Bundesliga für die HSG München antritt, auf keinen Geringeren als Christian Reitz. Dieser holte zwar bei den Olympischen Spielen in Rio seine Goldmedaille in einer anderen Disziplin (Schnellfeuerpistole), dennoch gehört er auch im Luftpistolen-Wettbewerb zu denjenigen, die es zu schlagen gilt. „Nervös war ich nicht, als es gegen den Olympiasieger um den Titel ging – es war wie gegen jeden anderen Gegner auch“, blickt Tobias Heider heute zurück. „Ich kenne Christian ja schon lange, bereits 2007 waren wir bei der Europameisterschaft gemeinsam im Einsatz.“ Letztlich konnte sich der 28-jährige Waidler mit haudünnem Vorsprung durchsetzen: Gerade mal ein Zehntel machte am Ende den Unterschied zwischen den beiden aus.
Es bleibt nur wenige Zeit für Training und Wettkämpfe
Umso größer war natürlich die Freude nach dem erfolgreichen Finale. Zumal Tobias Heider zuletzt nur wenig trainieren konnte. Der Grund: Der Bundespolizist befindet sich derzeit im Aufstieg zum Polizeikommissar, absolviert ein Studium an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Selbstredend, dass deshalb nur wenig Zeit für das Sportschießen – der Zwieseler ist trotz seines Leistungsniveaus Amateur – bleibt. Im Gegensatz zu Christian Reitz, der sich als Landespolizist in der Sportförderung befindet und dessen Dienst im Grunde genommen nur aus Training und Wettkämpfen besteht. Auch Heider gehörte einst einer solchen Fördergruppe an. Nachdem er aus dieser entlassen worden ist („Über die Gründe möchte ich schweigen“), gehört er auch nicht mehr dem Nationalkader an. Ein Start bei Olympia ist somit ausgeschlossen.
Doch das ist Schnee von gestern. Der Titelgewinn bei der Deutschen Meisterschaft stellt das Vergangene in den Schatten. „Das ist mein bisher größter Erfolg bei den Herren“, erklärt der frühere Junioren-Europameister. Doch leider kann er diese Euphorie nur mit der Familie, Freunden und einigen Insidern teilen. Das Sportschießen fristet – wie so viele andere Sportarten auch – ein Schattendasein. „Die deutsche Meisterschaft interessiert fast niemanden, sie geht komplett unter.“
Konzentration, Ausdauer, Nervenstärke und Entschlossenheit
Tobias Heider berichtet davon, dass man als Schütze eher „schief angeschaut“, das Hantieren mit Waffen oftmals mit kritischen Augen beobachtet wird. Den Spaß an seiner Sportart verliert er deswegen aber noch lange nicht. Den Zwieseler fasziniert dabei vor allem die Herausforderung in Sachen Nervenstärke und Konzentration – und betont den stets sicheren und kontrollierten Umgang mit den Sportgewehren und -pistolen.
„Mich hat der Schießsport schon immer interessiert. Das Zusammenspiel von Konzentration, Ausdauer, dem Zielen – und der nötigen Entschlossenheit, im richtigen Moment den Abzug zu betätigen. Man braucht schon in gewisser Weise einen Hang zum Perfektionismus.“ Perfektionismus, der leider allzu häufig im Verborgenen bleibt, abseits des Mainstreams…
Helmut Weigerstorfer