Ein Samenspender sollte also der Vater unseres Kindes werden. Also haben wir schnell einen Termin bei der Samenbank vereinbart. Aber wie läuft das da ab? So jedenfalls nicht: Wir haben nie in einem Katalog mit Männern geblättert und uns den passenden Samenspender ausgesucht. In Deutschland warten stattdessen Untersuchungen und Verträge (und Kosten) auf jedes Paar, das mithilfe eines Samenspenders ein Kind bekommen möchte. Auf uns als gleichgeschlechtliches Paar genauso wie auf jedes andere.
…und wenn es nicht klappt, dann halt nicht…
Vor dem ersten Termin bei der Cryobank München waren wir ziemlich aufgeregt. Wir hatten nicht lange darauf warten müssen. Schon wenige Tage nach meinem ersten Anruf dort saßen wir einer Psychologin gegenüber. Ein ausführliches Aufklärungsgespräch ist Vorschrift. Ziemlich seltsam, dass wir ganz zu Beginn des Abenteuers Kinderwunsch hörten, dass es schwierig werden könnte, schwanger zu werden; dass es auch manchmal gar nicht klappt; und dass das eine emotionale Herausforderung für uns als Paar werden kann.
Gar kein Problem, denken wir zu diesem Zeitpunkt. Unsere Beziehung bringt so schnell nix ins Wanken. Und wir haben ja keinen Druck: Wir probieren es einfach – und wenn es nicht klappt, dann halt nicht. Und ich bin ja mit 31 noch relativ jung und außerdem gesund – was sollte schon schief gehen?
Die Cryobank München machte einen sehr guten Eindruck auf uns. Vor allem die Tatsache, dass wir dort als Frauenpaar überhaupt nicht „besonders“ behandelt wurden. Auf natürlichem Weg ist eine Schwangerschaft bei uns nicht möglich und deshalb helfen sie uns. Punkt.
Kommt Spendersamen ins Spiel, wird man zum Selbstzahler
Aber bis es mit dem ersten Versuch losgehen konnte, mussten wir zum ersten Mal Geduld haben. Zunächst wartete da ein Stapel Papier auf unsere Unterschrift. Ein ziemlich seltsames Gefühl, einen 13-seitigen „Vertrag über den Kauf von Spendersperma“ und „zur donogenen Inseminationsbehandlung“ (also zum Befruchten mit Sperndersamen) vor sich liegen zu haben. Das hat erst mal so gar nichts Romantisches… Umso intensiver ist aber gleichzeitig das Gefühl, dass jetzt ein Abenteuer für uns als Paar beginnt. Dass sich mit der Unterschrift und dem Start der Behandlung unser Leben und unsere Beziehung komplett verändern könnte, weil bald – wenn alles klappt – ein Kind unsere ganze Aufmerksamkeit einfordern wird.
Im Vertrag stehen auch die Kosten. Die Spenderauswahl kostet gut 500 Euro. Jeder so genannte Straw-Spendersperma (also jede einzelne „Portion“ – pro Versuch braucht man eine) kostet 499,80 Euro. Dazu kommen die Kosten für die Insemination (der Arzt macht Ultraschalluntersuchungen, um den perfekten Termin möglichst genau festzulegen und setzt dann am Tag X den Spendersamen ein): Das sind pro Versuch etwa 200 Euro. Die Cryobank meinte, vier bis sechs Versuche müssten wir auf jeden Fall einplanen, also Gesamtkosten von etwa 3.500 bis 4.500 Euro. Im Nachhinein können wir darüber nur lachen. Wir waren nämlich kein leichter Fall… aber dazu bald mehr.
All diese Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen. Weder bei uns noch bei heterosexuellen Paaren. Eine schwer nachvollziehbare Regelung – wo doch bei anderen Kinderwunsch-Behandlungen teilweise hohe Kosten von der Krankenkasse beglichen werden. Kommt Spendersamen ins Spiel, wird man aber zum Selbstzahler.
Rechtliches zum Thema Samenspende
- In Deutschland ist es gesetzlich geregelt, dass die Samenbank die Daten des Spenders mindestens 30 Jahre lang aufbewahren muss. Das Kind hat Anspruch auf Auskunft über seine Herkunft. Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2015 hat ergeben, dass bereits Kinder ein Recht auf Kenntnis ihrer biologischen Wurzeln haben – sie müssen nicht warten, bis sie 18 sind.
- Wer nicht möchte, dass sein Kind jemals den Spender kennenlernt, geht beispielsweise nach Belgien. Dort ist die Identität der Spender nämlich gesetzlich geschützt. Die Spenderkinder erfahren nie, wer ihr biologischer Vater ist.
- Hierzulande gibt es bis dato laut Fachleuten etwa 100.000 Kinder, die durch Samenspende gezeugt wurden. Dass ein Spender 533 Kinder zeugt – wie im Film „Starbuck„, der auf einer realen amerikanischen Geschichte basiert – ist in Deutschland unrealistisch. Die Samenbanken achten darauf, dass jeder Spender maximal zehn bis 15 Kinder hat.
