Niederwegscheid. Frischer geht’s nimmer. In Niederwegscheid (Gemeinde Wegscheid) auf dem Hof der Familie Stemplinger steht ein auf dem ersten Blick unscheinbarer Automat direkt neben den Stallungen, wo 55 Milchkühe und 110 Nachzucht-Tiere im Laufstall mit Außenlaufhof ihre Heimat haben. Erst bei genauerer Betrachtung wird deutlich, was ich hinter diesem Gerät verbirgt. Täglich von 9 bis 20 Uhr ist es nämlich möglich, sich bei Steffi (29) und Johannes Stemplinger (39) mit frischer Milch einzudecken. Einfach Münze einwerfen, Gefäß bereitstellen – und schon fließt die kostbare weiße Flüssigkeit. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erklärt die 29-jährige Bäuerin, wie genau ihre Milchtankstelle funktioniert, wie sichergestellt wird, dass die Qualität stimmt – und warum nicht weitere „Zapfsäulen“ dieser Art installiert werden können.
Direkt vom Melkroboter in die Flasche
Steffi, wie seid Ihr auf die Idee gekommen, eine Milchtankstelle zu eröffnen?
Ich habe solche Anlagen bereits in meiner Kinderzeit in Österreich gesehen. Dort sind heute noch viele dieser kleinen Automaten in Betrieb.
Wie funktioniert die „Zapfsäule“ genau?
Der Automat ist im Grunde nur ein Minikühlschrank mit Geldeinwurf und einer Steuereinheit, die oftmals in modernen Häusern genutzt wird – zum Beispiel bei automatischen Rollos. Nach dem Einwurf einer Münze drückt man eine Taste, durch die eine Tauchpumpe aktiviert wird, die die Milch dann direkt aus dem 4000-Liter-Tank pumpt. Gefäße kann man mitbringen – oder vor Ort kaufen.
Wie wird gewährleistet, dass die Milch stets frisch und hygienisch einwandfrei ist?
Die Milch kommt vom Melkroboter direkt in den Milchkühltank, der sie sofort auf 4 bis 5 Grad runterkühlt. Jeden zweiten Tag kommt der Milchwagen und leert den Tank, der dann gereinigt wird. Der Automat erkennt das – und reinigt sich ebenfalls.
Welche Vorteile bringt frische Milch vom Bauern vor Ort mit sich?
Man kann einfach noch alles daraus machen: Den Rahm abschöpfen und dann Butter herstellen. Oder in der Wärme stehen lassen, dann wird sie zu Dickmilch, die besonders bei den älteren Generationen noch sehr beliebt ist, weil sie diese noch aus ihrer Kindheit kennen.
Was kostet bei Euch ein Liter Milch?
70 Cent. Mindestabnahme ist eine Menge im Wert von 10 Cent, da die Tankstelle keine kleineren Münzen annimmt.
Nicht nur ein Beruf, sondern eine Leidenschaft
Wie wird die „Tankstelle“ – vor dem Hintergrund der Dumpingpreise auf dem Markt was Milch betrifft – angenommen?
Sehr gut. Seit Bestehen der Tankstelle – inzwischen sind es knapp zwei Jahre – hat sich eine Stammkundschaft herauskristallisiert, die komplett auf unsere Milch umgestiegen ist. Es gibt auch sporadische Abnehmer, die hin und wieder zu uns kommen. Auch von Urlaubern wird unser Angebot gerne wahrgenommen. Die einzige negative Rückmeldung bisher: Unsere Milch wird sehr schnell aufgebraucht. Kühlschrank auf und immer erst einen Schluck Milch – da hält sie sich nie lange (lacht).
Ist es aufgrund der niedrigen Milch-Preise überhaupt noch „schön“, Bauer zu sein?
Ganz klar: Ja. Es ist ja nicht nur ein Beruf, sondern eine Leidenschaft – da ändern selbst schlechtere Jahre nichts. Die Tiere haben keine Schuld an den niedrigen Milchpreisen. Deshalb gibt es für uns auch keinen Grund, die Freude an dieser Arbeit zu verlieren.
Hand aufs Herz: Rentiert sich die Milchtankstelle?
Unser Hauptgrund, den Automaten zu installieren, war nicht der Umsatz. Wir haben vor drei Jahren den Laufstall modernisiert. Wir wollten damit auch Besuchern den Zugang ermöglichen und so das Image der Landwirte etwas verbessern. Zu diesem Gesamtpaket gehört auch die Milchtankstelle. So unglaubwürdig es klingt, aber: Jedes Kind, das zu uns kommt und ein Kalb streichelt, freut uns sehr.
Gesetzeslage verhindert weitere Milchtankstellen
Ist es geplant, weitere Tankstellen zu eröffnen?
Wäre es mit der Gesetzeslage etwas einfacher, dann würden wir es vielleicht in Erwägung ziehen. Aber wir dürfen die Milch lediglich am Hofgrund verkaufen – ansonsten müssten wir sie pasteurisieren.
Vielen Dank für das Interview.
Interview: Helmut Weigerstorfer