Noch am Abend nach dem ersten Besuch bei der Samenbank haben wir die Verträge unterschrieben und gleich am nächsten Tag zurückgeschickt. Schließlich sollte die anschließende Auswahl des passenden Samenspenders durch die Samenbank ein paar Tage dauern – und wir wollten ja den nächsten Eisprung nicht verpassen, um gleich den ersten Versuch starten zu können.
Den passenden Samenspender wählt die Samenbank aus – wir als zukünftige Eltern erfahren nichts über ihn. Und wir waren darüber auch froh. In anderen Ländern, in Australien und den USA zum Beispiel, wählt man tatsächlich selbst den „passenden“ Mann aus. Eine schreckliche Vorstellung für mich, die mich wahrscheinlich überfordert hätte. Ich wollte mir keinen Mann aus einem dicken Katalog mit Fotos und Beschreibungen der Spender aussuchen, sondern habe voll und ganz auf die Samenbank vertraut. Letztendlich haben wir ja entschieden, dass dieser Mann in unserem Leben keine Rolle spielen wird.
Soll er musikalisch begabt sein? Oder eher mathematisch?
Trotzdem sollten wir einen Fragebogen ausfüllen: Wie soll der Mann aussehen? Soll er musikalisch begabt sein? Oder eher mathematisch? Wir konnten zu all dem tatsächlich Wünsche äußern. Wir haben uns aber sehr zurückgehalten – weil wir es ziemlich seltsam fanden, unseren „Wunschvater“ quasi zusammenzupuzzeln. Wenn die Aussichten besser wären, hätten wir auch gerne ein Kind adoptiert – und da stellt man ja auch keine Kriterien auf, wie die leiblichen Eltern des Adoptivkindes so sein sollen …
Generell versucht die Samenbank, einen Spender zu finden, der dem zweiten Elternteil – in unserem Fall also meiner Frau Edith – möglichst ähnlich ist. Das hat einen Grund: Viele Eltern wollen nicht, dass irgendjemand erfährt, dass ihr Kind durch Samenspende entstanden ist. Wenn es seinem Vater möglichst ähnlich sieht, ahnt niemand, dass er gar nicht der biologische Vater ist. In unserem Fall spielt das keine Rolle. Und wir sind auch generell der Meinung, dass jedes Kind wissen sollte, wie es entstanden ist. Denn Probleme entstehen vor allem dann, wenn irgendwann zufällig „auffliegt“, dass der Vater gar nicht der richtige Vater ist. Dann fühlt sich das Kind betrogen.
Klar war für uns immer, dass wir später das Kind entscheiden lassen, ob es seinen biologischen Vater kennenlernen möchte. Wir finden es gut, dass wir in Deutschland gar keinen komplett anonymen Spender wählen konnten.
Erst in drei Monaten? Ich war schockiert!
Über all das hatten wir uns ausführlich Gedanken gemacht. Jetzt waren wir uns sicher: So soll es ablaufen – und es soll so schnell wie möglich losgehen. Aber dann kam der erste Dämpfer: Bereits bei unserem ersten Besuch in der Samenbank hatte mir eine Mitarbeiterin Blut abgenommen. Voraussetzung für eine Behandlung mit Spendersamen ist nämlich ein Blutcheck: Es wird untersucht, ob ich keine Krankheiten wie HIV oder Hepatitis habe – und ob Antikörper gegen Röteln da sind. Denn: Wer nicht gegen Röteln geimpft ist, kann sich während der Schwangerschaft anstecken – und das wäre äußerst gefährlich für das ungeborene Kind.
Als Kind habe ich die Rötelnimpfung bekommen – umso erstaunter war ich, als mich eine Mitarbeiterin der Samenbank anrief und mir sagte, dass sie in meinem Blut keine Antikörper gefunden hätten. Kann leider passieren: Dass man geimpft ist und trotzdem nicht geschützt. Und jetzt? Sie erklärte mir, dass das leider bedeute, dass wir erst in drei Monaten starten können. In drei Monaten? Ich war schockiert! „Sie müssen sich jetzt impfen lassen und dann nachweisen, dass die Impfung gewirkt hat“, meinte die Mitarbeiterin am Telefon. Und erst drei Monate nach der Impfung besteht dann sicher kein Risiko für das ungeborene Kind – also darf man erst dann schwanger werden. Ein kleiner Vorgeschmack für uns darauf, dass es dauern kann, bis man schwanger ist…
Jetzt müsst auch Ihr, liebe Leser, Euch ein klein wenig gedulden – im nächsten Teil der Serie erfahrt ihr dann, wie wir die erste Insemination erlebt haben, wie ich meinen Zyklus so genau wie niemals zuvor beobachtet habe und wie der erste Schwangerschaftstest ablief…
Sabine Simon